Blue Card soll EU attraktiver für ausländische Fachkräfte machen

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Die Berichterstatterin Ewa Klamt aus dem Europa Parlament erklärte in einer Presseerklärung am 20.11.2008, dass die EU für hochqualifizierte Arbeitnehmer aus Drittstaaten allraktiver werden will. Mit der sog. Blue Card, einer kombinierten Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, soll der Zugang zum Arbeitsmarkt in der EU für Hochqualifizierte erleichtert werden. Zu den Mindestanforderungen einer Blue Card sollen nach Ansicht des Europäischen Parlaments ein Hochschulabschluss oder eine fünfjährige Berufserfahrung sowie ein Gehalt von mindestens dem 1,7-fachen des durchschnittlichen Bruttolohns gehören.

Die Europäische Union sieht einem Mangel an Fachkräften entgegen: Innerhalb der nächsten zwanzig Jahre, so die Prognose, werden EU-weit 20 Millionen ausgebildete Arbeitskräfte fehlen. Einwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten könnte den Engpass vermeiden oder zumindest vermindern. Aus diesem Grund hatte die Europäische Kommission im Oktober 2007 einen Vorschlag zur Einführung einer Blue Card vorgelegt – einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für nicht-europäische Fachkräfte nach dem Vorbild der US-amerikanischen „Green Card".
 
"Nutzen für die Einwanderer und die EU gleichermaßen erhöhen"
 
"Wir möchten die Regelung praktikabler machen und den Nutzen für die Einwanderer und die EU gleichermaßen erhöhen", so Berichterstatterin Ewa KLAMT (CDU) im Vorfeld der Abstimmung. Manfred WEBER (CSU), der die Berichterstatterin während der Debatte vertrat, ergänzte: "Im Wettbewerb um die besten und klügsten Köpfe haben wir derzeit als Europäische Union eine schlechte Ausgangsposition". Diese Frage sei aber für die Zukunft, für die Innovationsfähigkeit unserer Volkswirtschaften entscheidend. 388 Abgeordnete stimmten für die Regelung, 56 dagegen, 124 enthielten sich.
 
Die Blue Card-Richtlinie gilt für Drittstaatsangehörige, die eine hoch qualifizierte Beschäftigung in der EU ausüben möchten, sowie für diejenigen Drittstaatsangehörigen, die sich bereits rechtmäßig in einem EU-Mitgliedstaat aufhalten und bleiben möchten, etwa Studierende. Es geht um schnelle und unbürokratische Zulassungsverfahren sowie gemeinsame, einheitliche Definitionen für den Zugang zu insgesamt 27 unterschiedlichen Arbeitsmärkten in der EU.
 
Kombinierte Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung
 
Die "EU-Blue Card" ist eine kombinierte Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung. Sie berechtigt ihren Inhaber, sich rechtmäßig in einem EU-Mitgliedstaat aufzuhalten und eine Erwerbstätigkeit auszuüben und unter bestimmten Voraussetzungen in einen anderen Mitgliedstaat zu wechseln, um einer hoch qualifizierten Beschäftigung nachzugehen.
 
Die Blue Card soll zunächst für drei Jahre gültig sein und dann um weitere zwei Jahre verlängert werden können. Beträgt die Dauer des Arbeitsvertrags weniger als drei Jahre, wird die EU Blue Card für die Dauer des Arbeitsvertrags plus sechs Monate ausgestellt. Aufenthaltstitel für Familienangehörige werden spätestens sechs Monate nach Einreichung des Antrags erteilt.
 
Inhaber einer Blue Card sind nach 36 Monaten berechtigt, eine hochqualifizierte Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben, während sie im ersten Mitgliedstaat wohnen. Nach zwei Jahren sind der Blue Card-Inhaber und seine Familienangehörigen berechtigt, sich zum Zweck der Ausübung einer hoch qualifizierten Beschäftigung in einem anderen als dem ersten Mitgliedstaat niederzulassen.
 
Hochschulabschluss oder fünfjährige Berufserfahrung
 
Zu den Mindestanforderungen einer Blue Card sollen nach Ansicht der Abgeordneten ein Hochschulabschluss oder eine Berufserfahrung von mindestens fünf Jahren, "davon mindestens zwei Jahre in einer Führungsposition", gehören. Die EU-Kommission hatte eine dreijährige Berufserfahrung vorgeschlagen.
 
Gehalt mindestens das 1,7-fache des durchschnittlichen Bruttolohns
 
Eine weitere Bedingung, die für den Erhalt einer Blue Card erfüllt werden muss, ist ein Gehalt in einer bestimmten Höhe. Nach dem Willen der Abgeordneten muss das Gehalt mindestens dem 1,7-fachen des durchschnittlichen Bruttomonats- oder Bruttojahreslohns in dem betreffenden Mitgliedstaat entsprechen und darf nicht unter den Löhnen liegen, die für einen vergleichbaren Arbeitnehmer im Aufnahmeland gelten oder gelten würden. Der Ministerrat möchte für das Gehalt den Faktor 1,5 einführen, wohingegen die Kommission in ihrem ursprünglichen Vorschlag das Dreifache des nationalen Mindestlohns angesetzt hatte. Damit sind auch kleine und mittelständische Unternehmen und Hochschulen in der Lage, Hochqualifizierte anzuwerben.
 
Mitgliedstaaten prüfen Arbeitsmarktsituation
 
Bevor die Mitgliedstaaten über einen Antrag auf Erteilung einer Blue Card entscheiden, können sie die Arbeitsmarktsituation prüfen und einzelstaatliche Verfahren und Gemeinschaftsverfahren zur Besetzung freier Stellen anwenden. Vorrangig berücksichtigen die Mitgliedstaaten aus arbeitsmarktpolitischen Gründen Unionsbürger, ebenso den nationalen und regionalen Arbeitskräftebedarf.
 
Zudem lehnen die Mitgliedstaaten einen Antrag auf eine Blue Card in Arbeitsmarktsektoren ab, zu denen der Zugang für Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten aufgrund der in den Beitrittsakten von 2003 bzw. 2005 festgelegten Übergangsregelungen beschränkt ist.
 
"Die Länder behalten die Kontrolle über ihre Arbeitsmärkte und entscheiden individuell, ob ein Bedarf an Hochqualifizierten besteht", so Klamt. "Wenn es für Jobs qualifizierte innereuropäische Kolleginnen und Kollegen gibt, müssen diese einer Blue Card-Vergabe vorgezogen werden. Wir müssen auch unterstreichen, dass wir zwar die Verfahren vereinheitlichen, aber keine europäischen Quoten festlegen wollen, das heißt nicht definieren wollen, wie viel Zuwanderung es geben soll. Das muss und soll in nationaler Kompetenz bleiben", ergänzt Manfred Weber.
 
Mangel an hochqualifizierten Arbeitskräften in Drittstaaten vermeiden
 
Die Mitgliedstaaten dürfen nicht aktiv um hochqualifizierte Arbeitnehmer in den Sektoren werben, in denen es im Drittstaat bereits einen Mangel an hochqualifizierten Fachkräften gibt oder ein solcher Mangel zu erwarten ist, so das Parlament. Dies betrifft insbesondere den Gesundheits- und Bildungssektor.
 
"Es soll keine Rekrutierung von Hochqualifizierten aus Drittstaaten geben, die dort dringend benötigt werden", so Manfred Weber. Der sog. Brain Drain müsse verhindert werden.
 
Möglichkeit des grenzüberschreitenden Pendelns
 
Da die Blue Card eine kombinierte Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis ist, bietet sie nicht die Möglichkeit, in einen anderen Mitgliedstaat zu pendeln, um in diesem einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und in dem Mitgliedstaat zu wohnen, der die EU Blue Card ausgestellt hat.
 
Die Möglichkeit des grenzüberschreitenden Pendelns wird in der Richtlinie "über ein einheitliches Antragsverfahren für eine kombinierte Erlaubnis für Drittstaatsangehörige zum Aufenthalt und zur Arbeit im Gebiet eines Mitgliedstaats und über ein gemeinsames Bündel von Rechten für Arbeitnehmer aus Drittstaaten, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten", behandelt. Diese wurde heute mit 442 Ja-, 77 Neinstimmen und 42 Enthaltungen angenommen.
 
Dazu Berichterstatter Patrick GAUBERT (EVP-ED, Frankreich): "Die Annahme dieser Richtlinie und jener über die Blue Card ergänzen einander. Durch ihre gleichzeitige Annahme sollen die Auswirkungen einer Zuwanderungspolitik der zwei Geschwindigkeiten, durch die die Zuwanderung hoch qualifizierter Personen begünstigt, gleichzeitig jedoch weniger qualifizierten Arbeitnehmern Zugang und Rechte verweigert würden, verhindert werden. Des Weiteren sollen diese beiden Texte den Eindruck der geschlossenen Grenzen beseitigen."
 
Mit der Richtlinie wird ein einheitliches Antragsverfahren für die Erteilung einer kombinierten Erlaubnis für Drittstaatsangehörige, sich im Gebiet eines Mitgliedstaates aufzuhalten und dort zu arbeiten, festgelegt. So soll das Verfahren für ihre Zulassung vereinfacht und die Kontrolle ihrer Rechtsstellung erleichtert werden. Zugleich sieht sie ein gemeinsames Bündel von Rechten für Arbeitnehmer aus Drittstaaten vor, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten, unabhängig davon, zu welchen Zwecken die ursprüngliche Zulassung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates erteilt wurde.
 
Die Geltungsdauer der kombinierten Erlaubnis wird von jedem Mitgliedstaat festgelegt. Zudem kann ein Mitgliedstaat dem Inhaber einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten kombinierten Erlaubnis eine Erlaubnis erteilen, die ihn befähigt, eine grenzüberschreitende Beschäftigung auszuüben. Für Inhaber einer kombinierten Erlaubnis wird somit die Möglichkeit geschaffen, einer grenzüberschreitenden Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat nachzugehen, ohne dafür umziehen zu müssen. 
 
 
Hintergrund:
 
Nach wie vor wird die EU von hochqualifizierten Fachkräften nicht als attraktiv eingeschätzt, was anhand der Zahlen deutlich wird. Die EU schneidet im Wettbewerb um die "besten und klügsten Köpfe" im Vergleich mit den klassischen Einwanderungsländern wie den Vereinigten Staaten, Kanada oder Australien verhältnismäßig schlecht ab. Nur 5,5 % der hochqualifizierten Migranten aus den Maghreb-Staaten kommen in die EU, für die Vereinigten Staaten oder Kanada entscheiden sich jedoch rund 54 %. Im Gegensatz dazu hat die EU die meisten unqualifizierten Arbeitnehmer aus den Maghreb-Staaten aufgenommen (87 %). Bei hochqualifizierten Arbeitskräften aus allen Drittländern liegt die EU mit einem Anteil von 1,72 % an der Gesamtbeschäftigung auch deutlich hinter anderen wichtigen Zuwanderungsländern wie Australien (9,9 %), Kanada (7,3 %), USA (3,2 %) und der Schweiz (5,3 %).
 
Wesentliche Ursache für die geringe Attraktivität der EU als Einwanderungsziel sind nach Ewa Klamt die derzeit in der EU existierenden 27 unterschiedlichen Zulassungssysteme, die es potenziellen Arbeitsmigranten aus Drittstaaten erheblich erschweren, sich problemlos von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu bewegen. Die unterschiedlichen Regelungen in den Mitgliedstaaten führen zu einem Wettbewerb unter den Mitgliedstaaten selbst. Nur etwa 10 Mitgliedstaaten haben Sondersysteme für die Zulassung von hochqualifizierten Arbeitsmigranten, in anderen Mitgliedstaaten hingegen existieren zum Teil keine oder stark segmentierte Regelungen. Lediglich in 6 EU-Mitgliedstaaten sind spezifische Programme für die Beschäftigung von hochqualifizierten Arbeitsmigranten vorhanden.