EuGH: Datenspeicherung von Unionsbürgern im AZR zur Kriminalitätsbekämpfung unzulässig

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Der EuGH hat mit Urteil vom 16. Dezember 2008 in der Rechtssache C-524/06 (Heinz Huber / Bundesrepublik Deutschland) entschieden, dass die Daten von Unionsbürger nicht mehr wie bei sonstigen Drittausländern umfassend erfasst, gespeichert und weitergegeben werden dürfen. Es dürfen nur solche personenbezogene Daten enthalten sein, die zur Anwendung aufenthaltsrechtlicher Vorschriften für Unionsbürger (RL 2004/38/EG) unbedingt erforderlich sind. Die Verarbeitung und Speicherung solcher Daten von Unionsbürgern zu statistischen Zwecken oder zur Bekämpfung der Kriminalität verstößt gegen das Gemeinschaftsrecht.

Im deutschen Ausländerzentralregister werden bestimmte personenbezogene Daten von Ausländern, die sich für einen Zeitraum von über drei Monaten im deutschen Hoheitsgebiet aufhalten, zusammengefasst. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge führt dieses Register und unterstützt u. a. die mit der Durchführung ausländerrechtlicher Vorschriften betrauten öffentlichen Stellen. Das Register wird insbesondere zu statistischen Zwecken und bei der Erfüllung der den Sicherheits-, Polizei- und Justizbehörden obliegenden Aufgaben im Bereich der Bekämpfung und Aufklärung strafbarer oder die öffentliche Sicherheit gefährdender Handlungen genutzt.

Herr Huber, ein österreichischer Staatsangehöriger, ließ sich 1996 in Deutschland nieder, um dort den Beruf des selbständigen Versicherungsagenten auszuüben. Da er sich durch die Speicherung von ihn betreffenden Daten im Zentralregister diskriminiert sieht, insbesondere deshalb, weil es keine entsprechende Datenbank für deutsche Staatsangehörige gibt, beantragte Herr Huber die Löschung dieser Daten.

Das mit dem Rechtsstreit befasste Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen befragt den Gerichtshof zur Vereinbarkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten im Zentralregister mit dem Gemeinschaftsrecht.

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die fraglichen Daten personenbezogene Daten im Sinne der Richtlinie zum Schutz personenbezogener Daten (Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31)) darstellen. Nach dieser Richtlinie ist die Verarbeitung solcher Daten nur dann zulässig, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, nicht uneingeschränkt besteht, sondern Beschränkungen unterworfen werden darf. Dass ein Mitgliedstaat über einschlägige Informationen und Dokumente über Ausländer verfügt und ein Register zur Unterstützung der mit der Anwendung aufenthaltsrechtlicher Vorschriften betrauten Behörden nutzt, ist somit grundsätzlich legitim, sofern dem Erforderlichkeitsgebot im Sinne der Richtlinie zum Schutz personenbezogener Daten Genüge getan wird.

Der Gerichtshof gelangt zu dem Schluss, dass ein solches System zur Verarbeitung personenbezogener Daten mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, wenn es nur die Daten enthält, die für die Anwendung der entsprechenden Vorschriften durch die genannten Behörden erforderlich sind, und sein zentralisierter Charakter eine effizientere Anwendung dieser Vorschriften in Bezug auf das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern erlaubt, die keine Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats sind.

Zur Speicherung und Verarbeitung dieser Daten zu statistischen Zwecken führt der Gerichtshof aus, dass das Gemeinschaftsrecht es den Mitgliedstaaten nicht verwehrt, Maßnahmen zu erlassen, die den nationalen Behörden die genaue Kenntnis der Bevölkerungsbewegungen in ihrem Hoheitsgebiet ermöglichen sollen. Diese Statistiken setzen voraus, dass die Staaten eine Reihe von Informationen erheben. Die Ausübung dieser Befugnis macht allerdings die Erhebung und Speicherung von namentlich genannte Personen betreffenden Daten, wie sie in dem fraglichen Register vorgenommen wird, nicht erforderlich. Folglich entscheidet der Gerichtshof, dass eine solche Verarbeitung personenbezogener Daten nicht dem Erforderlichkeitsgebot im Sinne der Richtlinie entspricht.

Schließlich führt der Gerichtshof in Bezug auf die Frage der Nutzung der in dem Register enthaltenen Daten zur Bekämpfung der Kriminalität insbesondere aus, dass mit diesem Ziel auf die Verfolgung von Verbrechen und Vergehen unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Täter abgestellt wird. Das fragliche Register enthält jedoch nicht die personenbezogenen Daten der Staatsangehörigen des betroffenen Mitgliedstaats. Demzufolge verstößt eine Nutzung zur Bekämpfung der Kriminalität gegen das Diskriminierungsverbot und damit gegen das Gemeinschaftsrecht.

Die Entscheidung des EuGH findet sich unter Rechtsprechung/EuGH/Unionsbürgerschaft