Anmerkung zu VG Berlin zum Problem der visafreien Einreise türkischer Staatsangehöriger

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Der ablehnende Prozesskostenhilfebeschluss des VG Berlin (VG 19 V.61.08) vom 25.3.2009 für einen türkischen Staatsangehörigen erkennt die passive Dienstleistungsfreiheit an und führt weiter aus, dass Touristen nach der Rechtsprechung des EuGH und der Literatur hierunter fallen würden. Damit ist die von der Bundesregierung vertretene Ansicht, dass die Soysal-Entscheidung keine Auswirkungen auf die passive Dienstleistungsfreiheit habe, durch diesen ersten Beschluss widerlegt.

Allerdings ist der Versuch zwischen Besuchsreisen und touristischen Reisen zu unterscheiden nicht überzeugend. Schließlich lautete §2 Abs.2 DVAuslG bis 1980 wie folgt: Staatsangehörige der in der Anlage 1 zu dieser Verordnung aufgeführten Staaten (Türkei war dabei), die Inhaber von Nationalpässen sind, bedürfen keiner Aufenthaltserlaubnis, wenn sie
• Nr.1 sich nicht länger als drei Monate im Geltungsbereich des Ausländergesetzes aufhalten und keine Erwerbstätigkeit ausüben wollen (hierunter fällt die passive Dienstleistungsfreiheit)
• Nr.2 sich im Dienst eines nicht im Geltungsbereich des AuslG ansässigen Arbeitgebers zu einer ihrer Natur nach vorübergehenden Dienstleistung als Arbeitnehmer im Geltungsbereich aufhalten, sofern die Dauer des Aufenthaltes 2 Monate nicht übersteigt (aktive Dienstleistungsfreiheit).
• Nr.3 umfasst Vorträge oder Darbietungen künstlerischen, wissenschaftlichen und sportlichen Charakters bis zwei Monate (privilegierte Berufsgruppen).

Das Gericht erschrickt meines Erachtens vor der eigenen Courage und macht einen Rückzieher, in dem es aus einem Touristen plötzlich einen reinen Besucher macht.

Eine Person kann viele Motive mit einer Reise verfolgen. Er kann Tourist sein und Besucher zugleich. Wo liegt die Grenze? Wenn jemand für zehn Tage reist, davon 6 Tage im Hotel übernachtet und vier bei einem Freund? Ist diese Person 60 % Tourist und 40 % Besucher? Soll er 6 Tage visafrei sein und 4 Tage nicht? Und wie ist es, wenn er immer den Aufenthaltszweck wechselt: 1 Tag Übernachtung im Hotel, 1 Tag Übernachtung beim Freund, ein Tag ein anderes Hotel, ein Tag wieder beim Freund usw. Soll man eine neue juristische Kategorie des "überschießenden Touristen bzw. Besuchers" erfinden?

Im Klartext sagt der Beschluss: Wenn der Türke mit einem Reiseveranstalter einreist, dann ist er Tourist, da ja eine Reise gebucht wurde. Wenn er auf eigene Faust einreist, und hier zufällig Bekannte besucht, dann soll er Besucher sein. Soll man Kontaktsperren verhängen zu den Bekannten und Verwandten? Wie soll das funktionieren?

Soll man einen der nach der Logik des VG Berlins mit Besuchervisum einreist und sich zwei Monate bei der Tochter aufgehalten hat im Falle einer Krankheit hindern, einen Arzt zu besuchen oder plötzlich ein paar Museen zu besuchen, weil er sonst passiver Dienstleistungsempfänger wird, also einen Zweckwechsel vollzieht.

Dieser Zweckwechsel hätte zur Folge, dass man sich 3 Monate erlaubt im Bundesgebiet aufzuhalten darf, weil man plötzlich kulturell unterwegs ist. Wer soll dies kontrollieren? Wer soll dies verhindern?

Außerdem setzt sich das Gericht nicht damit auseinander, dass eine Dienstleistung nämlich die Reisebeförderung (Flugzeug oder Bus) eines Dienstleistungserbringers in Anspruch genommen wird. Es würde wiederum eine Beschränkung dieser Dienstleistungsfreiheit bedeuten, wenn der Unternehmer Besucher und Touristen auseinander dividieren müsste. Er wird in seiner wirtschaftlichen Betätigung beschränkt, weil er völlig überfordert wäre, Motivforschung zu betreiben. Dies würde wiederum ein derartiger Verwaltungsaufwand sein, dass damit gegen den effet utile Grundsatz verstoßen werden würde.
 
Rechtsanwalt Ünal Zeran
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