Visa-Urteil des EuGH: EU muss Visumspflicht für Türkei lockern

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In einer schriftlichen Anfrage bitten die grünen Europa-Abgeordneten Cem Özdemir und Joost Lagendijk die Europäische Kommission um Stellungnahme, welche Konsequenzen sie aus dem Soysal-Urteil des Europäischen Gerichtshofes ziehen. Hierzu erklären sie:

„Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil (C- 228/06, Soysal) festgestellt, dass für die Einreise türkischer Staatsangehöriger in die EU kein Visum verlangt werden darf, wenn diese in der EU Dienstleistungen für ein in der Türkei ansässiges Unternehmen erbringen wollen.

Das Urteil des EuGH reicht jedoch weiter, denn der freie Dienstleistungsverkehr beinhaltet nach allgemeiner Auffassung nicht nur die Freiheit, Dienstleistungen erbringen, sondern sie auch in Anspruch nehmen zu können. Das bedeutet, dass für türkische Staatsbürger, die in die EU einreisen wollen, um Dienstleistungen in Anspruch zu  nehmen (z.B. Geschäfts- oder Studienreisen, medizinische Behandlung oder Tourismus), die Visumspflicht entfällt. Nicht betroffen von einer Visumsfreiheit wären jedoch auch weiterhin die Einreise zum Zweck eines Familiennachzug, einer dauerhaften Niederlassung oder der Aufnahme einer längerfristigen Erwerbstätigkeit.

Die Kommission ist daher in einem ersten Schritt aufgefordert zu prüfen, welche Konsequenzen aus dem genannten Urteil für Kurzaufenthalte von türkischen Staatsangehörigen in der EU zu ziehen und wie diese dann anschließend in den Mitgliedstaaten umzusetzen sind."

Die schriftliche Anfrage im Wortlaut:

"Soysal"-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19.2.2009 - Visumpflicht für die Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats"

Wir beziehen uns auf das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofes (C- 228/06, Soysal), nach dem es unzulässig ist, ein Visum für die Einreise türkischer Staatsangehöriger in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verlangen, wenn diese dort Dienstleistungen für ein in der Türkei ansässiges Unternehmen erbringen wollen.

Gestützt auf die Rechtssprechung des EuGH - C-274/96 (Bickel und Franz), 186/87 (Cowan) u.a. - geht die Literatur davon aus, dass Dienstleistungsverkehr auch die Ausübung der passiven Dienstleistungsfreiheit einschließt. Damit wäre in einigen Mitgliedstaaten die Visumspflicht für türkische Staatsbürger, die in der EU Dienstleistungen in Anspruch nehmen wollen (z.B. Geschäfts- oder Studienreisen, medizinische Behandlung oder Tourismus), rechtswidrig.

Unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 539/2001 und darauf, dass seit dem 3. Oktober 2005 mit der Türkei Beitrittsverhandlungen geführt werden:

1. Was gedenkt die Kommission, als Hüterin der Verträge nach dem zitierten Urteil des Gerichtshofs zu unternehmen?

2. Teilt die Kommission die Ansicht, dass die Verordnung (EG) 539/2001, in der die Türkei auf der Liste der visumspflichtigen Staaten aufgeführt wird, faktisch nicht mehr haltbar ist und die Kommission die Initiative für ihre Änderung ergreifen muss, weil die Visumspflicht für zahlreiche Mitgliedstaaten in wesentlichen Fallgruppen kurzfristiger Aufenthalte auf Grund der vorrangigen Verpflichtungen aus dem Assoziationsrecht ohnehin nicht mehr anwendbar ist?

3. Teilt die Kommission unabhängig vom vorliegenden rechtlichen Rahmen die Einschätzung, dass die praktizierte Visumspflicht für die Staatsangehörigen eines Landes, mit dem Beitrittsverhandlungen geführt werden, politisch nicht nachvollziehbar ist und die ökonomische und politische Integration dieses Landes behindert und damit den von der Union gesetzten Zielen widerspricht?

 

 

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Für weitere Presse Informationen:

Helmut Weixler
Pressesprecher
Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament
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