Kein deklaratorisches Visum für türkischen Staatsangehörigen zum Empfang von Dienstleistungen

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Das Verwaltungsgericht Berlin (Aktenzeichen: VG 34 L 114.09 V) hatte in einem Eilverfahren über einen Antrag auf Erteilung eines deklaratorischen Visums für einen türkischen Staatsangehörigen zu entscheiden, der bei der Geburt seines Kindes anwesend sein wollte und einen Museumsbesuch plante sowie eine Beratung durch seinen Anwalt einholen wollte.

Das Verwaltungsgericht wies den Antrag mangels Anordnungsanspruchs zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen Erfolgsaussichten nicht vorlägen: „Danach ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die genannte EuGH-Entscheidung auf türkische Staatsangehörige anwendbar ist, die sich nicht auf die aktive Dienstleistungsfreiheit - wie die Fernfahrer -, sondern sich lediglich auf die passive Dienstleistungsfreiheit - wie der Antragsteller - berufen. Zum einen werden Personen, die ihre passive Dienstleistungsfreiheit geltend machen, in der Entscheidung nicht erwähnt, auch nicht im Rahmen eines obiter dictums, zum anderen kann bei diesem Personenkreis regelmäßig von einem zusätzlichen und wiederholten Verwaltungs- und finanziellen Aufwand, den die Erlangung einer zeitlich befristeten Erlaubnis mit sich bringt, nicht die Rede sein, da bei diesen Personen - anders als bei Fernfahrern - bei typisierender Betrachtungsweise keine regelmäßige, wiederholte Grenzüberschreitung in kürzeren Abständen erfolgt. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass der gemeinschaftsrechtlich geprägte und fortentwickelte Begriff der Dienstleistungsfreiheit nicht unbesehen in den assoziierungsrechtlichen Zusammenhang übertragen werden kann. Es muss die unterschiedliche Zweckrichtung von Assoziationsrecht und Gemeinschaftsrecht berücksichtigt werden, die dazu führen kann, dass das jeweilige Verständnis von Dienstleistungsfreiheit im Detail voneinander abweicht.“

Die Begründung überrascht in mehrfacher Hinsicht. Zum einen ist der von einem Gericht erhobene versteckte „Vorwurf“ an den EuGH, er habe sich nicht zu einem Aspekt geäußert, der nicht zur Entscheidung anstand, gewagt. Dem Fehlen einer Aussage zur Einbeziehung der passiven Dienstleistungsfreiheit in den Anwendungsbereich der Standstill-Klausel des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls kommt mangels Entscheidungserheblichkeit in der Rechtssache Soysal keinerlei Bedeutung zu.

Zum anderen ist das Argument, dass der wiederholte Verwaltungs- und finanzielle Aufwand beim Kläger – anders als bei Fernfahrern – nicht der Rede sei, nicht verständlich. Denn hier wird die Argumentation des EuGH verkürzt subsumiert. Denn der EuGH hat in der Rechtssache Soysal deutlich gemacht, dass auch die Einreisebestimmungen auch deshalb unter die Standstill-Klausel des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls fallen, weil die Versagung des Visums die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit gänzlich hindert: „Wird zudem der Visumantrag wie im Ausgangsverfahren abgelehnt, hindert eine solche Regelung die Ausübung dieser Freiheit.“

Auch das letzte Argument ist ohne jede Konkretisierung kaum tragfähig. Das Gericht stellt ohne Festlegung den Satz in den Raum, dass die Dienstleistungsfreiheit im Sinne des Gemeinschaftsrechts nicht identisch sein muss, mit dem Begriff im Assoziationsrecht. Was hieraus folgen soll, bleibt unklar und wird mit keinem weiteren Wort erläutert.

Es bleibt abzuwarten, ob gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt wird