Mit der aktuellen News soll ein Überblick über die Fragen zur Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger nach den ARB 1/80 und ARB 3/80 gegeben werden, die dem EuGH im Rahmen von Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt wurden. Zum Teil liegen bereits Schlussanträge der Generalanwälte vor, sodass mit Entscheidungen zu rechnen ist. Auffällig ist, dass der Ausweisungsschutz von türkischen Staatsangehörigen im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Unionsbürgerrichtlinie noch nicht terminiert wurde. Offensichtlich beabsichtigt der EuGH zunächst den Ausweisungsschutz von Unionsbürgern zu klären, bevor er die Übertragbarkeit auf türkische Staatsangehörige untersucht.
Folgende Vorabentscheidungsersuchen liegen vor:
Vorabentscheidungsersuchen des Court of Appeal (England and Wales) (Civil Division), eingereicht am 15. April 2010 - Tural Oguz/Secretary of State for the Home Department
(Rechtssache C-186/10)
Verfahrenssprache: Englisch
Vorlegendes Gericht
Court of Appeal (England and Wales) (Civil Division)
Parteien des Ausgangsverfahrens
Kläger: Tural Oguz
Beklagter: Secretary of State for the Home Department
Vorlagefrage
Ist ein türkischer Staatsangehöriger, der eine Aufenthaltserlaubnis im Vereinigten Königreich besitzt mit der Auflage, dass ihm eine selbständige Erwerbstätigkeit untersagt ist, und der unter Verstoß gegen diese Auflage eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnimmt und anschließend bei den nationalen Behörden eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage der von ihm nunmehr begründeten Geschäftstätigkeit beantragt, berechtigt, sich auf den Vorteil aus Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei zu berufen?
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Vorabentscheidungsersuchen des Raad van State (Niederlande), eingereicht am 16. April 2010 - Baris Unal/Staatssecretaris van Justitie
(Rechtssache C-187/10)
Verfahrenssprache: Niederländisch
Vorlegendes Gericht
Raad van State
Parteien des Ausgangsverfahrens
Kläger: Baris Unal
Beklagter: Staatssecretaris van Justitie
Vorlagefrage
Hindert Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtssicherheit die zuständigen nationalen Behörden daran, in einem Fall, in dem keine betrügerische Handlung begangen worden ist, die Aufenthaltsgenehmigung eines türkischen Arbeitnehmers nach Ablauf der Frist von einem Jahr gemäß Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich rückwirkend zu dem Zeitpunkt zurückzunehmen, von dem an der im nationalen Recht vorgesehene Grund für die Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr besteht?
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Vorabentscheidungsersuchen des Raad van State (Niederlande), eingereicht am 8. Januar 2010 - Staatssecretaris van Justitie, anderer Verfahrensbeteiligter T. Kahveci
(Rechtssache C-7/10)
Verfahrenssprache: Niederländisch
Vorlegendes Gericht
Raad van State
Beteiligte des Ausgangsverfahrens
Rechtsmittelführer: Staatssecretaris van Justitie
Anderer Verfahrensbeteiligter: T. Kahveci
Vorlagefragen
Ist Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation, erlassen vom Assoziationsrat, errichtet durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei, so auszulegen, dass ein Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, sich auf diese Bestimmung nicht berufen kann, nachdem der Arbeitnehmer unter Beibehaltung der türkischen Staatsangehörigkeit die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats erhalten hat?
Ist es für die Beantwortung der ersten Frage erheblich, zu welchem Zeitpunkt der betreffende türkische Arbeitnehmer die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats erhält?
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Vorabentscheidungsersuchen des Raad van State (Niederlande), eingereicht am 8. Januar 2010 - Staatssecretaris van Justitie, anderer Verfahrensbeteiligter O. Inan
(Rechtssache C-9/10)
Verfahrenssprache: Niederländisch
Vorlegendes Gericht
Raad van State
Beteiligte des Ausgangsverfahrens
Staatssecretaris van Justitie
O. Inan
Vorlagefragen
Ist Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation, erlassen vom Assoziationsrat, errichtet durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei, so auszulegen, dass ein Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, sich auf diese Bestimmung nicht berufen kann, nachdem der Arbeitnehmer unter Beibehaltung der türkischen Staatsangehörigkeit die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats erhalten hat?
Ist es für die Beantwortung der ersten Frage erheblich, zu welchem Zeitpunkt der betreffende türkische Arbeitnehmer die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats erhält?
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Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts (Deutschland) eingereicht am 9. November 2009 - Attila Belkiran gegen Oberbürgermeister der Stadt Krefeld - Beteiligter: Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht
(Rechtssache C-436/09)
Verfahrenssprache: Deutsch
Vorlegendes Gericht
Bundesverwaltungsgericht
Parteien des Ausgangsverfahrens
Kläger: Attila Belkiran
Beklagter: Oberbürgermeister der Stadt Krefeld
Beteiligter: Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht
Vorlagefrage
Richtet sich der Schutz vor Ausweisung gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zugunsten eines türkischen Staatsangehörigen, der eine Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80 gegenüber dem Mitgliedstaat besitzt, in dem er seinen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren gehabt hat, nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG, so dass eine Ausweisung nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit zulässig ist, die von dem Mitgliedstaat festgelegt worden sind?
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Vorabentscheidungsersuchen des Raad van State (Niederlande) eingereicht am 30. Juli 2009 - Staatssecretaris van Justitie/I. Oguz
(Rechtssache C-301/09)
Verfahrenssprache: Niederländisch
Vorlegendes Gericht
Raad van Staate
Parteien des Ausgangsverfahrens
Kläger: Staatssecretaris van Justitie
Beklagter: I. Oguz
Vorlagefrage
Ist Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 dahin auszulegen, dass unter einer neuen Beschränkung im Sinne dieser Vorschrift auch eine Verschärfung gegenüber einer nach dem 1. Dezember 1980 in Kraft getretenen Bestimmung zu verstehen ist, die eine Lockerung der am 1. Dezember 1980 geltenden Bestimmung vorsah, wenn die Verschärfung keine Verschlechterung gegenüber der am 1. Dezember 1980 geltenden Bestimmung beinhaltet?
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Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Berlin (Deutschland) eingereicht am 23. September 2008 - Yasar Erdil gegen Land Berlin
(Rechtssache C-420/08)
Verfahrenssprache: Deutsch
Vorlegendes Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Parteien des Ausgangsverfahrens
Kläger: Yasar Erdil
Beklagter: Land Berlin
Vorlagefrage
Kann sich ein türkischer Staatsangehöriger, der die Rechtsposition nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 innehat und seit seiner Geburt im Jahre 1989 im Bundesgebiet lebt, auf den besonderen Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 berufen?
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Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Deutschland) eingereicht am 14. August 2008 - Nural Örnek gegen Land Baden-Württemberg
(Rechtssache C-371/08)
Verfahrenssprache: Deutsch
Vorlegendes Gericht
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Parteien des Ausgangsverfahrens
Kläger: Nural Örnek
Beklagte: Land Baden-Württemberg
Vorlagefrage
Richtet sich der Ausweisungsschutz des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zugunsten eines türkischen Staatsangehörigen, der eine Rechtsposition nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 besitzt und der seinen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren in dem Mitgliedstaat gehabt hat, dem gegenüber diese Rechtsposition gilt, nach Art. 28 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2004/38 EG1 in ihrer Umsetzung durch den jeweiligen Mitgliedstaat, so dass eine Ausweisung nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, zulässig ist?
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Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts (Deutschland), eingereicht am 8. Juli 2008 - Metin Bozkurt gegen Land Baden-Württemberg
(Rechtssache C-303/08)
Verfahrenssprache: Deutsch
Vorlegendes Gericht
Bundesverwaltungsgericht
Parteien des Ausgangsverfahrens
Kläger: Metin Bozkurt
Beklagter: Land Baden-Württemberg
Beteiligter: Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht.
Vorlagefragen
Bleibt das gemäß Art. 7 Satz 1 Spiegelstrich 2 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei (ARB 1/80) als Familienangehöriger erworbene Beschäftigungs- und Aufenthaltsrecht des Ehegatten eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers auch nach Scheidung der Ehe erhalten?
Im Fall der Bejahung der Frage 1:
2. Liegt eine missbräuchliche Berufung auf das aus Art. 7 Satz 1 Spiegelstrich 2 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei (ARB 1/80) von der früheren Ehefrau abgeleitete Aufenthaltsrecht vor, wenn der türkische Staatsangehörige diese nach Erwerb der Rechtsstellung vergewaltigt und verletzt hat und die Tat mit einer zweijährigen Freiheitsstrafe geahndet worden ist?
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Vorabentscheidungsersuchen des Centrale Raad van Beroep (Niederlande) eingereicht am 5. November 2007 - Raad van bestuur van het Uitvoeringsinstituut werknemersverzekeringen / H. Akdas u. a.
(Rechtssache C-485/07)
Verfahrenssprache: Niederländisch
Vorlegendes Gericht
Centrale Raad van Beroep (Niederlande)
Parteien des Ausgangsverfahrens
Kläger: Raad van bestuur van het Uitvoeringsinstituut werknemersverzekeringen
Beklagte: H. Akdas u. a.
Vorlagefragen
1. Enthält Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 3/80 in Anbetracht seines Wortlauts und von Sinn und Zweck des Beschlusses Nr. 3/80 und des Assoziierungsübereinkommens eine klare und eindeutige Verpflichtung, deren Erfüllung oder deren Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteres Aktes abhängen, so dass sich diese Bestimmung für unmittelbare Wirkung eignet?
2. Falls die erste Frage bejaht wird:
2.1 Müssen bei der Anwendung von Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 3/80 die Änderungen in der Verordnung Nr. 1408/71, wie sie nach dem 19. September 1980 in Bezug auf beitragsunabhängige Sonderleistungen vorgenommen worden sind, in irgendeiner Weise berücksichtigt werden?
2.2 Kommt in diesem Zusammenhang Art. 59 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen Bedeutung zu?
3. Ist Art. 9 des Assoziierungsabkommens so auszulegen, dass er der Anwendung einer gesetzlichen Regelung eines Mitgliedstaats, wie Art. 4a der niederländischen TW, entgegensteht, die zu einer mittelbaren unterschiedlichen Behandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit führt,
- erstens weil durch sie weniger Personen mit der niederländischen und mehr Personen mit einer anderen als der niederländischen Staatsangehörigkeit, unter Letzteren eine große Gruppe türkischer Staatsangehöriger, keinen Anspruch (mehr) auf eine Zusatzleistung haben, da sie nicht mehr in den Niederlanden wohnen;
- und zweitens weil durch sie die Zusatzleistungen an türkische Staatsangehörige, die in der Türkei wohnen, mit Wirkung vom 1. Juli 2003 entzogen wurden, während die Zusatzleistungen an Personen mit der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der EU und von Drittländern, soweit diese Personen im Gebiet der EU verbleiben, erst mit Wirkung vom 1. Januar 2007 (schrittweise) entzogen werden?
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Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank te 's-Gravenhage, verhandelnd in Roermond (Niederlande), eingereicht am 31. Oktober 2007 - Fatma Pehlivan / Staatssecretaris van Justitie
(Rechtssache C-484/07)
Verfahrenssprache: Niederländisch
Vorlegendes Gericht
Rechtbank te 's-Gravenhage, verhandelnd in Roermond (Niederlande)
Parteien des Ausgangsverfahrens
Klägerin: Fatma Pehlivan
Beklagter: Staatssecretaris van Justitie
Vorlagefragen
1.a Ist Art. 7 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Assoziierungsbeschlusses Nr. 1/80 so auszulegen, dass er schon anwendbar ist, wenn ein Familienangehöriger drei Jahre lang tatsächlich mit einem türkischen Arbeitnehmer zusammengewohnt hat, ohne dass das Aufenthaltsrecht dieses Familienangehörigen von den zuständigen nationalen Behörden während dieser drei Jahre in Frage gestellt worden ist?
1.b Steht Art. 7 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Assoziierungsbeschlusses Nr. 1/80 dem entgegen, dass ein Mitgliedstaat während dieser drei Jahre bestimmen kann, dass ein zugelassener Familienangehöriger, wenn er heiratet, keine Rechte nach dieser Vorschrift erwirbt, auch wenn er weiter bei dem türkischen Arbeitnehmer wohnt?
2. Steht Art. 7 Abs. 1 erster Gedankenstrich oder auch eine andere europarechtliche Bestimmung und/oder ein anderer europarechtlicher Rechtsgrundsatz dem entgegen, dass die zuständigen Behörden nach dem Ablauf der drei Jahre das Aufenthaltsrecht des betroffenen Ausländers aufgrund der nationalen Rechtsvorschriften zu der Frage, ob es sich um einen Familienangehörigen handelt und/oder ein ordnungsgemäßer Wohnsitz in diesen drei Jahren vorliegt, mit rückwirkender Kraft in Frage stellen?
3.a Ist für die Beantwortung der genannten Fragen noch relevant, ob der Ausländer vorsätzlich oder nicht vorsätzlich Angaben zurückgehalten hat, die für das Aufenthaltsrecht aufgrund der nationalen Rechtsvorschriften relevant sind? Soweit ja: In welchem Sinne?
3.b Macht es hierbei einen Unterschied, ob diese Angaben innerhalb der zuvor genannten drei Jahre oder erst nach deren Ablauf bekannt geworden sind? Dabei ist zu berücksichtigen, dass die zuständigen nationalen Behörden nach dem Bekanntwerden dieser Angaben möglicherweise noch eine (genauere) Untersuchung vornehmen müssen, bevor sie entscheiden können. Soweit ja: In welchem Sinne?