Staatsangehörige, die in eines der jeweiligen anderen Staatsgebiete einreisen, können nun innerhalb eines sechsmonatigen Zeitraums bis zu drei Monaten bleiben. Bisher benötigten Esten, Zyprioten, Malteser und Letten ein Visum für die Einreise in Brasilien.
Hintergrund:
Aus verfassungsrechtlichen Gründen kann Brasilien die Visumpflicht für die Mitgliedstaaten nicht einseitig aufheben: es bedarf eines Abkommens über die Befreiung von der Visumpflicht, das vom brasilianischen Parlament ratifiziert werden muss.
Brasilien hat mit den meisten Mitgliedstaaten bilaterale Abkommen über die Befreiung von der Visumpflicht, die entweder vor deren Beitritt zur Union oder vor Einführung der gemeinsamen Visumpolitik geschlossen wurden. Allerdings wurden mit vier Mitgliedstaaten bislang keine bilateralen Abkommen über die Befreiung von der Visumpflicht geschlossen, so dass Brasilien von den Staatsangehörigen dieser Mitgliedstaaten noch ein Visum für kurzfristige Aufenthalte verlangt.
Es liegt in der Natur der gemeinsamen Visumpolitik und der diesbezüglichen ausschließlichen Außenkompetenz der Union, dass allein die Union, und nicht der einzelne Mitgliedstaat, ein Abkommen über die Befreiung von der Visumpflicht aushandeln und abschließen kann.
Da Brasilien gegenüber einigen Mitgliedstaaten keine Behandlung auf Gegenseitigkeitsbasis praktiziert, ermächtigte der Rat durch Beschluss vom 18. April 2008 die Kommission, Abkommen zwischen der Union und Brasilien über kurzfristige Aufenthalte auszuhandeln, um eine auf voller Gegenseitigkeit beruhende Befreiung von der Visumpflicht zu gewährleisten.
Die Verhandlungen über das Abkommen wurden am 2. Juli 2008 aufgenommen und am 1. Oktober 2009 abgeschlossen.
Während der Verhandlungen vereinbarten die Vertragsparteien den Abschluss zweier eigenständiger Abkommen: das eine für Inhaber gewöhnlicher Reisepässe, das andere für Inhaber von Diplomaten- oder Dienstpässen, da das Abkommen für Inhaber von Diplomaten- oder Dienstpässen nicht vom brasilianischen Kongress ratifiziert werden muss und folglich leichter getrennt von dem Abkommen für Inhaber gewöhnlicher Reisepässe ratifiziert werden kann.
Am 28. April 2010 in Brüssel wurden das Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Föderativen Republik Brasilien über die Befreiung der Inhaber gewöhnlicher Reisepässe von der Visumpflicht bei kurzfristigen Aufenthalten sowie das Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Föderativen Republik Brasilien über die Befreiung der Inhaber von Diplomatenpässen, Dienstpässen oder sonstigen amtlichen Pässen von der Visumpflicht bei kurzfristigen Aufenthalten paraphiert.
Die Gruppe "Visa" hat den Vorschlägen in ihrer Sitzung vom 15. September 2010 zugestimmt.
Inkrafttreten:
Nach Art. 8 (Abkommen “Dienstpässe”) und Art. 9 (Abkommen „Reisepässe“) werden die Abkommen nach den innerstaatlichen Verfahren jeder Vertragspartei ratifiziert oder genehmigt und treten am ersten Tag des zweiten Monats in Kraft, der auf den Tag folgt, an dem die Vertragsparteien einander den Abschluss der genannten Verfahren notifiziert haben.
Auswirkungen nach Inkrafttreten:
- Es handelt sich um Abkommen der EU die nur für Unionsstaaten gelten. Also gelten diese Abkommen nicht für die EWR Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein sowie nicht für die Schweiz. Aufgrund der Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes durch diese Abkommen, sind Großbritannien und Irland nicht daran gebunden.
- Inhaber gültiger gewöhnlicher Reisepässe (einzig für touristische oder geschäftliche Zwecke) oder Inhaber gültiger Diplomatenpässe, Dienstpässe oder sonstiger amtlicher Pässe, dürfen gemäß den Bestimmungen dieses Abkommens in das Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei einreisen, durch das Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei durchreisen und sich im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei höchstens drei Monate während eines Sechs-Monats-Zeitraums. Voraufenthaltszeiten, die in einem Staat Anwenderstaat absolviert werden, die den Schengen-Besitzstand noch nicht voll anwenden (Zypern, Rumänien, Bulgarien) zählen nicht mit.
Zu den Tourismus- oder Geschäftszwecken nach Art. 3 I des Abkommens "Reisepässe" gehören: - touristische Aktivitäten; - Verwandtenbesuche; - Erforschung kommerzieller Möglichkeiten, Teilnahme an Sitzungen, Vertragsunterzeichnungen sowie finanzielle, managementbezogene und administrative Tätigkeiten; - Teilnahme an Sitzungen, Konferenzen und Seminaren, vorausgesetzt, dass diese Tätigkeiten nicht aus brasilianischen bzw. Unionsquellen entlohnt werden (außer der unmittelbaren Übernahme der Aufenthaltskosten oder der Zahlung eines Tagesgeldes); - Beteiligung an Sport- und Künstlerwettbewerben, vorausgesetzt, dass die Teilnehmer nicht aus brasilianischen bzw. Unionsquellen entlohnt werden, auch wenn bei dem Wettbewerb Preise, einschließlich Preisgelder, zu gewinnen sind. |
- Ausschluss:
Personen, die beabsichtigen, entlohnte Tätigkeiten auszuüben, einer Beschäftigung nachzugehen, in der Forschung tätig zu sein, ein Praktikum oder Studien zu absolvieren, Sozialarbeit zu verrichten, technische Hilfe zu leisten oder missionarisch, religiös oder künstlerisch tätig zu sein, gehören nicht zum Anwendungsbereich des Art. 3 I des Abkommens "Reisepässe".
- Hinweise:
Da die einseitige Verbalnote über die Regelung über Sichtvermerke brasilianischer Staatsangehöriger für Einreisen in die Bundesrepublik Deutschland vom 28.06.1956 (BGBl Teil II Nr. 27 vom 14.10.2008) weiterhin gilt (vgl. Art. 6 bzw. 7 der Abkommen), ist der vorgenannte Ausschluss für die Einreise nach Deutschland nur von Belang, soweit keine Erwerbstätigkeit beabsichtigt wird. Die Sechsmonatsklausel und die Anrechnung der Voraufenthaltszeiten in anderen Schengenstaaten sind in Deutschland dann nicht beachtlich, soweit die Verbalnote zusätzliche Vergünstigungen vorsieht, die nicht zugleich in den Anwendungsbereich des Art. 3 I Abkommen "Reisepässe" (s.o.) fallen (z.B. Forscher, Praktikanten, Studenten, Sozialarbeiter, technische Helfer, Missionare, Pfarrer, Künstler).
Die Abgrenzungen können gradueller Natur sein und sind im Einzelfall zu bestimmen.
Danach sind jedenfalls bei Touristen und Besuchern von Verwandten Voraufenthaltszeiten in anderen Schengenstaaten zu berücksichtigen.
Insbesondere besteht aber eine Erweiterung generell für längerfristige Aufenthaltszwecke, soweit keine Erwerbstätigkeit beabsichtigt wird (Status nach § 41 II AufenthV).
Die Bürger der Vertragsparteien sind umfassend über die Bedingungen des Abkommens zu informieren (Visumpflicht, Dokumente, Geltungsbereich, Einreisebedingungen, Rechtsbehelfe bei Zurückweisung).
Press release of the Council of the European Union from 7th October 2010:
Das Dokument wurde am 11.10.2010 redaktionell überarbeitet.
Zu den Abkommen:
Visaabkommen EU-Brasilien - Reisepässe - (121.34 kB 2010-10-09 18:58:21)
Visaabkommen EU-Brasilien (2) - Dienstpässe - (108.39 kB 2010-10-09 19:02:54)