BayVGH hält das Vier-Augen-Prinzip auf türkische Staatsangehörige nicht für anwendbar

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Der BayVGH hat mit einem Beschluss vom 12. Mai 2010 (Az. 19 C 09.2241)entschieden, dass die Verfahrensregelung des Art. 9 RL 64/221/EWG nicht mehr auf türkische Staatsangehörige Anwendung findet.

Er führt insoweit aus:

"Die Verfahrensvorschrift des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht wegen der so genannten Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 weiterhin anzuwenden, wonach die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß ist, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt (und damit zum Aufnahmestaat) einführen dürfen. Die Außerkraftsetzung des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG führt zu keiner Herabsetzung des Ausweisungsschutzes, weil die in Art. 31 der nunmehr geltenden Richtlinie 2004/38/EG enthaltenen Verfahrensgarantien nicht hinter der durch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG gewährten Verfahrensgarantie zurückbleiben (ebenso OVG Rheinland-Pfalz vom 19.2.2009 Az. 7 B 11328/08 -Juris; im Ergebnis ebenso BayVGH vom 13.11.2008 Az. 10 CS 08.2791 und 2793). Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG gewährleistet, dass nicht nur die bescheiderlassende Behörde, sondern auch die - von dieser unabhängigen - Verwaltungsgerichte alle bei der Ausweisung zu berücksichtigenden Belange in die Überprüfung einbeziehen und sich nicht auf eine reine Rechtsprüfung beschränken. Aus Art. 9 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie 64/221/EWG ergibt sich, dass sie (abgesehen von der hier nicht inmitten stehenden Problematik des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens) diese Gewährleistung bezweckt hat (ebenso EuGH vom 18.10.1990 < Dzodzi > Slg. I 1990, 3763 RdNr. 65 f.). Die mit der Rechtsänderung einhergehenden geänderten behördlichen Beteiligungserfordernisse sind ohne Einfluss auf die Zugangsvoraussetzungen und stellen daher keine neue Zugangsbeschränkung im Sinne des Art. 13 ARB 1/80 dar; dies verkennt die vom Kläger zitierte Literaturäußerung (Dienelt vom 12.4.2008 in www.mitgrationsrecht.net als Anlage zum Beschwerdeschriftsatz vom 17.4.2009 im Verfahren 19 CS 09.934)."

Der BayVGH verkennt mit seinen Ausführungen, dass die Frage der Anwendbarkeit des Art. 9 RL 63/221/EWG nicht mit der Standstill-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 im Zusammenhang steht, sondern ausschließlich die vom BVerwG und dem VGH Mannheim dem EuGH vorgelegte Frage betrifft, ob die Unionsbürgerrichtlinie überhaupt auf türkische Staatsangehörige Anwendung findet. Sofern diese Frage verneint wird, steht zugleich fest, dass die bisherigen Verfahrensregelungen der Richtlinie 64/221/EWG weiterhin auf türkische Staatsangehörige angewendet werden müssen!