EU-Rückübernahmeabkommen mit der Türkei und Visa-Erleichterungen

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Cecilia Malmström, EU Kommissarin für Inneres, verkündete in einer Pressemitteilung vom 27.01.2011, dass die Verhandlungen mit der Türkei über ein Rückübernahmeabkommen erfolgreich abgeschlossen wurden.

Die letzten Anpassungen seien nach einem Treffen vom 14.01.2011 ausgehandelt worden. Das Ergebnis der Verhandlungen sei sehr ausgewogen. Das Abkommen werde wesentlich dazu beitragen, die irreguläre Migration in der Region effizient zu verwalten.

Sie bedankte sich bei der türkischen Seite für den sehr konstruktiven und pragmatischen Ansatz im Laufe der Verhandlungen.

Der Text wurde an die EU-Mitgliedstaaten vorgelegt, und sie vertraue darauf, dass sie den aktuellen Kompromiss zustimmen und dass der formale Abschluss beim Treffen des Rats für Justiz und Inneres am 24.02.2011 erzielt werde. Das Europäische Parlament werde wie von den Verträgen vorgesehen beteiligt. Diese wichtige Entwicklung eröffne auch „neue Perspektiven zur weiteren Förderung der Zusammenarbeit mit der Türkei im Bereich der Visapolitik und verwandten Bereichen, und eine Verbesserung der Mobilität unserer Bürger. "

Aus den Entwürfen sickerte durch, dass die Rückübernahme aller Drittstaatsangehörigen, die irregulär das Gebiet der EU über die Türkei erreichen, vorgesehen ist. Es ist nicht beschränkt auf türkische Staatsangehörige. Asylbewerber sollen nicht umfasst sein. Die Türkei hatte eine faire Kostenteilung eingefordert.

Hinsichtlich der im Abkommen vorgesehenen Visa-Erleichterungen hat die Türkei bislang den Standpunkt vertreten, dass das Rückübernahmeabkommen der letzte Schritt für die Abschaffung der Visapflicht für türkische Staatsangehörige sein müsse. Bevor das Abkommen von der Türkei ratifiziert werde, müsse die EU Kommission von den Mitgliedstaaten das alleinige Mandat erhalten über die Abschaffung der Visapflicht zu verhandeln.

So erklärt Außenminister Davutoglu die Entwicklungen seien positiv. „Wir erwarten, dass die EU die erforderlichen Schritte einleitet, um über die Visafreiheit zu verhandeln. Erst hiernach könne das Rückübernahmeabkommen parallel zur Anwendung kommen.“ Bislang haben die Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht sich nicht geäußert.

Einzelne türkische Staatsminister, wie der Außenhandelsminister Caglayan, betonen den wirtschaftlichen Schaden, den die Visapflicht beiden Seiten anrichte. Die Visafreiheit ergebe sich aus dem Zusatzprotokoll zum Assoziationsabkommen unter Berufung auf die EuGH Entscheidung Soysal vom 19.02.2009, C-228/06. Die langen Schlangen vor den deutschen Konsulaten schrecke türkische Unternehmer ab, sich an internationalen Messen in Deutschland zu beteiligen.

Unter Bezugnahme auf die Warenfreiheit aus der Zollunion erklärt er: Während die Waren frei einreisen, könnten die Unternehmer ihren Waren nicht folgen. Die Visapflicht stelle nach Caglayan eine Menschenrechtsverletzung dar (so die türkische Zeitung Sabah). Die türkischen Unternehmen würden mit ihren Partnern ernsthaft überlegen die internationalen Messen künftig in der Türkei auszurichten.

Die sogenannte Visa-Erleichterung wird einige bürokratische Hemmnisse abbauen. So soll die Gebühr für ein Schengenvisum von 60 Euro auf 35 Euro reduziert werden. Zudem soll es Gebührenfreiheit geben für Personen vor Vollendung des 12. Lebensjahres, Rentner, Schüler und Studenten, Journalisten, NGO Vertreter sowie an Personen, die in der EU nahe Angehörige haben. Die angeforderten Nachweise sollen reduziert werden. Die Bearbeitungsdauer soll 10 Tage nicht überschreiten. Geschäftsvisa, LKW Fahrer und Personen, die aufgrund ihres Berufs häufig in die EU reisen müssen, sollen mehrfach Visa (multiple Visa) über einen längeren Zeitraum bekommen.

PRO ASYL fordert in einer Stellungnahme vom 28.01.2011 vom Europaparlament, „diesen Abschiebevertrag“ zu verhindern. Die EU-Kommission arbeite die repressive Agenda der Innenminister ab, ohne Rücksicht auf die menschenrechtliche Situation in der Türkei. Das Transitland besitze kein Schutzsystem für Flüchtlinge, die Rechte von Schutzsuchenden und Migranten werden systematisch verletzt.“

In der Tat könnte dies bei der Anwendung des Abkommens zu erheblichen Prüfungsaufwand führen. Nach der Entscheidung der Großen Kammer des EGMR vom 21.01.2011 – 30696/09, M.S.S. gegen Belgien und Griechenland – ist dies auch im Hinblick auf die EU Grundrechtecharta (z.B. Art. 2, 3, 4, insbesondere Art. 18- Recht auf Asyl) zu beachten. Bekanntermaßen hat die Türkei einen Vorbehalt bei der Anwendung der GFK erklärt. Es wendet die GFK nur auf Personen an, die aus Europa stammen.

Rechtsanwalt Ünal Zeran, Hamburg, 31.01.2011