Schengen Acquis: Wirksamere Regelungen für den Grenzübertritt?

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Kommission schlägt bessere Steuerung der Migration in die EU vor. Nach Vorschlag der Änderung des Schengener Grenzkodex vom 10.03.11 wurde in der Pressemitteilung vom 04.05.11 ein erweitertes Konzept vorgestellt.

Die Europäische Kommission reagierte damit auf die Ankunft von etwa 25.000 illegalen Einwanderern aus Tunesien, die diplomatische Spannungen zwischen Paris und Rom ausgelösten.

Im vergangenen Februar hat Italien eine humanitäre Notlageauf der Mittelmeerinsel Lampedusa erklärt, nachdem dort 4.000 Menschen per Schiff aus Tunesien angekommen waren. Die Menschen hatten das Land nach einem Volksaufstand verlassen, der zum Sturz des Präsidenten führte. Seitdem hat der libysche Bürgerkrieg zum Einwanderungsdruck auf Lampedusa beigetragen, wo schätzungsweise 25.000 Einwanderer seit dem Beginn der „Jasmin-Revolutionen“ angekommen sind. Die Bevölkerung Lampedusas beträgt nur 5.000 Menschen. Im April 2011 hat Frankreich an der Binnengrenze zu Italien wieder Kontrollen eingeführt. Dabei sollte die Mobilität nordafrikanischer Einwanderer eingeschränkt werden, die - von Italien erteilte - vorläufige Aufenthaltsgenehmigungen besitzen und als Folge der Revolutionen und des Kriegs im südlichen Mittelmeerraum über Tunesien in die EU eingereist sind.

Der Vorschlag von Cecilia Malmström, die EU-Kommissarin für Inneres, hat vor dem Hintergrund des demokratischen Umbruchs im Mittelmeerraum Initiativen vorgelegt, mit denen sie die Migrationsproblematik strukturierter angehen möchte. Der Vorschlag, der unter den Mitgliedsstaaten noch verhandelt werden muss und einer einmütigen Entscheidung bedarf, entstand auf Druck des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und des italienischen Premiers Silvio Berlusconi. Beide haben vor kurzem Brüssel gedrängt, den Schengen-Vertrag zu modifizieren. Insbesondere plant die Kommission,

„im Falle außergewöhnlicher Umstände […] befristete Grenzkontrollen an den Binnengrenzen einzuführen“.

Die derzeitige Formulierung erlaubt eine solche Wiedereinführung lediglich im Falle einer „Bedrohung der öffentlichen Ordnung“. Die Ankunft von etwa 25.000 Wirtschaftsmigranten wird jedoch nicht als ausreichende Rechtfertigung für einen solchen Schritt betrachtet.

Die Fraktionen im Europäischen Parlament sind über diese Frage gespalten, geht es doch zum Einen um die Erhalten der tragenden Prinzipien auf den unser freier Binnenmarkt und der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts begründet ist und zum Anderen um die Frage der wirksamen Migrationssteuerung zum Erhalt gerade dieser tradierten Freizügigkeitsrechte.

Die Kommission erwägt nun, den Mitgliedsstaaten die Wiedereinführung vereinzelter Grenzkontrollen zu erlauben und reagiert damit auf Forderungen nach mehr nationalen Befugnissen zur Eindämmung der Einwanderung.

„Aufgrund der jüngsten Ereignisse kam es auch zu Bedenken ob des Funktionierens des Schengen-Systems. Der freie Personenverkehr über die europäischen Grenzen hinweg ist eine große Errungenschaft, die nicht rückgängig gemacht werden darf, sondern eher noch gestärkt werden muss. Deshalb hat die Kommission bereits einen effizienteren Evaluierungsmechanismus vorgeschlagen, durch den die wirksame Kontrolle an den Außengrenzen sichergestellt werden soll. Um die Stabilität des Schengen-Raums zu gewährleisten, könnte es im Falle außergewöhnlicher Umstände, beispielsweise wenn ein Teil der Außengrenze einer starken und unerwarteten Belastung ausgesetzt ist, auch erforderlich sein, zeitweilig wieder begrenzte Grenzkontrollen an den Binnengrenzen einzuführen“,erklärte Cecilia Malmström, das für das Ressort Inneres zuständige Kommissionsmitglied.

Die EU hat zwar umfassend auf die Notsituation reagiert, doch zeigt die aktuelle Krise, dass noch weitere Möglichkeiten bestehen, wie die EU solchen Situationen besser begegnen und Migration insgesamt effizienter steuern kann.
Deshalb schlägt die Kommission eine Reihe von Initiativen vor, die folgende Aspekte abdecken:

  • Vollendung des gemeinsamen europäischen Asylsystems bis 2012 gemäß den Grundwerten der Union und ihren internationalen Verpflichtungen.
  • Strengere Grenzkontrollen und Schengen-Governance mit folgenden Zielen: Eindämmung der illegalen Einwanderung, Gewährleistung, dass jeder Mitgliedstaat seinen Teil der EU-Außengrenzen wirksam entsprechend den Regeln und dem Geist des EU-Rechts kontrolliert, und Aufbau von Vertrauen in die Wirksamkeit des EU-Systems zur Migrationssteuerung.
  • Gezieltere Lenkung der legalen Migration, um qualifizierten Personen die Einwanderung in die EU zu erleichtern und zur Deckung des erwarteten Arbeitskräfte- und Qualifikationsmangels und zum Ausgleich der erwarteten Abnahme der Personen im arbeitsfähigen Alter beizutragen.
  • Austausch zwischen den Mitgliedstaaten von beispielhaften Verfahren für die Integration von legalen Einwanderern in der Weise, dass der wirtschaftliche Nutzen der Einwanderung maximiert und der soziale Frieden in der Union gewährleistet wird.
  • Ein strategisches Konzept für die Beziehungen mit Drittländern in Bezug auf migrationsrelevante Themen, das darauf ausgerichtet ist, den freien Personenverkehr durch bessere legale Migrationsmöglichkeiten zu erleichtern und zugleich illegale Migration zu verhüten.
Der jüngste Vorschlag der Kommission zur Änderung des Schengener Grenzkodex (KOM(2011) 118 endg. vom 10.03.2011, siehe hierzu News in MNet vom 21.03.2011) sah hierzu noch keine Änderungen vor.
Nächste geplante Schritte auf EU-Ebene:
  • 12. Mai: Rat Justiz und Inneres
  • 9.-10. Juni: Rat Justiz und Inneres
  • 21. Juni: Rat Allgemeine Angelegenheiten
  • 23.-24. Juni: EU-Gipfel

Quelle: aus verschiedenen Nachrichten von EurActiv.de