Kommission widerspricht dem BVerwG bei den Sprachanforderungen im Rahmen des Ehegatttennachzugs

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Der EuGH hat die Sache C-155/11 (Imran) über die (Un)Vereinbarkeit des niederländischen Integrationstest im Ausland mit der Familienzusammenführungsrichtlinie (RL 2003/86/EG) mit Beschluss von 10. Juni 2011 ohne Urteil beendet, sodass es nicht zu einer Entscheidung von Sprachprüfungen mit der Familienzusammenführungsrichtlinie kommen wird.

Auch wenn das Verfahren beendet ist, so gibt doch die Stellungnahme der Kommission in diesem Verfahren Aufschluss über die Vereinbarkeit der deutschen Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht.

Die Kommission setzt sich in ihrer Stellungnahme ausführlich mit dem Unterschied der Begriffe "Integrationsmaßnahme" und "Integrationskriterium" auseinander. Sie kommt unter Randnummer 31 zu dem Ergebnis, dass das Merkmal Integrationsmaßnahmen nicht zu einer automatischen Sperre des Nachzugs beim Familiennachzug der Kernfamilie führen darf, die einen Nachzugsanspruch aus der Richtlinie ableiten kann. Die Kommission betont, dass mit den Integrationsmaßnahmen gerade der Zuzug der Familienmitglieder und deren Integration in die Lebensverhältnisse des Aufnahmestaates gefördert werden sollten. Mit den Integrationsmaßnahmen im Sinne von Artikel 7 Abs. 2 der Richtlinie könne daher nur angestrebt werden, dass der Familienangehörige ein Mindestmaß an Integrationsfähigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat erreicht hat. Insbesondere sei im Rahmen der Einzelfallprüfung des Artikel 17 der Richtlinie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Grundrechte der Familienangehörigen zu berücksichtigen.

Die informelle englische Übersetzung der Schlussfolgerung der Kommission in dieser Stellungnahme lautet:

"Article 7(2) of the directive [2003/86/EC] has to be interpreted in such a way that it does not allow a member state to refuse a family member, as ment in Article 4(1)(a) of the directive, of a third country national lawfully resident that member state, entry and admission on the sole ground that this family member did not pass the integration exam abroad prescribed in the legislation of that member state. Other factors are not relevant in this case"

Mit dem Ergebnis dieser Stellungnahme bestehen hinreichende Zweifel an der von dem BVerwG vorgenommenen Auslegung zur Vereinbarkeit der Familienzusammenführungsrichtlinie mit den Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG.

Jedenfalls kann das BVerwG weder die Kommission für seine Rechtsansicht heranziehen noch die Auffassung aufrechterhalten, dass es europarechltich eindeutig sei, dass es keinen Unterschied zwischen den Begriffen "Integrationsmaßnahme" und "Integrationskriterium" gibt.

Fazit: Eine Ablehnung allein wegen des Fehlens der Sprachanforderungen ist nach Auffassung der Kommission mit der Familienzusammenführungsrichtlinie unvereinbar. Es bedarf immer einer Einzelfallabwägung auf der Grundlage des Art. 17 der Richtlinie. Die Stellungnahme steht in einer nicht überraschenden Kontinuität mit der Entscheidung des EuGH zu der Lebensunterhaltssicherung. Es bleibt zu wünschen, dass das BVerwG auch bei den Sprachanforderungen seine Rechtsprechung korrigiert.