Kommission ermächtigt Spanien, die Freizügigkeit rumänischer Arbeitnehmer vorübergehend zu beschränken

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Brüssel, 11. August 2011 – Auf einen Antrag der spanischen Behörden vom 28. Juli 2011 hin stimmte die Europäische Kommission dem Ersuchen Spaniens zu, wegen einer schwerwiegenden Störung des spanischen Arbeitsmarktes den Zugang rumänischer Arbeitnehmer zu diesem Markt bis zum 31. Dezember 2012 zu beschränken. Spanien wurde von der Finanz- und Wirtschaftskrise sehr hart getroffen. Der beispiellose Einbruch des BIP (‑3,9 % zwischen 2008 und 2010) führte zur EU-weit höchsten Arbeitslosenquote, die seit Mai 2010 bei mehr als 20 % liegt. Die laufend wachsende Zahl der in Spanien lebenden rumänischen Staatsangehörigen und deren hohe Arbeitslosigkeit wirken sich auf die Fähigkeit Spaniens aus, neue Zuströme von Arbeitskräften zu absorbieren.

László Andor, der für Beschäftigung, Soziales und Integration zuständige EU‑Kommissar, betont: „Dieser Beschluss erging wegen der sehr spezifischen Beschäftigungslage in Spanien. An sich bin ich der Überzeugung, dass man auf hohe Arbeitslosigkeit nicht mit einer Beschränkung der Freizügigkeit der europäischen Arbeitnehmer reagieren sollte. Vielmehr sollten wir uns darauf konzentrieren, neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen. Von Anfang an verfolgte Spanien immer eine sehr offene Politik gegenüber Arbeitskräften aus anderen Ländern, auch aus den neuen Mitgliedstaaten, und dies hat die Kommission stets sehr begrüßt. Die Kommission versteht aber, weshalb die spanischen Behörden zum jetzigen Zeitpunkt – wegen der dramatischen Beschäftigungslage und der sehr komplexen finanziellen Rahmenbedingungen – von der uneingeschränkten Freizügigkeit Abstand nehmen wollen. Das spanische Ersuchen wird durch Fakten untermauert, und der Beitrittsvertrag sieht die Möglichkeit vor, in solchen Fällen vorübergehend wieder Beschränkungen einzuführen. Trotz dieser Änderungen wäre Spanien immer noch offener für Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedstaaten als mancher andere Mitgliedstaat. Wir hoffen aber, dass diese Maßnahme zeitlich möglichst kurze Zeit dauert und dass auch in Zukunft eine grundsätzlich positive Haltung gegenüber der Freizügigkeit in Europa die Oberhand behält. Ich werde Spanien auch weiterhin ermutigen, seinen Arbeitsmarkt zu reformieren und die Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen zu verbessern. Ebenso rufe ich zu größeren Anstrengungen auf, um neue Beschäftigungsmöglichkeiten in Rumänien zu schaffen. Beide Länder müssen die EU-Strukturfonds besser nutzen, damit bei der Schaffung von Arbeitsplätzen nachhaltigere Erfolge erzielt werden können. Dies ist unerlässlich, wenn wir die Beschäftigungssituation langfristig entscheidend verbessern wollen."

Mit dem heutigen Beschluss ermächtigt die Europäische Kommission Spanien, vorübergehend den Zugang rumänischer Staatsangehöriger zu seinem Arbeitsmarkt zu beschränken, und zwar bis zum 31. Dezember 2012. Diese Beschränkungen gelten für alle Branchen und für alle Gebiete Spaniens. Nicht betroffen sind davon jedoch rumänische Staatsangehörige, die bereits auf dem spanischen Arbeitsmarkt beschäftigt oder als Arbeitsuchende gemeldet sind.

Diese zeitlich befristeten Beschränkungen werden von der Europäischen Kommission angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage in Spanien genehmigt. Das Land sieht sich mit schwerwiegenden Arbeitsmarktstörungen konfrontiert, die geprägt sind durch die höchste Arbeitslosenquote in der EU (21 % im Juni 2011, gegenüber 9,4 % im EU-Durchschnitt und 9,9 % im Euro-Währungsgebiet) und eine langsame wirtschaftliche Erholung (ein BIP-Wachstum von lediglich 0,3 % im ersten Quartal 2011 im Vergleich zum vorangegangenen Quartal, gegenüber 0,8 % in der EU und im Euro-Währungsgebiet).

Darüber hinaus wurde in der Analyse der Kommission festgestellt, dass die in Spanien lebenden rumänischen Staatsangehörigen mit einer Quote von mehr als 30 % besonders stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind. 191 400 in Spanien lebende rumänische Erwerbspersonen waren im ersten Quartal 2011 arbeitslos, das ist nach den spanischen Staatsangehörigen die zweitgrößte Gruppe. Drei Jahre zuvor lag diese Zahl bei nur 80 100. Im gleichen Zeitraum ging die Zahl der beschäftigten Rumänen um fast 24 % zurück. Zwar hat der Zustrom rumänischer Arbeitskräfte nach Spanien in den letzten Jahren – vermutlich rezessionsbedingt – nachgelassen, er ist aber immer noch erheblich. Die Zahl der rumänischen Staatsangehörigen mit üblichem Aufenthaltsort in Spanien stieg von 388 000 am 1. Januar 2006 auf 823 000 am 1. Januar 2010.

Da Spanien seinen Arbeitsmarkt bereits für alle EU-Bürger geöffnet hat, stellt jegliche Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer eine Ausnahme dar, die nur vorübergehend sein kann. Die Europäische Kommission wird die Lage in Spanien genau beobachten, und sie hat die Möglichkeit, ihren Beschluss jederzeit zu ändern oder zu widerrufen, wenn sie dies für angezeigt hält.

Auf europäischer Ebene wirkt sich die Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Allgemeinen positiv auf die Wirtschaft aus, und sie hat in den Aufnahmeländern zum Wirtschaftswachstum beigetragen. Neuere Schätzungen legen nahe, dass die langfristigen Auswirkungen der Migrationsströme zwischen 2004 und 2009 dem BIP der EU-15 zusätzliche 0,9 % gebracht haben.

Nächste Schritte

Die Europäische Kommission wird nun den Rat über ihren Beschluss unterrichten. Jeder Mitgliedstaat kann binnen zwei Wochen beantragen, dass dieser Beschluss der Kommission, die Anwendung des EU-Rechts auszusetzen, vom Rat geändert oder rückgängig gemacht wird.

Hintergrund

Die Akte über den Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union von 2005 sieht Übergangsregelungen für die Freizügigkeit vor. Dies bedeutet, dass die Freizügigkeit der Arbeitnehmer um maximal sieben Jahre (bis zum 31. Dezember 2013) hinausgeschoben werden kann. Dieser Zeitraum ist in drei getrennte Phasen unterteilt („2 plus 3 plus 2" Jahre). Die derzeit laufende zweite Phase begann am 1. Januar 2009 und endet am 31. Dezember 2011.

Spanien hat den Zugang zu seinem Arbeitsmarkt für rumänische Arbeitskräfte und ihre Familienangehörigen bereits mit Beginn der zweiten Phase am 1. Januar 2009 liberalisiert. Deshalb kann Spanien den Zugang von Arbeitskräften aus Rumänien nur beschränken, indem es sich auf die so genannte „Schutzklausel" beruft. Sie eröffnet einem Mitgliedstaat die Möglichkeit, wieder Beschränkungen des freien Zugangs zum Arbeitsmarkt einzuführen, wenn er schwerwiegende Störungen seines Arbeitsmarktes erleidet oder voraussieht. Auf diese Schutzklausel berief sich Spanien in einem Schreiben an die Europäische Kommission vom 28. Juli 2011. Es ist das erste Mal, dass die „Schutzklausel" im Zusammenhang mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer in Anspruch genommen wird.

Quelle: Presseerklärung der Kommission