Österreich: Fremdenrechtspaket, Asylgesetz, Fremdenpolizeigesetz (FrePoG), Abschiebehaft, Schubhaft,

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Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Österreichs neuem Asyl- und Fremdenrecht
 
WIEN ? Am 21.07.2005 hat Österreichs umstrittenes Asylgesetz ohne Einspruch den Bundesrat passiert. Wegen der zahlreichen Verschärfungen sind Verfassungsklagen gegen das Asyl- und gegen das Fremdenpolizeigesetz geplant bevor die neuen Bestimmungen am 1. Januar 2006 in Kraft treten sollen. Menschenrechtsorganisationen bemängeln insbesondere Lücken im Rechtsschutz, die Einführung von Zwangsernährung von Asylbewerbern und weit reichende Polizeivollmachten.
Das am 7. Juli 2005 im Nationalrat, dem österreichischen Parlament, erlassene Gesetz war schon am 10. Mai 2005 vom Ministerrat beschlossen und ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden. Am 21. Juli 2005 erhob der Bundesrat mit S-V-F-Mehrheit keinen Einspruch erteilte der Gesetzesnovelle die verfassungsmäßig erforderliche Zustimmung.
 
Das österreichische Innenministerium weist ausdrücklich darauf hin, es werde größter Wert auf ein menschenrechtskonformes Gesetz gelegt. Dies ist insbesondere deshalb von Interesse, da der österreichische Verfassungsgerichtshof erst am 15.10.2004 drei Kernbestimmungen des Asylgesetzes 2003 als verfassungswidrig aufgehoben hatte. Die obersten Richter sahen die Grenzen des Verfassungsrechts und der Menschenrechte als überschritten, nachdem in den angefochtenen Bestimmungen ein weit reichender Ausschluss von neuen Beweismitteln in späteren Verfahrensabschnitten (sog. Neuerungsverbot), ausgeweitete Abschiebehaft-Möglichkeiten (in Österreich: Schubhaft) und der Ausschluss von Abschiebeschutz bei einer ablehnenden erstinstanzlichen Entscheidung  verankert war.
Diese Entscheidung des Verfassungsgerichts beeinträchtigte jedoch nicht das Streben Österreichs nach einer Verschärfung des Asylgesetzes. Auch bezüglich des neuen Gesetzes, dem Asylgesetz 2005 beklagen Menschenrecht- und Flüchtlingsorganisationen den restriktiven und beinahe xenophoben Charakter der Novelle.
 
Amnesty International weist darauf hin, dass die Reform zu Verletzungen der Genfer Flüchtlingskonvention, zur Aushöhlung des Rechtsschutzes und zu Brüchen internationaler Menschenrechte führe.
Besonders problematisch sei hierbei die unter Umständen mögliche Zwangsernährung von Asylbewerbern, die sich im Hungerstreik befinden und die Abschiebung trotz laufenden Verfahrens. Es ist allerdings nicht unumstritten, ob diese Maßnahme nach dem neuen Gesetz überhaupt möglich ist.
Bundesrätin Lichtenecker (Grüne) sagte auf der Besprechung im Bundestags, man gewinne bei der Lektüre des Gesetzes den Eindruck, Ausländer, die nach Österreich kämen, seien prinzipiell Kriminelle, betrieben prinzipiell Asylmissbrauch. Diese Vorlage sei eine weitere "Verpolizeilichung" der Rechtsmaterie. Dieser Entwurf sei verfassungs- und menschenrechtswidrig, er sei daher unbedingt abzulehnen.
 
Amnesty International hat zudem seine Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass sich Formulierungen im Gesetz und insbesondere in den Erläuternden Bemerkungen durch eine auffallend xenophobe Sprache auszeichnen und geeignet sind, fremdenfeindliche und rassistische Strömungen in der Bevölkerung wie auch bei den vollziehenden Behörden zu erzeugen bzw. zu verstärken. Auch der weitreichende Transfer von sicherheitspolizeilichen und strafrechtlichen Bestimmungen - vom Sicherheitspolizeigesetz und der Strafprozessordnung - ins Fremdenpolizeigesetz bzw. die erhebliche Erweiterung von Befugnissen der Sicherheitsbehörden erweckt den Eindruck eines sicherheitspolizeilichen und strafrechtlichen Sondergesetzes für ausländische Staatsangehörige und ist daher geeignet, fremdenfeindliche Tendenzen zu verstärken und zu erzeugen. Bezeichnend in diesem Sinn ist auch der Titel des Gesetzes "Fremdenpolizeigesetz" anstelle des bisherigen "Fremdengesetzes".
 
Auch die UN-Flüchtlingsbehörde UNCHR äußerte sich enttäuscht über das neue Asylgesetz. ?Wir vermissen Menschlichkeit?, sagte der Sprecher des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR in Österreich, Roland Schönbauer. Er betonte, dass die Überprüfung einer erstinstanzlichen Entscheidung durch ein effektives Rechtsmittel internationaler Standard und in Europa Teil der Rechtskultur sei. Der UNHCR lehne daher Pläne ab Abschiebungen vor Abschluss des Rechtsweges ermöglichen. Ein weiteres Augenmerk richtet der UNHCR auf die neuen Vollmachten für die Polizei, die nicht nur zu den Wohnungen von Migranten, sondern auch zu Organisationen, "wo ausländische Staatsbürger verkehren", jederzeit ohne richterlichen Befehl Zugang haben soll.
Positiv sieht das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR, dass die von ihm angeregten Tonbandaufzeichnungen von Asyl-Interviews nun möglich werden. ?Ein Schritt zu mehr Verfahrensökonomie, der Frauen und Männern das x-fache Wiederholen von traumatischen Erlebnissen erspart.?
 
Grünen-Chef Alexander Van der Bellen kündigte an, dass seine Partei auch das neue Gesetz möglicherweise vor das Verfassungsgericht bringen werde.
Auch wenn sich Innenministerin Liese Prokop zuversichtlich, ihr Gesetz werde vor dem Verfassungsgerichtshof halten, bleibt die Entscheidung des höchsten österreichischen Gerichts mit Spannung abzuwarten.
Daniel Naujoks weitere Informationen:
Das österreichische Fremdenrechtspaket hier als download