EU-Kommission - Aufhebung der Arbeitsmarktbeschränkung für die Beitrittstaaten: Mobilität der Arbeitnehmer und Ablauf der Übergangsphase
In ihrem Bericht vom 8. Februar überprüft die Kommission anhand einer Fülle statistischer Daten die ersten zwei Jahre der bis zu sieben Jahre langen Übergangsphase für die Arbeitnehmer der neuen Beitrittsstaaten. Der Bericht soll den Mitgliedstaaten eine Entscheidungsgrundlage dafür liefern, ob sie die Beschränkungen der Freizügigkeit auf ihrem nationalen Arbeitsmarkt beibehalten wollen. Diese Entscheidung haben die Mitgliedstaaten bis zum 30. April 2006 zu treffen. Die meisten ?alten? Mitgliedstaaten ? mit Ausnahme von Irland, Schweden und dem Vereinigten Königreich ? haben im Mai 2004 Beschränkungen der Freizügigkeit gegenüber den Arbeitskräften aus den neuen Mitgliedstaaten eingeführt.
Die Kommission fordert die alten Mitgliedsstaaten auf, ihre Arbeitsmärkte für Arbeiter aus den EU-8 Staaten zu öffnen. Der häufig vorausgesagte Zustrom von Arbeitskräften aus dem Osten hat sich nicht bewahrheitet und Großbritannien, Irland und Schweden, wo keine Übergangsreglungen gelten, haben ?positive? Erfahrungen gemacht.
Alles in allem beschreibt der Bericht der Kommission die Migrationsströme zwischen den alten und neuen Mitgliedsstaaten als sehr begrenzt. Die Arbeitermobilität blieb sehr gering und habe insgesamt nicht die Arbeitsmärkte der Union beeinflusst. Die Osteuropäer, welche auf andere Arbeitsmärkte der EU abgewandert seien, hätten geholfen Qualifikationsknappheiten zu verringern, heißt es im Bericht der Kommission. Laut der Kommission sei das System der Arbeitsgenehmigungen eine Ursache für Schwarzarbeit. In offenen Systemen neigten die Arbeitnehmer hingegen zu ehrlicher Arbeit, heißt es in dem Bericht.
In ihrer Bewertung betont die Kommission, dass ?Einwanderung aus Nicht-EU-Staaten ein viel wichtigeres Phänomen? sei, als die Freizügigkeit von Arbeitskräften innerhalb der EU.
Die Mitgliedstaaten können frei entscheiden, ob sie die Übergangsregelungen für ihr Land so belassen, ändern oder aufheben wollen. Sie haben bis Ende April 2006 Zeit, ihre Entscheidung bekannt zu geben. Bis jetzt haben Griechenland, Portugal und Spanien angedeutet, dass sie die Übergangsregelungen aufheben wollen. Derweil haben Deutschland und Österreich gesagt, dass sie ihre Politik nicht ändern würden. Wenn ein Mitgliedstaat die Frist nicht einhält, wird automatisch das Gemeinschaftsrecht in Kraft gesetzt (was bedeutet, das keine Übergangsregelungen bezüglich der Freizügigkeit von Arbeitnehmer mehr angewendet werden dürfen ). Finnland hat bereits konkrete Schritte eingeleitet: Das finnische Arbeitsministerium und die Arbeitsmarktorganisationen haben einstimmig beschlossen, den finnischen Arbeitsmarkt für Bürger der neuen EU-Mitgliedstaaten am 1. Mai 2006 zu öffnen. Allerdings müssen Regierung und Parlament dem Vorschlag noch zustimmen. Finnland möchte stattdessen ein Registrierungssystem einführen, um die Mobilität der Arbeitnehmer und die Entwicklung der Arbeitsbedingungen besser kontrollieren zu können. Ein entsprechendes Gesetz soll bereits im Laufe des Monats März in Finnland verabschiedet werden. Finnland würde es somit Großbritannien, Irland und Schweden gleichtun, die bereits mit dem Beitritt der neuen Mitgliedsstaaten am 1. Mai 2004 ihre Märkte für Arbeitnehmer aus den neuen Ländern geöffnet hatten.
Der Streit um die Übergangsregelungen ist eng mit der Dienstleistungsrichtlinie verknüpft, welche teilweise den Zufluss von Arbeitskräften innerhalb der EU steuert. Gegner dieser Richtlinie befürchten, dass relativ Billiglohnarbeiter aus dem Osten die Sozial- und Arbeitsmarktsvorschriften ihres Herkunftslandes anwenden können und auf diese Weise westeuropäische Lohn- und Sozialniveaus untergraben.
Der Kommissar für Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit, Vladimir ?pidla, setzt sich ebenfalls für eine Aufhebung oder Vereinfachung der Übergangsregeln eingesetzt. Er hat die Mitgliedsstaaten dazu gedrängt ?nicht nur auf die statistischen Belege einzugehen, sondern auch den Bürgern die positive Mitteilung bezüglich der Aussichten der Freizügigkeit von Arbeitskräften innerhalb Europas zu vermitteln.?
Handelskommissar Peter Mandelson hat ebenfalls die Mitgliedsstaaten gedrängt, die Übergangsregelungen aufzuheben. In einer vor kurzem in Tschechien gehaltenen Rede sagte Mandelson ?habt Mut ? legt eure Ängste beiseite. Feiert die Möglichkeiten, die alle Europäer aufgrund der Erweiterung jetzt haben.? Er warnte vor allem vor dem Populismus, indem er sagte, er habe keinen Zweifel, dass die Referenden über den EU Verfassungsvertrag in Frankreich und den Niederlanden aufgrund des akuten Anstiegs des Populismus bei den Rechten und Linken, verloren gegangen seien. Er sagte weiter, dass insbesondere die Angst vor Einwanderung und Globalisierung, sowie vor ?fremdem? Wettbewerb ? symbolisiert durch die Angst einiger Mitgliedsstaaten vor dem Phänomen des polnischen Klempners Ursachen seien.
Die Parlamentarier der vier Visegrad-Staaten (Tschechien, Ungarn, Polen und die Slowakei) sind der Meinung, dass die alten Mitgliedstaaten die Übergangsregelungen nur aus politischen Gründen eingeführt hätten, da soziale und wirtschaftliche Begründungen nicht bewiesen seien.
Großbritanniens Einwanderungsminister, Tony McNulty, sagte, dass der Bericht der Kommission den Erfolg der britischen Politik, den Arbeitsmarkt zu öffnen, rechtfertige. Der Zugang an Arbeiterkräften würde dort weiterhin zunehmen, wo offene Stellen existieren und würde so helfen Lücken auf dem Arbeitsmarkt zu schließen.
Österreichs Wirtschaftsminister, Martin Bartenstein, hingegen sagte, dass die Erfahrungen der alten Mitgliedstaaten, welche sich für die liberalere Option entschieden hätten ? insbesondere Großbritannien ? dennoch mit Vorsicht betrachtet werden sollten. Österreich würde auch weiterhin die Übergangsregelungen anwenden, sagte Bartenstein und fügte hinzu, dass ?wenn die Tür einmal geöffnet ist, kann man sie nicht wieder schließen?.
Der deutsche Wirtschaftsminister Michael Glos hat ebenfalls wiederholt, dass sein Land beabsichtige, die Übergangsregelungen zu behalten. Er sagte, Deutschland könne nicht auf sie verzichten.
Jüngste Entwicklungen und nächste Schritte:
- Am 16. Februar entscheidet das Europäische Parlament, ob die Grenzen für den freien Dienstleistungsverkehr vollständig geöffnet werden sollen
- Der Bericht der Kommission vom 8. Februar wird auf dem Frühjahrsgipfel März den EU-Führer übergeben
- Die Mitgliedsstaaten müssen bis spätestens zum 30. April ihre Position zur Freizügigkeit von Arbeitskräften formulieren
- Der nächste Bericht der Kommission wird 2009 herauskommen