Generalanwältin Kokott hat in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache C-229/05 P, Kurdische Arbeiterpartei (PKK) und Kurdischer Nationalkongress (KNK) gegen Rat der Europäischen Union, die Auffassung geäußert, dass das Gericht erster Instanz die Klage gegen die Nennung der PKK auf einer Liste terroristischer Vereinigungen nicht als unzulässig hätte abweisen dürfen. Ob die PKK zu Recht in der Liste genannt wird, müsste demnach das Gericht erster Instanz noch entscheiden.
Im Jahr 2002 beschloss der Rat, die PKK auf einer Liste terroristischer Vereinigungen einzutragen (Beschluss des Rates vom 2. Mai 2002 (2002/334/EG). Mit dem Beschluss 2002/460/EG vom 17. Juni 2002 wurde die Liste aktualisiert, die PKK wurde dort aber weiterhin aufgeführt). Gegen diese Entscheidung klagten Herr Osman Ocalan im Namen der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) und Herr Serif Vanly für den Kurdistan Nationalkongress (KNK). Mit Beschluss vom 15. Februar 2005 wies das Gericht erster Instanz diese Klage ab. Der KNK war nach Feststellung des Gerichts von der Entscheidung des Rates über die Aufnahme in die Liste nicht individuell betroffen. Herr Ocalan seinerseits könne nicht nachweisen, dass er die PKK repräsentiere, da sie nach seinem eigenen Bekunden nicht mehr existiere. Beide Kläger haben beim Gerichtshof ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss eingelegt.
Generalanwältin Kokott vertritt in ihren heutigen Schlussanträgen die Auffassung, dass die von Osman Ocalan namens der PKK erhobene Klage zulässig ist, soweit sie gegen den Beschluss 2002/460/EG gerichtet ist. Die entgegenstehende Feststellung des Gerichts erster Instanz sei aufzuheben.
Das Gericht habe bei der Prüfung der Zulässigkeit der Klage einen Rechtsfehler begangen. Es habe zu Unrecht aus der von Herrn Ocalan abgegebenen Erklärung, die PKK existiere nicht mehr, abgeleitet, dass er sie deswegen auch nicht mehr vertreten könne. Darin liege eine Verfälschung seiner Aussage durch das Gericht. Denn bei der Würdigung der Aussage hätte berücksichtigt werden müssen, dass die PKK ihrer Natur nach über kein formales Statut verfügen konnte, ihr Kongress lediglich die Einstellung der unter ihrem Namen ausgeübten Tätigkeiten beschlossen habe, die Organisation selbst aber möglicherweise unter dem Namen KADEK fortbestehe. Insbesondere werde die PKK vom Rat weiterhin als terroristische Vereinigung benannt und müsse somit berechtigt sein, gegen den entsprechenden Eintrag auf der Liste vorzugehen.
Nach Auffassung der Generalanwältin hat das Gericht überdies einen Verfahrensfehler begangen. Es hätte angesichts seiner Zweifel daran, dass Herr Ocalan für die PKK auftreten konnte, diesem Gelegenheit geben müssen, seine Vertretungsbefugnis klarzustellen.
Die Generalanwältin schlägt dem Gerichtshof vor, zu entscheiden, dass Herr Ocalan im Namen der PKK klagen darf und seine Klage zur Entscheidung darüber, ob sie auch begründet ist, an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.
Die vom Gericht erster Instanz festgestellte Unzulässigkeit der für den Kurdistan Nationalkongress erhobenen Klage war dagegen nach Ansicht von Generalanwältin Kokott rechtsfehlerfrei. Der KNK sei gegenüber der die PKK belastenden Entscheidung in keiner anderen Situation als alle übrigen Personen in der Gemeinschaft und erfülle somit nicht die Voraussetzungen einer Klage.
HINWEIS: Die Ansicht der Generalanwältin ist für den Gerichtshof nicht bindend. Aufgabe der Generalanwältin ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit einen Entscheidungsvorschlag für die betreffende Rechtssache zu unterbreiten. Die Richter des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften treten nunmehr in die Beratung ein. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.