Seit dem 1. Januar hat Deutschland den Vorsitz im Europäischen Rat. Einer Schaltstelle der Macht in Europa, die weitgehend unbekannt ist. Neuesten Statistiken zufolge, wissen angeblich 80 % der Bundesbürger auch wenige Wochen vor ihrem Beginn nicht, dass Deutschland die EU-Präsidentschaft zwischen Januar und Juni 2007 inne haben wird. Zwar würden sich rund 70 % aller Deutschen für die Annahme der EU-Verfassung aussprechen, doch kennten nur 7 % unter ihnen überhaupt deren Inhalt. Zu den Prioritäten der deutschen EU-Präsidentschaft werden ab Januar der EU-Verfassungsgebungsprozess zählen sowie die Bereiche Wirtschaft und Beschäftigungspolitik, Sicherheit der Energieversorgung und eine Gemeinsame europäische Aussenpolitik.
Priorität hat die EU-Verfassung
An oberster Stelle der Prioritätenliste in Berlin steht die künftige EU-Verfassung. An ein Inkrafttreten ist nach dem Nein der Niederländer und Franzosen im Mai 2005 derzeit nicht zu denken. Von der deutschen Ratspräsidentschaft wird erwartet, dass sie den Verfassungsprozess wieder in Gang bringt.
Energie und Klimaschutz
Doch es gibt noch andere politische Herausforderungen für die deutsche EU-Präsidentschaft: Sicherheit bei der Energieversorgung, da spielen die Beziehungen zwischen der EU und Russland eine wichtige Rolle. Die Deutschen wollen erreichen, dass so schnell wie möglich ein neues Partnerschaftsabkommen zwischen Russland und der EU verabschiedet wird. Besserer Klimaschutz, da müssen sich die Deutschen nach der jüngsten Ermahnung aus Brüssel ein bisschen stärker als bisher selber in die Pflicht nehmen.
Nahost, Atomstreit und Afghanistan
Auch im Bereich der Außenpolitik ist die deutsche Präsidentschaft sehr gefordert, denn die Liste der Konflikte ist lang: Nahostkrise, Atomstreit mit dem Iran, Zukunft des Kosovo, die Lage in Afghanistan. Da gilt es zu verhandeln, zu vermitteln, nach Lösungen zu suchen. Die Bundeskanzlerin warnt vor allzu großen Erwartungen an die deutsche EU-Präsidentschaft: Deutschland kennt seine Möglichkeiten, aber auch seine Grenzen. Allein aus diesem Grund dürfte in Berlin die Erleichterung darüber groß sein, dass im aktuellen Streit um die Türkei noch unter finnischem Vorsitz ein Kompromiss gefunden werden konnte. Die Einigung der 25 in dieser Frage ist ein gutes Omen für die kommenden sechs Monate.