Der EU-Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens

Anzeige Werbung Kanzleien Anzeige

Zum 1. Januar 2007 sind die Republik Bulgarien und Rumänien der EU beigetreten. Nachdem die Republik Bulgarien und Rumänien die Mitgliedschaft bei der Europäischen Union beantragten, legte der Europäische Rat auf seiner Tagung im Juni 1993 in Kopenhagen erstmals die politischen, wirtschaftlichen und besitzstandsbezogenen Kriterien für die Mitgliedschaft fest, an denen sich der Beitrittsprozess und die von der Kommission vorgenommen regelmäßigen Bewertungen der Lage in der Republik Bulgarien und Rumänien orientiert haben. Den politischen Kriterien zufolge müssen die Republik Bulgarien und Rumänien für institutionelle Stabilität als Garantie für die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten sorgen; diese Anforderungen sind als verfassungsmäßige Grundsätze im Vertrag über die Europäische Union verankert und wurden in der Charta der Grundrechte in der Europäischen Union hervorgehoben. Nach den wirtschaftlichen Kriterien sind eine funktionierende Marktwirtschaft und die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten, erforderlich. Das besitzstandsbezogene Kriterium betrifft die Fähigkeit zur Erfüllung der mit der EU-Mitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen und zur Übernahme der Ziele der politischen Union sowie der Wirtschafts- und Währungsunion.
Die Bedingungen und Vorkehrungen für die Aufnahme der beiden Staaten wurden in Konferenzen zwischen den Mitgliedstaaten und der Republik Bulgarien und Rumänien ausgehandelt. In ihrem am 6. Oktober 2004 verabschiedeten Strategiepapier über den Stand des Erweiterungsprozesses kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die Republik Bulgarien und Rumänien die politischen Kriterien erfüllen, und ging davon aus, dass die beiden Länder angesichts der erzielten Fortschritte, des Stands bei der Umsetzung ihrer Verpflichtungen und der laufenden Vorbereitungen ab 1. Januar 2007 die wirtschaftlichen und besitzstandsbezogenen Kriterien erfüllen werden und für die Mitgliedschaft bereit sein werden.

Evaluierung des Beitritts

Vor diesem Hintergrund erklärte die Kommission, dass sie alle Anstrengungen unternehmen werde, um das Ziel des Europäischen Rates zu erreichen, wonach die Beitrittsverhandlungen mit Bulgarien und Rumänien auf Basis der erzielten Leistungen zu einem erfolgreichen Abschluss im Jahr 2004 gebracht werden sollen, damit der Beitrittsvertrag 2005 zu einem möglichst frühen Zeitpunkt unterzeichnet werden kann. Die Verhandlungen wurden im Dezember 2004 erfolgreich abgeschlossen, und die getroffenen Vereinbarungen sind sichtlich gerecht und angemessen; somit wird die Erweiterung der Europäischen Union dieser ermöglichen, sich in stärkerem Maß am Ausbau der internationalen Beziehungen zu beteiligen und sich gleichzeitig ihren inneren Zusammenhalt und ihre Dynamik zu bewahren.

Mit dem Beitritt zur Europäischen Union erkennen die Republik Bulgarien und Rumänien ohne Vorbehalt den Vertrag über eine Verfassung für Europa und bis zu dessen Inkrafttreten den Vertrag über die Europäische Union sowie die Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften einschließlich aller darin genannten Ziele, aller seit ihrem Inkrafttreten gefassten Beschlüsse und aller in Bezug auf die Entwicklung und Stärkung der Gemeinschaften und der Union getroffenen Entscheidungen an.
Ein Grundzug der durch die Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und ab seinem Inkrafttreten durch den Vertrag über eine Verfassung für Europa eingeführten Rechtsordnung besteht darin, dass einige ihrer Vorschriften und einige von den Institutionen verabschiedeten Rechtsakte unmittelbar anwendbar sind, dass das Recht der Union Vorrang vor jeglichen einzelstaatlichen Vorschriften hat, mit denen es in Konflikt geraten könnte, und dass Verfahren für die einheitliche Auslegung des Rechts der Union bestehen; der Beitritt zur Europäischen Union setzt die Anerkennung des bindenden Charakters dieser Bestimmungen voraus, deren Einhaltung für die Gewährleistung der Wirksamkeit und Einheit des Rechts der Union unabdingbar ist.

Möglichkeit der Verschiebung des Beitrittstermin

Die Kommission behielt im Beitrittsvertrag, insbesondere in Artikel 39 des Beitrittsprotokolls, ein verankertes Recht vor, einen Vorschlag vorzulegen, in dem sie eine Verschiebung des Beitritts um ein Jahr auf den 1. Januar 2008 empfiehlt, sofern sie angesichts des Stands der Vorbereitungen auf die Übernahme und Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands eindeutige Anhaltspunkte dafür sieht, dass die Republik Bulgarien oder Rumänien bis zum Beitrittsdatum 1. Januar 2007 sehr wahrscheinlich in einer Reihe wichtiger Bereiche nicht in der Lage sein wird, den mit der EU-Mitgliedschaft verbundenen Anforderungen gerecht zu werden, einschließlich der für Rumänien geltenden spezifischen Verpflichtungen und Anforderungen auf den Gebieten Justiz und Inneres sowie Wettbewerb. Entsprechend diesem Vorbehalt sah der Beitrittsvertrag ein Inkrafttreten vorbehaltlich des Ratifizierungsverfahrens zum 1. Januar 2007 vor, es sei denn, der Rat beschließt gemäß Artikel 4 Absatz 2 des Beitrittsvertrags, dass der Termin des Beitritts von Bulgarien und/oder Rumänien auf den 1. Januar 2008 verschoben wird.
Auf der Grundlage des ständigen Monitoring behielt sich die Kommission darüber hinaus vor, gegenüber beiden Ländern die verschiedenen im Beitrittsvertrag enthaltenen Schutzklauseln geltend zu machen und im Falle Rumäniens den im Beitrittsvertrag vorgesehenen spezifischen Mechanismus für staatliche Beihilfen zu nutzen, falls dieses Land seine Verpflichtungen in Bezug auf seine Durchsetzungsbilanz in diesem Bereich nicht erfüllt.

Nachdem der Beitrittstermin nicht verschoben wurde und das Europäische Parlament
(Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Antrag der Republik Bulgarien auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union (AA1/2/2005 — C6-0085/2005 — 2005/0901(AVC)) (Verfahren der Zustimmung – ABl. L 157 vom 21.06.2005, S. 5) und Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Antrag Rumäniens auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union (AA1/2/2005 — C6?0086/2005 — 2005/0902(AVC)) (Verfahren der Zustimmung - ABl. L 157 vom 21.06.2005, S. 7)) sowie der Rat
(Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 25. April 2005 über die Aufnahme der Republik Bulgarien und Rumäniens in die Europäische Union (ABl. L 157 vom 21.06.2005, S. 9) dem Beitritt zugestimmt hatten, tritt der Beitrittsvertrag mit allen seinen Vertragsbestandteilen nach Art. 2 Abs. 2 am 1. Januar 2007 in Kraft, sofern alle Ratifikationsurkunden vor diesem Tag hinterlegt worden sind. Sollten einzelne Mitgliedstaaten ihre Ratifikationsurkunden nicht rechtzeitig hinterlegen, so tritt der Vertrag nur für diejenigen Staaten in Kraft, die ihre Urkunden hinterlegt haben.

Aufbau und Struktur

Die Gestaltung des Vertrags mit dem die EU-Ost-Erweiterung geregelt wird entspricht der sich im Rahmen der vorangegangenen EU-Erweiterungen herausgebildeten einheitlichen Struktur. Er ist in mehrere Vertragsurkunden aufgegliedert: den Beitrittsvertrag, die Beitrittsakte, die Anhänge I bis XVIII und die Protokolle 1 bis 10.
Der Beitrittsvertrag regelt neben dem Beitritt zu EU als solchen (Art. 1 Abs. 1) das die Republik Bulgarien und Rumänien Vertragsparteien des Vertrags über eine Verfassung für Europa und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft werden (Art. 1 Abs. 2). Dabei wird in Art. 1 Abs. 3 festgelegt, das die Bedingungen und Einzelheiten der Aufnahme in dem diesem Vertrag beigefügten Protokoll festgelegt sind.
Nachdem die Europäische Verfassung an den Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheitert ist, geht diese Regelungen ins Leere, ohne dass es zu einer Regelungslücke kommt. Denn Art. 2 Abs. 1 erfasst den Fall, dass der Vertrag über eine Verfassung für Europa am Tag des Beitritts nicht in Kraft ist: Die neuen Mitgliedstaaten werden in diesem Fall Vertragsparteien der Verträge, auf denen die Union in ihrer jeweiligen geänderten oder ergänzten Fassung beruht. Außerdem gilt Art. 1 Abs. 2 bis 4 – und damit auch das Protokoll über die Bedingungen und Einzelheiten der Aufnahme der Republik Bulgarien und Rumänien in die EU – erst ab dem Tag des Inkrafttretens des Vertrages über eine Verfassung für Europa.

Zentrale Vorschrift für die Ausgestaltung des Beitritts ist – nach dem Scheitern der EU-Verfassung – der Art. 2 Abs. 2, in dem festgelegt wird, dass die Aufnahmebedingungen und die aufgrund der Aufnahme erforderlichen Anpassungen der Verträge, auf denen die Union beruht, in der dem Beitrittsvertrag beigefügten Akte festgelegt sind;
„sie gelten ab dem Tag des Beitritts bis zum Tag des Inkrafttretens des Vertrags über eine Verfassung für Europa. Die Bestimmungen der Akte sind Bestandteil dieses Vertrags.“
Die Beitrittsakte, die wie auch in der letzten Erweiterungsrunde alle wesentlichen Fragen des Beitritts regelte, verliert seine Regelungswirkung nach Art. 2 Abs. 3 in dem Moment, in dem der Vertrag über eine Verfassung für Europa in Kraft tritt. Denn am Tag des Inkrafttretens des Verfassungsvertrages tritt das in Art. 1 Abs. 3 genannte Protokoll an die Stelle der in Art. 2 Abs. 2 genannten Akte.

Daneben regelt der Beitrittsvertrag das Inkrafttreten des Vertrages (Art. 4). Der Vertrag tritt danach am 1. Januar 2007 in Kraft, sofern alle Ratifikationsurkunden vor diesem Tag hinterlegt worden sind und der Rat den Beitritt nicht durch einen vor dem Tag des Inkrafttretens gefassten Beschluss um ein Jahr hinausschiebt. Nachdem alle Ratifikationsurkunden vorliegen und auch ein Beschluss nach Art. 39 der Beitrittsakte vom Rat nicht gefasst wurde, ist der Beiritt der Republik Bulgariens und Rumäniens zum 1. Januar 2007 wirksam geworden.

Die Beitrittsakte mit ihren Anhängen und Protokollen enthält die vertraglich vereinbarten materiellen Anpassungen und Änderungen des Gemeinschaftsrechts. Sie genießt als integraler Bestandteil des Beitrittsvertrages als Primärrecht den gleichen Rang wie die Gründungsverträge selbst. Soweit durch die Beitrittsakte primäres Gemeinschaftsrecht verändert wird, so ändert sie entgegenstehendes Primärrecht als lex posterior, Sekundärrecht hingegen als lex superior ab (siehe Meng, Artikel 49 EU, Rdnr. 115).
Die Beitrittsakte gliedert sich wie auch die vorherigen Beitrittsakten im Rahmen der vorangegangenen EU-Erweiterungen in fünf Abschnitte: Grundsätze (Art. 1 bis 8), Anpassung der Verträge (Art. 9 bis 18), ständige Bestimmungen (Art. 19 bis 22), Bestimmungen mit begrenzter Geltungsdauer (Ar. 24 bis 42) und Bestimmungen über die Durchführung dieser Akte (Art. 43 bis 61). Die Beitrittsakte ist als Teil des Beitrittsvertrages eng mit dem bestehenden Primärrecht verzahnt mit der Folge, dass die Bestimmungen der Beitrittsakte unter Berücksichtigung der Grundlagen und des Systems der Gemeinschaft, wie sie in den Verträgen niedergelegt worden sind, ausgelegt werden müssen (EuGH, Urteil vom 29.03.1979 - 231/78 -, Kommission gegen Vereinigtes Königreich, Slg. 1979, 1147, Rdnr. 12). Beitrittsakte bestimmt wiederum ausweislich der Bestimmung des Art. 59, dass die Anhänge I bis IX und die Anlagen dazu Bestandteil der Akte sind. Anders noch bei der letzten Beitrittsrunde werden neben Anhängen keine Protokolle zum Bestandteil der Beitrittsakte (Art. 60 der Beitrittsakte 2004).

Teil des Beitrittsvertrages werden jedoch nicht die gemeinsamen oder einseitigen Erklärungen, die in der Schlussakte dem Vertrag beigefügt wurden. Sie sind kein Vertragsbestandteil, können jedoch nach Art. 31 Abs. 2 WVRK (Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge – Wiener Vertragsrechtskonvention – vom 23.05.1969) zur Auslegung des Beitrittsvertrages herangezogen werden. Diese gemeinsamen oder einseitigen Absichts- und Interpretationserklärungen können daher als zusätzliches Interpretationsmittel dienen.

Weitere Informationen demnächst in dem ebook zum EU-Beitritt.