Das Europaparlament hat sich nach langen und wortreichen Debatten für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Türkei zur Anbahnung einer EU-Mitgliedschaft ausgesprochen. Die Verhandlungen sollten "ohne unnötige Verzögerungen" beginnen, jedoch an eine Reihe von Bedingungen geknüpft werden, forderte das Parlament am Mittwoch in einer Entschließung. Ankara müsse zum Beispiel eine "Null-Toleranz"-Haltung gegenüber Folter einnehmen. Das christliche Europa öffnet sich so dem Islam!
Migrationsrecht.Net begrüßt diese Entscheidung. Sicher gibt es gerade in den Bereichen der Folter und der nichtstaatlichen Verfolgung und systematischen Ausgrenzung von Minderheiten wie Christen und Kurden noch einen großen Nachholbedarf. Bewährt hat sich jedoch in der Europäischen Gemeinschaft das System, Konfliktsituationen in einzelnen Ländern (Spanien, Nordirland) innerhalb der Gemeinschaft zu lösen. Je eher der Türkei die Chance gegeben wird, ihre Gesetzgebung und das Verhalten staatlicher Organe zu europäisieren, desto früher werden sich Erfolge einstellen.
Unterstützt wird hier selbstverständlich auch die Forderung des EU-Parlaments ein Signal hin zur Anerkennung des EU-Mitgliedsstaats Zypern. Ziel der Verhandlungen mit der EU soll der Beitritt des Landes sein. Einen dritten Weg im Falle eines Scheiterns der Gespräche nennt das Parlament nicht. Entsprechende Änderungsanträge waren zuvor abgelehnt worden. Auch dies ist das richtige Signal an einen Beitrittskandidaten, dem man signalisieren will, er sei als Mitglied in der Europäischen Staatengemeinschaft willkommen und man halte ihn für Beitrittsfähig.
Über die Aufnahme der Verhandlungen entscheiden die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel, der am Donnerstagabend beginnt. Obwohl die Resolution des Parlaments für sie nicht bindend ist, sendet sie jedoch ein eindeutiges Signal an die Gipfelteilnehmer.
Während die SPD die Aufnahme der Türkei in die EU unterstützt, haben sich CDU und CSU für das Modell einer ?Privilegierten Partnerschaft? ausgesprochen. Es soll unterhalb der Schwelle einer Vollmitgliedschaft die Beziehungen zu Ankara regeln. Für den Text stimmten 407 Abgeordnete, 262 votierten dagegen. Das Votum fand in geheimer Abstimmung statt. Vertreter der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) - vor allem deutsche Unionsabgeordnete und Mitglieder der französischen Regierungspartei UMP - hatten Änderungsanträge eingebracht, in denen eine Vollmitgliedschaft der Türkei abgelehnt wurde.
Dieses Zweiklassensystem hätte indes eine Spaltung des christlichen vom muslimischen Europa gefördert. Mit der Mitgliedschaft der Türkei ? und sei es 2016 ? erhält das christliche Europa die Chance, Muslime und Muslima die in allen EU-Mitgliedstaaten die größte religiöse Minderheit stellen die Hand zur Integration zu reichen. Nur so kann ein sicheres Europa geschaffen werden, in dem Angehörige der Weltreligionen mit ihren Traditionen und Lebensweisen friedlich nebeneinander leben und arbeiten.
Die Staats- und Regierungschefs der EU werden bei ihrem am Donnerstag in Brüssel beginnenden Gipfel entscheiden, ob und wann mit Ankara Beitrittsgespräche aufgenommen werden.
Wir werden weiter über die Entwicklung berichten.