Drittstaatsangehörige Familienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers werden von Art. 7 ARB 1/80 erfasst

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Der EuGH hat in der Rechtssache Dülger (C‑451/11) mit Urteil vom 19.07.2012 entschieden, dass Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 dahin auszulegen ist, dass sich ein Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers, der Staatsangehöriger eines anderen Drittlands als der Türkei ist, im Aufnahmemitgliedstaat auf die sich aus dieser Bestimmung ergebenden Rechte berufen kann, wenn alle anderen darin vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind.

Die Entscheidung ist über die erfolgte weitere Klärung des Begriffs Familienangehöriger von Bedeutung, weil der Gerichtshof noch einmal darauf hingewiesen hat, dass das System des schrittweisen Erwerbs von Rechten nach Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 einem doppelten Zweck dient:

„39      Erstens sollen nach der genannten Vorschrift bis zum Ablauf des ersten Zeitraums von drei Jahren Familienangehörige des Wanderarbeitnehmers die Möglichkeit erhalten, bei diesem zu leben, um so durch Familienzusammenführung die Beschäftigung und den Aufenthalt des türkischen Arbeitnehmers, der sich bereits ordnungsgemäß in den Aufnahmemitgliedstaat integriert hat, zu begünstigen (vgl. u. a. Urteil Kahveci und Inan, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Zweitens soll diese Vorschrift eine dauerhafte Eingliederung der Familie des türkischen Wanderarbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat fördern, indem dem betroffenen Familienangehörigen nach drei Jahren ordnungsgemäßen Wohnsitzes selbst der Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht wird. Der damit verfolgte Hauptzweck ist also, die Stellung des Familienangehörigen, der sich in dieser Phase bereits ordnungsgemäß in den Aufnahmemitgliedstaat integriert hat, dadurch zu festigen, dass er die Mittel erhält, um dort selbst seinen Lebensunterhalt zu verdienen und sich folglich eine gegenüber der Stellung des Wanderarbeitnehmers selbständige Stellung aufzubauen (vgl. u. a. Urteile vom 11. November 2004, Cetinkaya, C‑467/02, Slg. 2004, I‑10895, Randnr. 25, sowie Kahveci und Inan, Randnr. 33)."

Dient der Art. 7 ARB 1/80 aber auch dem türkischen Arbeitnehmer, so könnte dies Auswirkungen auf die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „ordnungsgemäß" in der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 haben. Denn es erscheint denkbar, dass das Recht des türkischen Arbeitnehmers auf Familienzusammenführung, dass sich unmittelbar auf Art. 7 ARB 1/80 gründet, zur Folge hat, dass nur der Aufenthalt dieses Arbeitnehmers ordnungsgemäß sein muss. Für diese Auslegung spricht, dass der Anwendungsbereich der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 auch nicht davon abhängig ist, dass der Familienangehörige einer Beschäftigung nachgeht.