Mitgliedstaaten reagieren unzureichend auf steigende Opferzahl des Menschenhandels in der EU

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Im Zeitraum 2008-2010 gab es 23 632 ermittelte oder mutmaßliche Opfer des Menschenhandels in der EU. Diese erschreckende Zahl ist das Ergebnis des ersten Berichts über Menschenhandel in Europa, der heute von der Europäischen Kommission vorgestellt wird. Nach diesem Bericht stieg die Zahl der Opfer innerhalb der EU zwischen 2008 und 2010 um 18 %. Allerdings landen immer weniger Menschenhändler hinter Gittern. Die Zahl der Verurteilungen sank im gleichen Zeitraum um 13 %.

Trotz dieser beunruhigenden Zahlen haben bisher erst sechs von 27 Mitgliedstaaten die EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels in nationales Recht umgesetzt. Drei weitere Länder haben eine teilweise Umsetzung der Richtlinie gemeldet. Die Frist für die Umsetzung ist am 6. April 2013 abgelaufen.

„Es ist schwer vorstellbar, dass in unserer freien und demokratischen EU zehntausende Menschen ihrer Freiheit beraubt, ausgebeutet und wie Waren zu Profitzwecken gehandelt werden können. Aber es ist die traurige Wahrheit. Der Menschenhandel gehört zum Alltag und rückt uns näher als wir denken. Ich bin sehr enttäuscht, dass trotz dieser alarmierenden Entwicklung bisher nur wenige Mitgliedstaaten die Vorschriften zur Bekämpfung des Menschenhandels umgesetzt haben. Ich fordere die Länder, die dies bisher noch nicht getan haben, auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen", sagteCecilia Malmström, EU-Kommissarin für Inneres.

Vollständige und rasche Umsetzung der EU‑Richtlinie

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, müssen die ehrgeizigen Rechtsvorschriften und Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels angemessen umgesetzt und angewendet werden.

Nach vollständiger Umsetzung dürfte die Richtlinie tatsächliche und konkrete Auswirkungen auf das Leben der Opfer haben und andere davor bewahren, einem solchen Verbrechen zum Opfer zu fallen. Die neue Richtlinie sieht Maßnahmen auf den verschiedensten Gebieten vor, unter anderem im Bereich des materiellen Strafrechts, der strafrechtlichen Verfolgung der Täter, der Unterstützung der Opfer und ihrer Rechte im Strafverfahren sowie im Bereich Prävention. Sie sieht ferner die Einrichtung eines EU‑Netzes von nationalen Berichterstattern oder gleichwertigen Mechanismen vor, die über Entwicklungen berichten, Daten sammeln und die Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels bewerten.

Rechte der Opfer des Menschenhandels im EU-Recht

Die Europäische Kommission veröffentlicht heute ebenfalls einen Überblick über die Rechte der Opfer des Menschenhandels, um einfach und nutzerfreundlich über die Arbeitnehmer-, Sozial-, Aufenthalts‑ und Entschädigungsrechte zu informieren, die das EU-Recht bietet. Dieser Überblick ist für die Opfer und Personen gedacht, die im Bereich des Menschenhandels arbeiten (NRO, Polizei, Einwanderungsbehörden, Arbeitsaufsicht, Grenzschutz, Gesundheits‑ und Sozialbehörden), und soll die Behörden der EU‑Mitgliedstaaten dabei unterstützen, zur wirksamen Durchsetzung dieser Rechte die Hilfs‑ und Schutzmaßnahmen anzuwenden, die die Opfer brauchen und verdienen.

Wichtige Ergebnisse der Datenerhebung

Eurostat und die GD Inneres veröffentlichen den ersten Bericht über statistische Daten zum Menschenhandel in der EU für die Jahre 2008, 2009 und 2010. Alle EU‑Mitgliedstaaten haben an diesem Bericht mitgewirkt. Die Erhebung vergleichbarer und verlässlicher Daten ist jedoch nach wie vor eine schwierige Aufgabe. Die Daten sollten daher mit Vorsicht interpretiert werden, da mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen ist. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation sind 880 000 Menschen in der EU Opfer von Zwangsarbeit, einschließlich erzwungener sexueller Ausbeutung.

Opfer

  • Die Gesamtzahl der ermittelten und mutmaßlichen Opfer betrug 6 309 im Jahre 2008, 7 795 im Jahre 2009 und 9 528 im Jahre 2010. In den drei Berichtsjahren gab es einen Anstieg um 18 %.
  • 68 % der Opfer waren Frauen, 17 % Männer, 12 % Mädchen und 3 % Jungen.
  • Bei den meisten der Opfer in den drei Referenzjahren erfolgte der Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (62 %). Menschenhandel zum Zweck der Zwangsarbeit (25 %) steht an zweiter Stelle, während andere Formen wie Menschenhandel zum Zweck der Organentnahme oder für Straftaten oder der Verkauf von Kindern einen geringeren Anteil aufweisen (14 %).
  • Die Mehrheit der ermittelten und mutmaßlichen Opfer in den drei Referenzjahren stammen aus EU‑Mitgliedstaaten (61 %), gefolgt von Opfern aus Afrika (14 %), Asien (6 %) und Lateinamerika (5 %).
  • Die meisten der in den EU‑Mitgliedstaaten ermittelten Opfer sind Bürger aus Rumänien und Bulgarien.
  • Die meisten Opfer aus Drittstaaten stammen aus Nigeria und China.
  • Die Zahl der Aufenthaltsgenehmigungen für Opfer von Menschenhandel aus Drittstaaten stieg von 703 im Jahr 2008 auf 1 196 im Jahr 2010.

Menschenhändler

  • Die Gesamtzahl der verdächtigten Menschenhändler in der EU sank zwischen 2008 und 2010 um rund 17 %.
  • 75 % der verdächtigten Menschenhändler waren männlich.
  • In den drei Referenzjahren betrieben rund 84 % der Verdächtigten Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung.
  • Die Gesamtzahl der Verurteilungen wegen Menschenhandel sank zwischen 2008 und 2010 um 13 %.

Quelle: Presseerklärung der EU-Kommission