Der Europäische Gerichtshof leitet in der Rechtssache Ünal aus Art. 6 ARB 1/80 mit Urteil vom 29.September 2011 (C-187-10) ein Befristungsverbot ab. Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation ist dahin auszulegen, dass er die zuständigen nationalen Behörden daran hindert, die Aufenthaltserlaubnis eines türkischen Arbeitnehmers rückwirkend auf den Zeitpunkt zu widerrufen, von dem an der im nationalen Recht vorgesehene Grund für ihre Erteilung nicht mehr besteht, wenn der Arbeitnehmer keine Täuschung begangen hat und der Widerruf nach Ablauf des in Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich genannten Zeitraums von einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung erfolgt.
Mit der Entscheidung hat der Gerichtshof das Merkmal „ordnungsgemäße Beschäftigung" ausgelegt. Denn es stellte sich die Frage, ob ein türkischer Arbeitnehmer, der im Lauf des ersten Beschäftigungsjahrs aufhöre, die Voraussetzungen zu erfüllen, unter denen seine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei, ein unbestrittenes Aufenthaltsrecht besitze. Der Gerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass es nicht erheblich sei, dass sich Herr Ünal im Laufe des ersten Beschäftigungsjahres von seiner Ehefrau getrennt hatte, was der Ausländerbehörde aber erst nach Ablauf des Beschäftigungsjahres bekannt geworden ist. Denn die Rechte aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 seien nach ihrem Entstehen nicht mehr vom Fortbestehen der Umstände abhängig, die zu ihrer Entstehung geführt haben, da dieser Beschluss keine solche Voraussetzung vorsehe.
Für die deutsche Praxis hat dies zur Folge, dass ein rückwirkender Entzug des Aufenthaltstitels durch Befristung oder Rücknahme nicht mehr erfolgen kann, wenn keine Täuschung über die Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts (z.B. Scheinehe) erfolgt ist.