Europaweite Harmonisierung des Asylrechts

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Seit 1999 arbeitet die EU an einem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) und an der Verbesserung des derzeitigen Rechtsrahmens. Die Europäische Kommission legte nun am 13. Juli 2016 den letzten Teil ihrer Vorschläge für die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vor. Ihr Ziel ist eine wirksamere, fairere und humanere Asylpolitik, die nicht nur in normalen Zeiten, sondern auch bei hohem Migrationsdruck funktioniert.

Die Europäische Kommission legt heute den letzten Teil ihrer Vorschläge für die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vor. Ihr Ziel ist eine wirksamere, fairere und humanere Asylpolitik, die nicht nur in normalen Zeiten, sondern auch bei hohem Migrationsdruck funktioniert. Für ein effizienteres und kohärenteres Asylsystem bedarf es nach den Erfahrungen der Vergangenheit eines gemeinsamen, einheitlichen Regelkanons auf EU-Ebene. Zum heutigen Vorschlagspaket der Kommission zählen deshalb ein einheitliches Verfahren zur Gewährung internationalen Schutzes, einheitliche Normen zum Schutz und zur Wahrung der Rechte von Schutzbedürftigen und die weitere Angleichung der Aufnahmebedingungen in der EU. Diese Vorschläge werden dazu führen, dass das Asylverfahren und die Beschlussfassung einfacher und schneller vonstatten gehen, Asylbewerber von Sekundärbewegungen abgehalten und die Integrationsaussichten der Menschen, die Anspruch auf internationalen Schutz haben, verbessert werden.

Hierzu Frans Timmermans, Erster Vizepräsident der Kommission: „Die EU braucht ein Asylsystem, das funktioniert und Schutz bietet, basierend auf gemeinsamen Regeln und dem Prinzip der Solidarität und der fairen Lastenteilung. Die vorgeschlagenen Reformen werden Gewähr dafür bieten, dass Personen, die wirklich Asyl benötigen, dieses auch rasch erhalten, aber diejenigen, die diesen Schutz nicht benötigen, schnell abgeschoben werden können. Mit den heutigen Vorschlägen liegt jetzt das gesamte Paket zur Reform der gemeinsamen europäischen Asylpolitik auf dem Tisch. Jetzt sind das Europäische Parlament und der Rat am Zuge.“

Der EU-Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, Dimitris Avramopoulos, erklärte dazu: „Heute legen wir den Schlussstein für eine umfassende Reform des gemeinsamen Asylsystems der EU vor. Die Änderungen werden ein echtes gemeinsames Asylverfahren schaffen und gewährleisten, dass die Asylbewerber gleich und korrekt behandelt werden, egal in welchem Mitgliedstaat sie ihren Antrag stellen. Gleichzeitig legen wir Asylbewerbern klare Pflichten auf, um Sekundärbewegungen und Verfahrensmissbrauch zu verhindern. Unser Ziel ist ein gemeinsames Asylsystem mit schnellen und effizienten Verfahren auf der Grundlage einheitlicher Regeln und des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten.“

Den heutigen Gesetzgebungsvorschlägen war ein erstes Vorschlagspaket vorausgegangen, das die Kommission am 4. Mai angenommen hatte, um das Gemeinsame Europäische Asylsystem entsprechend den in der europäischen Migrationsagenda und der Mitteilung der Kommission vom 6. April skizzierten Grundsätzen zu reformieren. Sie bezwecken ein solides, kohärentes und integriertes europäisches Asylsystem auf der Grundlage gemeinsamer, harmonisierter Regeln, die mit den Schutznormen der Genfer Konvention und den Grundrechtekatalogen im Einklang stehen.

 

Ein faires und effizientes gemeinsames EU-Verfahren

Die Kommission schlägt vor, die Asylverfahrensrichtlinie durch eine Verordnung zu ersetzen, mit der ein völlig vereinheitlichtes gemeinsames EU-Verfahren zur Beurteilung von Anträgen auf internationalen Schutz eingeführt wird. Damit sollen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei den Anerkennungsquoten eingeebnet, Sekundärbewegungen verhindert und gemeinsame, wirkungsvolle Verfahrensgarantien für Asylbewerber gewährleistet werden. Ziele des Vorschlags:

Vereinfachung, Präzisierung und Verkürzung der Asylverfahren: Das Verfahren soll verkürzt und gestrafft werden, so dass Entscheidungen binnen höchstens sechs Monaten getroffen werden. Kürzere Bearbeitungsfristen (ein bis zwei Monate) sind für unzulässige oder offensichtlich unbegründete Asylanträge oder im Falle des beschleunigten Verfahrens vorgesehen. Auch für die Einlegung eines Rechtsbehelfs werden Fristen eingeführt (zwischen einer Woche und einem Monat), ebenso für erstinstanzliche Entscheidungen über diesen Rechtsbehelf (zwischen zwei und sechs Monaten).

Einheitliche Garantien für Asylbewerber: Asylbewerber sollen ein garantiertes Anrecht auf ein persönliches Gespräch und kostenlosen Rechtsbeistand schon während des Verwaltungsverfahrens haben. Besondere Schutzvorkehrungen sind ferner vorgesehen für Asylbewerber mit besonderen Bedürfnissen und für unbegleitete Minderjährige, denen spätestens fünf Tage nach Antragsstellung ein Vormund zugewiesen werden sollte.

Strengere Regeln gegen Asylmissbrauch: Es werden neue Pflichten zur Zusammenarbeit mit den Behörden eingeführt sowie strenge Konsequenzen, wenn gegen diese Pflichten verstoßen wird. Bisher als Option vorgesehene Sanktionen bei Verfahrensmissbrauch, mangelnder Zusammenarbeit und Sekundärbewegungen werden künftig verbindlich vorgeschrieben; dazu zählen die Abweisung des Antrags als implizit zurückgezogen oder offensichtlich unbegründet und die Anwendung des beschleunigten Verfahrens.

Harmonisierte Regeln zu sicheren Herkunfts- und Drittstaaten: Die Kommission präzisiert die Anwendung des Konzepts der sicheren Herkunfts- und Drittstaaten und will dies verbindlich vorschreiben. Sie schlägt zudem vor, die nationalen Listen sicherer Herkunfts- und Drittstaaten binnen fünf Jahren ab Inkrafttreten der Verordnung durch europäische Listen zu ersetzen.

 

Einheitliche Schutznormen und Rechte

Asylbewerber sollten einheitliche Schutzrechte genießen, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat der Antrag gestellt wurde. Der Schutz sollte so lange wie notwendig gewährt werden. Um die Schutznormen in der EU zu harmonisieren und Sekundärbewegungen sowie das Asylshopping einzudämmen, schlägt die Kommission vor, die bestehende Anerkennungsrichtlinie durch eine neue Verordnung zu ersetzen. Ziele des Vorschlags:

Annäherung der Anerkennungsquoten und einheitlicherer Schutz: Vereinheitlicht werden sollen die Art des zuerkannten Schutzes und die Dauer der Aufenthaltsgenehmigung für Personen, die internationalen Schutz genießen. Die Mitgliedstaaten sollen verpflichtet werden, einschlägige Gutachten der Europäischen Asylagentur zur Lage im Herkunftsland der Asylbewerber zu berücksichtigen und interne Schutzalternativen zu bewerten. Dabei soll der Grundsatz der Nichtzurückweisung uneingeschränkt geachtet werden.

Strengere Regeln zur Ahndung von Sekundärbewegungen: Die fünfjährige Wartefrist, bevor Personen, die internationalen Schutz genießen, Anspruch auf eine langfristige Aufenthaltserlaubnis erhalten, beginnt jedes Mal neu, wenn der/die Betreffende in einem Mitgliedstaat angetroffen wird, in dem er/sie kein Aufenthaltsrecht genießt.

Schutz höchstens so lange wie nötig: Der Schutzstatus soll künftig obligatorisch überprüft werden; dabei sind beispielsweise Veränderungen in den Herkunftsländern zu berücksichtigen, die sich auf den Schutzbedarf auswirken könnten.

Mehr Integrationsanreize: Die Rechte und Pflichten von Personen, die internationalen Schutz genießen, im Hinblick auf Sozialversicherung und Sozialleistungen werden präzisiert; außerdem kann der Zugang zu bestimmten Sozialleistungen von der Teilnahme an Integrationsmaßnahmen abhängig gemacht werden.

 

Menschenwürdige und harmonisierte Aufnahmebedingungen in der gesamten EU

Schließlich schlägt die Kommission eine Reform der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen vor, damit Asylbewerber in der gesamten EU einheitliche, menschenwürdige Aufnahmebedingungen vorfinden, um Sekundärbewegungen vorzubeugen. Bestandteile dieser Reform:

Es wird gewährleistet, dass alle Mitgliedstaaten die von dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen erarbeiteten Normen und Indikatoren zu den Aufnahmebedingungen anwenden und Notfallpläne ausarbeiten und regelmäßig aktualisieren, um – auch bei unverhältnismäßigem Anstieg der Flüchtlingszahlen – in ausreichendem Umfang angemessene Aufnahmekapazitäten bereitzustellen.

Außerdem sollen die Mitgliedstaaten den Asylbewerbern bestimmte Wohnsitz- oder Meldeauflagen erteilen können. Damit wird gewährleistet, dass Asylbewerber erreichbar bleiben und nicht untertauchen. Hält sich ein Asylbewerber nicht an Wohnsitzauflagen und besteht die Gefahr des Untertauchens, dürfen die Mitgliedstaat die Betreffenden festsetzen.

Zudem wird klargestellt, dass der Anspruch auf angemessene Aufnahmebedingungen nur in dem zuständigen Mitgliedstaat besteht, und es werden eindeutigere Regeln vorgegeben, unter welchen Bedingungen im Rahmen der Aufnahme gewährte materielle Leistungen reduziert und wann finanzielle Zulagen durch Sachleistungen ersetzt werden können.

Ferner sollen Asylbewerber früher – d. h. spätestens sechs Monate nach Antragsstellung – Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, sofern die Standards des Arbeitsmarkts dies zulassen, um ihre Abhängigkeit von Leistungen der öffentlichen Hand zu verringern.

Besondere gemeinsame Schutzvorkehrungen sind ferner vorgesehen für Asylbewerber mit besonderen Bedürfnissen und für unbegleitete Minderjährige, denen spätestens fünf Tage nach Antragstellung ein Vormund zugewiesen werden sollte.

 

Hintergrund

Bei Amtsantritt übertrug Kommissionspräsident Juncker einem Kommissar, Dimitris Avramopoulos, die Verantwortung für den Bereich Migration und beauftragte ihn, in vom Ersten Vizepräsidenten Frans Timmermans koordinierter Zusammenarbeit mit den anderen Kommissaren eine neue Migrationspolitik auszuarbeiten, die zu den zehn Prioritäten der Politischen Leitlinien der Juncker-Kommission gehört.

Am 13. Mai 2015 hat die Europäische Kommission in der Europäischen Migrationsagenda eine weitreichende Strategie vorgeschlagen, um zum einen die unmittelbare Krise zu bewältigen und zum anderen der EU die erforderlichen Instrumente an die Hand zu geben, um mittel- und langfristig durch die Migration aufgeworfene Fragen in den Bereichen irreguläre Migration, Grenzen, Asyl und legale Zuwanderung besser zu lösen. Zur Umsetzung dieser Agenda hatte die Kommission schon im vergangenen Jahr – am 27. Mai, 9. September und 15. Dezember – drei Vorschlagspakete vorgelegt.

Am 6. April 2016 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Mitteilung, mit der das Verfahren zur Reformierung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems in Angriff genommen wurde, wie von Präsident Juncker in seinen Politischen Leitlinien angekündigt und in der europäischen Migrationsagenda dargelegt.

Anschließend am 4. Mai 2016 legte die Kommission ein erstes Reformpaket vor. Darin enthalten waren Vorschläge zur Einrichtung eines nachhaltigen und fairen Dublin-Systems, eine Stärkung des Eurodac-Systems und die Errichtung einer Europäischen Asylagentur.

In der Mitteilung vom 6. April hatte die Kommission auch das Ziel anvisiert, die irreguläre Migration u. a. durch die Schaffung sicherer und legaler Zuwanderungsmöglichkeiten in die EU für Schutzbedürftige einzudämmen. Zum heutigen Paket zählt auch ein Vorschlag über eine Rahmenregelung für die Neuansiedlung von Flüchtlingen.

 

Links

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens in der Union und zur Aufhebung der Richtlinie 2013/13/EU

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Normen für die Anerkennung des Anspruchs von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes und zur Änderung der Richtlinie 2003/109/EG vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Neufassung)