Gebühren für türkische Staatsangehörige überhöht

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Das Verwaltungsgericht Achen hat mit Urteil vom 14.03.2012 (Az.: 8 K 1159/10) entschieden, dass türkische Staatsangehörige wegen des Verschlechterungsverbots des EU-Türkei-Assoziationsrechts (Art. 13 des Assoziationsratsbeschlusses ARB 1/80, die Standstill-Klausel trat am 1. 12. 1980 in Kraft) und wegen des Diskriminierungsverbots nach Art. 10 ARB 1/80 einen Anspruch auf Erstattung überhöhter Gebühren haben. Es dürfen von den Betroffenen Gebühren nur in einer solchen Höhe erhoben werden, wie sie bereits zum Inkrafttreten des Abkommens galten: statt 135 Euro für eine Daueraufenthaltserlaubnis als elektronischer Aufenthaltstitel (eAT) nur 30,68 Euro, entsprechend der Gebührenverordnung vom 20.12.1977!

Das VG lässt sogar noch offen, ob überhaupt Gübühren hätten erhoben werden dürfen, weil die aktuelle Vorschrift wegen des doppelten Verstoßes gegen das Assoziationsrecht womöglich gar nicht mehr als Rechtsgrundlage herangezogen werden darf. Es lässt auch offen, ob bei der Beurteilung der Frage, ob eine verbotene Verschlechterung vorliegt, die Gebühren von 1977 jedenfalls inflationsbedingt hätten angehoben werden dürfen; hier gibt es unterschiedliche Auffassungen in der Literatur, weil auch bei einer Berücksichtigung der Inflation unter dem Strich eine Erhöhung erfolgt ist. Für das Diskriminierungsverbot ist dies ohnehin nicht entscheidend.

Das VG stellt eindeutig fest (S. 34 f), dass die hohen Gebühren auch nicht mit dem Material- und Verwaltungsaufwand infolge der Einführung des eAT begründet werden können.

Soweit eine Kostenentscheidung mündlich erfolgte, kann die Gebührenhöhe in einer Jahresfrist, d.h. auch rückwirkend, angefochten werden (S. 26)! Bei schriftlichem Bescheid gilt die einmonatige Frist. In der Praxis gibt es sowohl mündliche als auch schriftliche Kostenbescheide.

Sevim Dagdelen von der Fraktion DIE LINKE hat hierzu folgende Pressererklärung herausgegeben: 

"Die hohen Gebühren für die neuen elektronischen Aufenthaltstitel sind europarechtswidrig und dürfen so nicht länger erhoben werden, jedenfalls soweit es türkische Staatsangehörige betrifft. Das ergibt sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und wurde kürzlich vom Verwaltungsgericht in Aachen bestätigt. Die Bundesregierung und die Bundesländer müssen diese unrechtmäßige Praxis sofort einstellen! Den Betroffenen empfehle ich, Widerspruch einzulegen und für ihre Rechte zu kämpfen", erklärt Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, angesichts des Urteils des VG Aachen 8 K 1159/10 nach mündlicher Verhandlung am 14. März 2012. Dagdelen weiter:

„Es ist pure Heuchelei, wenn die Bundesregierung von Migrantinnen und Migranten ständig die Beachtung der Rechtsordnung einfordert, selbst aber europäisches Recht aus politischem Kalkül bewusst missachtet. Seit mehr als zwei Jahren ignoriert die Bundesregierung selbst auf hartnäckige Nachfragen meinerseits, dass die Gebühren für Aufenthaltstitel bei türkischen Staatsangehörigen gegen das EU-Türkei-Assoziationsrecht verstoßen. Die Bundesregierung und die Bundesländer nutzen offenkundig die schwierige und komplizierte Rechtslage aus. Viele Betroffene kennen ihre Rechte nicht oder haben verständlicherweise Skrupel, rechtsanwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Doch das sollten die Betroffenen meines Erachtens jetzt tun und gegen die unrechtmäßigen und überhöhten Gebühren Widerspruch einlegen. Ist eine Kostenentscheidung nur mündlich erfolgt, ist dies binnen Jahresfrist sogar rückwirkend möglich.

Das Verwaltungsgericht Aachen hat im März 2012 entschieden, dass statt der rechtlich vorgesehenen 135 Euro für eine Daueraufenthaltserlaubnis nur gut 30 Euro zu zahlen waren. Das Gericht stellte sogar die Frage, ob angesichts der Verstöße gegen Europarecht überhaupt eine Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung gegeben sei. Grund ist das so genannte Verschlechterungsverbot des Assoziationsrechts, das arbeits- und aufenthaltsrechtliche Verschärfungen gegenüber türkischen Staatsangehörigen untersagt.

Die Bundesregierung und die Bundesländer sind aufgefordert, ihre rechtswidrige Praxis sofort einzustellen und die Abzocke türkischer Staatsangehöriger zu beenden."

Einzelheiten in der Onlinekommentierung zu Art. 13 ARB 1/80

Zur Entscheidung des VG Aachen (für Mitglieder)