Lange Wartezeiten und Ungleichbehandlung im Visumverfahren

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Antwort der Bunderegierung Drucksache 17/12476 vom 19. 02. 2013 auf die Kleine Anfrage – Drucksache 17/10399 –.

Auszug:

Das Auswärtige Amt unternimmt vor diesem Hintergrund eine Reihe von Maßnahmen, um die Effizienz und die Kundenfreundlichkeit des Visumverfahrens weiterhin zu gewährleisten und zu erhöhen.

Zu ihnen gehört in erster Linie die Auslagerung der Antragsannahme an externe Dienstleistungserbringer.

Sie erlaubt dem Antragsteller eine Antragsabgabe innerhalb von 48 Stunden. Damit können die bisherigen Wartezeiten in vielen Fällen deutlich verkürzt werden. Externe Dienstleistungserbringer verfügen darüber hinaus über die notwendige Flexibilität, ihre Antragsannahmekapazitäten auch starken saisonalen Schwankungen des Antragsvolumens anzupassen. Den Visastellen an den deutschen Auslandsvertretungen sind demgegenüber oftmals bereits bauliche Grenzen gesetzt. Neben der Verkürzung der Wartezeiten erlaubt die Zusammenarbeit mit den externen Dienstleistungserbringern in vielen Ländern die Errichtung von Antragsannahmezentren auch an Orten, in denen keine berufs- oder honorarkonsularische Vertretung mit Visastelle vorhanden ist. Damit verkürzen sich gerade in großen Flächenstaaten die Wege für die Antragsteller in entscheidender Weise. Für sie ist die Entrichtung einer Servicegebühr an den Dienstleistungserbringer viel wirtschaftlicher als eine teure Anreise zur nächstgelegenen Auslandsvertretung. In neun der 15 wichtigsten Herkunftsländer wird die Auslagerung vorbereitet bzw. bereits durchgeführt. Der Anteil dieser Länder am weltweiten Visumaufkommen beträgt ca. 62 Prozent. Iran, Weißrussland und Kosovo gehören ebenfalls zu den 15 wichtigsten Herkunftsländern. Dort ist jedoch eine Auslagerung der Antragsannahme an externe Dienstleistungserbringer aus einer Reihe von Gründen nicht vorgesehen. In Thailand, Kasachstan und Ägypten befindet sich die Auslagerung der Antragsannahme noch im Prüfungsstadium.

Die Auslagerung der Antragsannahme ist juristisch gut begründet und steht auf sicherer europarechtlicher Grundlage: Sie ist aus Sicht der Bundesregierung dort, wo sie vorgesehen ist, sogenanntes „letztes Mittel“ im Sinne des Artikel 40 Visakodex. Die Bundesregierung sieht die Systematik des Artikel 40 Absatz 3 Visakodex wie folgt:

Grundsätzlich sind die Visastellen der Auslandsvertretungen für die Antragsannahme zuständig (vgl. auch Artikel 40 Absatz 1 Visakodex). Die Mitgliedstaaten können gemäß Artikel 40 Absatz 3 Visakodex dann mit externen Dienstleistungserbringern zusammenarbeiten, wenn besondere Umstände vorliegen (die in den Buchstaben a und b genannten Fälle sind Beispielsfälle, wie der Begriff „etwa“ deutlich macht) und die Formen der Zusammenarbeit nach Artikel 40 Absatz 2b Visakodex ungeeignet sind. Besondere Umstände liegen beispielsweise dann vor, wenn bauliche Gründe der ordnungsgemäßen Durchführung des Visumverfahrens einschließlich der Erfassung der biometrischen Daten entgegenstehen. Auch die hier erwähnten Formen der Zusammenarbeit sind derzeit keine valable Alternative: Im Rahmen der „Schengenzusammenarbeit“ (Vertretung eines Schengenpartners durch einen anderen Schengenpartner) wird Deutschland zwar gegenwärtig an 25 ausschließlich kleineren Dienstorten vertreten; an den Dienstorten, an denen angesichts der hohen Antragszahlen ausgelagert wird, sieht sich jedoch kein Schengenpartner in der Lage, Deutschland zu vertreten. Die „gemeinsame Unterbringung“ unterliegt ebenfalls engen Grenzen.Wir streben zwar weltweit verstärkte Kollokationen mit Schengen-Partnern an. Angesichts unserer hohen Antragszahlen verfügt allerdings kein Schengenpartner über die räumlichen Ressourcen, um dauerhaft deutsche Konsularbeamte und Ortskräfte aufzunehmen, die in der Visastelle des Schengenpartners Anträge entgegennehmen und bearbeiten würden. „Gemeinsame Visumantragstellen“: Wir streben auch solche Lösungen an. Die Einrichtung solcher Stellen erfordert allerdings einen sehr hohen Koordinationsaufwand unter den Schengenpartnern. Dieser Lösungsansatz verspricht damit keine kurz- oder mittelfristige Abhilfe. Daher ist die Auslagerung als sogenanntes „letztes Mittel“ rechtlich einwandfrei begründet. So haben auch zahlreiche andere Schengen-Mitgliedstaaten bereits ausgelagert bzw. sind im Begriff, dies zu tun.

Zudem ermöglicht die Auslagerung dem Auswärtigen Amt eine „… gute geographische Abdeckung des betreffenden Drittstaats“ im Sinne des Artikel 40 Absatz 3 Buchstabe b) Visakodex zu gewährleisten. Die Auslagerung ist nicht nur juristisch gut begründet. Auch politisch hält die Bundesregierung sie für eine vorteilhafte Weiterentwicklung des Visumverfahrens. Sie verspricht sich davon die bereits oben erwähnten Vorteile größerer Flexibilität und Kundenfreundlichkeit.

Neben der Auslagerung setzen die Auslandsvertretungen weitere Maßnahmen zur Verkürzung der Wartezeiten um. Wie bereits in der Antwort auf Frage 5 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/ 10022 dargelegt, reagiert das Auswärtige Amt mit einer Reihe von personellen Maßnahmen auf lange Wartezeiten. In der Antwort zu Frage 28 der genannten Anfrage wird darüber hinaus erläutert, dass das Auswärtige Amt seine Auslandsvertretungen angewiesen hat, verstärkt von der im Visakodex vorgesehenen Möglichkeit der Erteilung von Visa mit ein- oder mehrjähriger Gültigkeitsdauer zur mehrfachen Einreise Gebrauch zu machen. Auch dies ist eine Maßnahme, die Wartezeiten zu verkürzen. Es ist der Bundesregierung bekannt, dass die Wartezeiten trotz bereits eingeleiteter Maßnahmen an einigen Visastellen bedauerlicherweise vorübergehend über der Regelwartezeit von zwei Wochen liegen. Dies wurde bereits in den Antworten zu den Fragen 3 und 37 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/10022 mitgeteilt.

Einen Verstoß gegen den Visakodex vermag die Bundesregierung jedoch nicht zu erkennen: Artikel 9 Absatz 2 Satz 2 Visakodex legt eine Regelwartezeit von zwei Wochen fest. Daraus folgt, dass eine – ausnahmsweise – Überschreitung dieser Wartezeit nicht gegen den Visakodex verstößt.

Das „Handbuch für die Bearbeitung von Visumanträgen und die Änderung von bereits erteilten Visa“ zur einheitlichen Umsetzung des Visakodex (Beschluss der Europäischen Kommission vom 19. März 2010 K (2010)1620, im Folgenden: Visakodex-Handbuch) ändert daran nichts: Es stellt klar, dass die Kapazitäten so anzupassen sind, dass die Frist auch in Stoßzeiten eingehalten wird. Wie bereits in der Antwort zu Frage 9 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/10479 ausgeführt wurde, enthält das Visakodex-Handbuch aber keine neuen rechtlichen Verpflichtungen, sondern Empfehlungen. Der Umstand, dass das Visakodex-Handbuch in Form eines Beschlusses der Kommission verabschiedet worden ist, ändert nichts an dessen rechtlich unverbindlichem Charakter. In der Anlage findet sich eine Aufstellung der Wartezeiten an den Visastellen in den 25 wichtigsten Ländern mit Stand von Ende Juli 2012. Dabei handelt es sich um eine Momentaufnahme, die Fluktuationen bei der Nachfrage nicht berücksichtigen kann. Das Auswärtige Amt führt keine nach Tagen aufgeschlüsselte Statistik über die einzelnen Wartezeiten an allen seinen 180 Visastellen. Daher lässt sich nicht errechnen, wie viele Anträge pro Jahr von Wartezeiten über zwei Wochen betroffen sind. Erneut wird darauf hingewiesen, dass in den zur Rede stehenden Ländern nur ein kleiner Teil der Visumanträge längeren Wartezeiten unterliegt. Er ist nicht mit dem Anteil dieser Länder am weltweiten Visumaufkommen identisch.

Zur Antwort:

icon Antwort der Bundesregierung zu langen Wartezeiten im Visumantragsverfahren vom 19.02.2013 (105.57 kB)