Die Gebühren für Aufenthaltstitel türkischer Staatsangehöriger sind mit Unionsrecht unvereinbar

Anzeige Werbung Kanzleien Anzeige

Die Online-Kommentierung zu Art. 13 ARB 1/80, die für jedermann zugänglich ist, zeigt die Grundsätze auf, aus den sich ergibt, dass die Gebühren für Aufenthaltstitel türkischer Staatsangehöriger gegen die Stillhalteklauseln des Assoziationsrechts verstoßen.

Nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Sahin vom 17.09.2009 (C-242/06) wird auch die Einführung bzw. Erhöhung einer Gebühr für die Ausstellung eines Aufenthaltstitels bei Arbeitnehmern von der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 erfasst. Dabei liegt ein Verstoß gegen die Stillhalteklausel nicht bereits deshalb vor, weil eine Gebühr gegenüber dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Stillhalteklausel erhöht wird. Denn weder die Einführung neuer Gebührentatbestände noch die Erhöhungen bestehender Gebühren sind per se mit Art. 13 ARB 1/80 unvereinbar. Allein die Anpassung einer Gebühr an die Inflationsrate führt zu keiner Verschärfung der Bedingungen für den Arbeitsmarktzugang, da die tatsächliche Belastung gleich geblieben ist.

Maßgeblich für das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Stillhalteklausel sind drei Gesichtspunkte:

  • Die aktuell festgesetzte Gebühr muss inflationsbereinigt die Gebührenhöhe übersteigen, die seit dem Inkrafttreten der Stillhalteklausel für türkische Staatsangehörige am niedrigsten gewesen ist.
  • Die Gebühr darf nicht geringer sein, als die Gebühr die EU-Bürger zu zahlen haben, um einen Verstoß gegen Art. 59 ZP zu vermeiden.
  • Die Gebühr darf nicht unverhältnismäßig höher sein, als die Gebühr, die EU-Bürger zu zahlen haben.

Die aktuellen Gebührensätze für türkische Staatsangehörige liegen deutlich über den Gebühren für Titel für EU-Bürger und ihrer Familienangehörigen, sodass Art. 59 ZP einer Reduzierung der Gebührensätze für türkische Staatsangehörige nicht entgegensteht:

Visum: EU-Bürger und ihre Familienangehörigen kostenfrei; türkische Staatsangehörige 60 € (315% Unterschied zur inflationsbereinigten vormaligen Gebühr von 19 €).

Erteilung der Aufenthaltserlaubnis: EU-Bürger und ihre Familienangehörige maximal 28,80 €, türkische Staatsangehörige mindestens 100 € (290 % Unterschied zur inflationsbereinigten vormaligen Gebühr von 29 €).

Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis: EU-Bürger und ihre Familienangehörigen maximal 28,80 €; türkische Staatsangehörige mindestens 80 € (210 % Unterschied zur inflationsbereinigten vormaligen Gebühr von 38 €)

Unbefristeter Aufenthaltstitel: EU-Bürger und ihre Familienangehörigen maximal 28,80 €, türkische Staatsangehörige mindestens 135 € (290 % Unterschied zur inflationsbereinigten vormaligen Gebühr von 47 €).

Ein Verstoß gegen die Stillhalteklausel ist anzunehmen, da die Gebührensätze im Verhältnis den Gebührensätzen von EU-Bürgern unverhältnismäßig sind. Auch unter Berücksichtigung des gestiegenen Verwaltungsaufwands ist die Erhöhung der Gebührensätze mit den Stillhalteklauseln unvereinbar. Steigt der Verwaltungsaufwand, so können diese Kosten grundsätzlich weitergegeben werden, ohne dass dies zu einer Unverhältnismäßigkeit der Gebührensätze führen würde. Sofern der Aufwand für EU-Bürger bzw. ihre Familienangehörigen dem gleichen Verwaltungsaufwand unterliegt, ist eine Ungleichbehandlung bei den Gebührensätzen aber nur dann gerechtfertigt, wenn das EU-Recht die Gebührensätze unabhängig von dem Verwaltungsaufwand festlegt. Da der Art. 25 Abs. 2 RL 2004/38/EG mit seinem Verweis auf die Kosten vergleichbarer Ausweispapiere für Inländer von einer Kostendeckung für Amtshandlungen gegenüber Inländern ausgeht, sind Gebühren, die höher sind als diejenigen, die EU-Bürger zu zahlen haben, nicht zu rechtfertigen.

Weitere Einzelheiten finden sie in der Online-Kommentierung zu Art. 13 ARB 1/80