Gestern wurde der lang erwartete Beschluss des Rats der EU über die Visapolitik gegenüber der Türkei bekannt gegeben. Es braucht wenig, um zu erkennen, wer der Gewinner eines lang anhaltenden Streits ist. Die EU hat sich gegenüber der Türkei weitgehend durchgesetzt.
Der Beschluss hat an der für die Visaerleichterungen maßgeblichen Stelle folgenden Wortlaut:
"Invites the European Commission, in parallel to the signature of the readmission agreement between Turkey and the EU, to take steps towards visa liberalisation as a gradual and long term perspective within the above mentioned cooperation framework. Such cooperation should be established on the basis of an Action Plan and progress would be founded on a performance based approach and conditioned on an effective and consistent implementation by Turkey of those requirements vis-à-vis the EU and its Member States. Such requirements should in particular, while upholding international obligations, include an effective and full implementation of the readmission agreement vis-à-vis all Member States and effective cooperation on JHA issues with all Member States, a better management of mixed migration flows at its borders, and further alignment with the EU acquis, especially in respect of the visa policy and those third countries whose nationals constitute a significant source of the mixed migratory flows towards the EU and as regards reciprocity, as well as its asylum legislation."
Der Beschluss liegt weit hinter der Perspektive einer Visafreiheit. Das Wort Visafreiheit taucht in dem Beschluss nicht auf. Vielmehr wird nur von Visaerleichterung gesprochen.
Die türkische Regierung wertet die Perspektive einer Visafreiheit ohne verbindliche zeitliche Vorgaben als großen Erfolg. Nur weil die Kommission jetzt ein Mandat bekommt über die Visaliberalisierung zu verhandeln heißt es längst nicht, dass am Ende ein verbindlicher Beschluss über die Visafreiheit heraus kommen wird.
Die EU wollte offenbar vor der Übernahme der EU Präsidentschaft durch Zypern einige Beschlüsse voran bringen und zugleich der Türkei signalisieren, dass weiterhin ein Interesse am EU Beitritt bestehe. Die Türkei will einigen Berufsgruppen auf dem der wirtschaftliche Erfolg des Landes beruht (wie Geschäftsleute) Hürden bei der Visavergabe ausräumen. Zudem wird zur Schau gestellt, dass einige EU-Länder außenpolitisch nieder gerungen wurden, da nun wie von der Türkei gewünscht die EU Kommission in Augenhöhe mit der Türkei verhandele.
Ein Aktionplan soll es nun richten. Der gutinformierte Brüssel Korrespondent Zeynel Lüle fasst diesen Aktionsplan etwas euphorisch zusammen. Cecilia Malmström soll für die Kommission mit der Türkei die Details aushandeln. Sie soll Ende Juni der Türkei einen Besuch abstatten und erklären, dass der Prozess über die Visafreiheit begonnen wurde. Im Herbst soll die EU der Türkei den konkreten Aktionsplan vorstellen.
Falls die Türkei diesen Aktionsplan akzeptiert, soll es das Rückübernahmeabkommen unterzeichnen. Anschließend soll das türkische Parlament das Rückübernahmeabkommen absegnen.
Der Aktionsplan sieht Visaerleichterung für einige Berufs-oder Personengruppen vor. Es beinhaltet jedoch viele Forderungen gegenüber der Türkei . Die Türkei muss noch viele Reformen vornehmen:
- Türkische Nationalpässe müssen alle biometrisch sein.
- Die Türkei muss mit der Frontex enger kooperieren.
- Zweiseitige Rückübernahmeabkommen mit Griechenland und Bulgarien sollen in Vollzug gesetzt werden.
- Verstärkte Zusammenarbeit mit Europol. Anpassung an die Visapolitik der EU (Die Türkei hat in letzter Zeit mit sehr vielen Ländern gegenseitige Visabefreiungen beschlossen).
- Anpassung an die Migration- und Asylpolitik der EU.
Laut Herrn Lüle soll die Phase der Visaerleichterung ca. drei Jahre andauern, bevor die Visafreiheit eingeführt werde. Die EU sprich von einer „long term perspective". Sie will das Wirksamwerden und Funktionieren des Rückübernahmeabkommens und der sonstigen Forderungen abwarten, bevor weitere Schritte beschlossen werden. Bei einem derart schwammigen Beschluss des Rates fällt es schwer diesen Optimismus von Herrn Lüle zu teilen.
Die Türkei wäre gut beraten, sich eine Kündigung des Rückübernahmeabkommens vorzubehalten. Außerdem müsste sie paraphieren, dass sie nach wie vor rechtlich von der Visafreiheit ausgehe, so lange der EuGH diese Frage nicht abschließend bewertet hat. Das Verfahren Demirkan wird die entscheidenden Impulse geben, wer künftig mehr Abstriche bei den Forderungen machen muss.
Bereits jetzt hat Großbritanien seine Visapolitik gegenüber türkischen Investoren in Folge der Entscheidung Tum&Dari geändert. Die Niederlande sind nach Urteilen niederländischer Gerichte dazu übergegangen Aufenthaltstitel für türkische Selbständige und Dienstleister auch im Inland zu ermöglichen, ohne diesen einen Visumsverstoß entgegen zu halten. Die Visafront bröckelt auch durch Urteile einiger deutscher Gerichte.
Wie hoch ist also der Preis, den die Türkei bereit ist, für die in Aussicht gestellte Visafreiheit einiger Personengruppen zu zahlen?
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