Infolge eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs können türkische Staatsangehörige von nun an "zur kurzfristigen Inanspruchnahme der Dienstleistungsfreiheit" visumsfrei nach Deutschland einreisen. Das hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine mündliche Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Parlament indirekt bestätigt (Plenarprotokoll 16/210, S. 22709). Betroffen sind davon beispielsweise Touristinnen und Touristen, Geschäftsleute, Kunstschaffende oder auch Personen, die eine Krankenhausbehandlung in Deutschland durchführen lassen wollen.
Der Parl. Staatssekretärs Peter Altmeier antwortete auf die Frage des Abgeordneten Dr. Norman Paech (DIE LINKE) (Drucksache 16/12246, Frage 58):
"Das „Soysal“-Urteil des EuGH entfaltet in diesem Zusammenhang keine Wirkung. Es betrifft allein die visumfreie Einreise türkischer Staatsangehöriger zur kurzfristigen Inanspruchnahme der Dienstleistungsfreiheit, so wie sie durch das im Jahre 1973 geltende deutsche Ausländerrecht vorgesehen war. Das Urteil ändert daher nichts an der Visumpflicht türkischer Staatsangehöriger für Aufenthalte, die länger als drei Monate dauern und demzufolge auch nichts an dem Sprachnachweiserfordernis für den Ehegattennachzug zu in Deutschland lebenden Türken."
Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE erklärt dazu:
"Bislang war die Reichweite des so genannten Soysal-Urteils des Europäischen Gerichtshofs (Rechtssache C-228/06, Urteil vom 19. Februar 2009) umstritten. Das Urteil besagt, dass infolge eines Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Türkei keine strengeren Visumsregelungen gelten dürfen als zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Protokolls, d.h. zum 1. Januar 1973. Die allgemeine Visumspflicht für türkische Staatsangehörige wurde jedoch erst 1980 eingeführt. Der Gerichtshof stellte in seinem Urteil klar, dass diese Verschärfung der Visumsbestimmungen mit dem Zusatzprotokoll des Assoziierungsabkommens unvereinbar war und mithin die alten Regelungen weiter gültig sind.
Die Bundesregierung hat bislang versucht, die Auswirkungen des Urteils auf den Einzelfall bzw. auf Dienstleistungserbringer zu beschränken - der erfolgreiche türkische Kläger war Lastwagenfahrer im grenzüberschreitenden Verkehr. Das Urteil betrifft jedoch die Dienstleistungsfreiheit insgesamt, darin sind sich Ausländerrechtsexperten bislang auch weitgehend einig. Die Bundesregierung sieht das offenbar genauso - wie ihre gestrige Antwort zeigt, nur traut sie sich nicht, es auch öffentlich zu sagen."
Pressemitteilung
19.03.2009 - Sevim Dagdelen
Die Drucksache ist hier als download erhältlich
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