Zur heutigen Sachverständigenanhörung im Innenausschuss zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum "Zwangsheiratsbekämpfungsgesetz" erklären Josef Winkler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Sprecher für Flüchtlingspolitik, und Memet Kilic, Sprecher für Migrations- und Integrationspolitik:
Schwarz-Gelb will eine fatale Unkultur des Misstrauens und der Verdächtigungen gegenüber Migrantinnen und Migranten in Gesetze gießen. Der Integration dient das nicht im Geringsten. Im Schnellverfahren will die Koalition massive Verschärfungen im Ausländerrecht durchdrücken, die sie uns auch noch als "Liberalisierung" verkaufen will. Insbesondere die FDP leidet offenbar unter Realitätsverlust.
Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll die Aufenthaltserlaubnis nur für jeweils höchstens ein Jahr verlängert werden, bis die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nachgewiesen ist. Die Bundesregierung unterstellt damit, dass Eingewanderte kein Interesse am Erlernen der deutschen Sprache hätten und versucht sie so als Integrationsverweigerer zu stigmatisieren.
Schwarz-Gelb will weiterhin die Ehebestandszeit für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht von ausländischen Ehegatten von zwei auf drei Jahre verlängern - angeblich, um Scheinehen besser aufdecken zu können. Dabei gibt es überhaupt keinen Nachweis dafür, dass die Dauer der Ehebestandszeit die Zahl der Scheinehen beeinflusst. Die Verlängerung der Mindestehebestandszeit trifft auch die Opfer von Zwangsverheiratungen. Das führt zu einer gravierenden Verschlechterung der Situation der Opfer. Schon heute bleiben viele misshandelte Migrantinnen aus Angst vor einer Abschiebung in einer ungewollten oder gar gewalttätigen Ehe. In Zukunft sollen sie noch ein Jahr länger in dieser Lebenssituation ausharren.
Zwar hat die Bundesregierung endlich eingesehen, dass Opfern von Zwangsehen, die gegen ihren Willen in das Ausland verschleppt und verheiratet wurden, ein Rückkehrrecht eingeräumt werden muss. Allerdings greifen die Vorschläge zu kurz. Die Bundesregierung knüpft die Rückkehrmöglichkeit nämlich an eine positive Integrationsprognose. So macht die Bundesregierung den Menschenrechtsschutz tatsächlich vom Portemonnaie und Bildungsgrad des Opfers abhängig.
Auf Vorschlag des Bundesrates ist eine "Bleiberechtsregelung" für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende vorgesehen. Das ist zwar ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Die Koalition will die Regelung jedoch zum Nachteil der Jugendlichen verschärfen: Eltern bleibeberechtigter Jugendlicher sollen nur dann eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn ihr Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit vollständig (statt: überwiegend) gesichert ist. Daran werden aufgrund der Arbeitsmarktsituation viele Betroffene scheitern.
Wir bleiben daher bei unserer Forderung nach einer wirksamen und stichtagsunabhängigen gesetzlichen Bleiberechtsregelung im Aufenthaltsgesetz.
(c) Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen