GENF ? Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat eine Studie von Prof. Dr. Philip Martin über Händler von Arbeitskraft, Menschenhandel und den Schmuggel von Migranten veröffentlicht.
Im Jahre 2000 war der Höchststand von weltweit 86 Millionen Arbeitsmigranten - d.h. Personen, die außerhalb ihres Geburtslandes oder des Landes ihrer Staatsangehörigkeit arbeiten- erreicht. Prof. Martin weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Rolle von privaten Vermittlern trotz ihrer Bedeutung zu den am wenigsten untersuchten Aspekt internationaler Wirtschaftsmigration gehört.
Es gibt verschiedene Institutionen, die Migranten bei der Überquerung von Grenzen behilflich sind: arbeitnehmersuchende Arbeitgeber, staatliche Arbeitsvermittlungsagenturen, die örtliche Arbeitskräfte in Jobs im Ausland vermitteln, Soziale Netzwerke wie Freunde und Familie, die im Ausland sind und Migranten beim Grenzübertritt und bei der Arbeitssuche helfen und letztlich private Personalvermittler.
Es gibt wenige staatliche Vermittlungsdienste, die potentielle Migranten innerhalb ihrer gewöhnlichen Listen registrieren. Diejenigen Dienste, die derartige Leistungen anbieten, betreiben zumeist selbständige Agenturen zu diesem Zweck, wie Mexiko, Moldavien und die Philippinen. Auch haben Niederlassungen der öffentlichen Vermittlungsdienste des Entsendelandes im Gastland gemeinhin die Aufgabe, die Rechte zu sichern und Schutz zu gewähren. Sie zielen hingegen beinahe nie darauf, die Arbeitssuche und ?vermittlung im Gastland zu unterstützen.
In vielen Industriestaaten wenden sich Arbeitgeber häufig nicht an die staatlichen Vermittlungsbehörden, sondern an private Firmen, die ihre Dienste insbesondere für die Suche nach saisonalen und Kurzzeitarbeitskräften zur Verfügung stellen. Berichte aus vielen Ländern stärken die Vermutung, dass gebührenfordernde private Vermittler oft in Aktivitäten verwickelt sind, die quasi-legal oder illegal sind und die nicht ILO ?Konventionen und Empfehlungen entsprechen. So helfen sie Migranten oftmals unter Verletzung nationaler Einreisevorschriften über die Grenze, sie fordern von ihnen die Unterzeichnung von Zusatzvereinbarungen, die die ursprünglich vereinbarten Vermittlungsgebühren bei weitem übersteigen und sie sind nicht selten in Menschenschmuggel und ?handel involviert, der zu starker Unterwerfung der Migranten bis hin zu Sklaverei führen kann.
Die Gebühren von privaten Vermittlern hängen primär von dem Einkommensunterschied in den Ländern ab. Darüber hinaus können auch andere Faktoren wie die Art der Arbeit, die Aussichten für einen längerfristigen Aufenthalt und die Aufstiegsmöglichkeiten die Zahlungsbereitschaft der Migranten beeinflussen.
Nach Prof. Martins Einschätzung sind die Vermittlungsgebühren zu Beginn der Wirtschaftsmigration am höchsten. Nachdem die Migranten sich im Ausland niedergelassen haben, haben sie Zugang zu sozialen Netzwerken und sie mögen oft auch alternative Wege sehen, in ein anderes Land zu gelangen und dort zu arbeiten, etwa als Touristen oder um Verwandte zu besuchen und dann im Land zu bleiben.
Länder wie die Philippinen versuchen die Vermittlungsgebühren auf ein Monatsgehalt eines typischen Zweijahresvertrages zu begrenzen. Dennoch berichtet der Leiter des ILO Migrations Programms Manolo Abella, dass ?die Gebührengrenzen weitgehend missachtet werden ? oft in Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern?. Daraus lässt sich ableiten, dass wenn der Lohnunterschied groß genug ist, Migranten willens sind, mehr als einen Monatslohn zu zahlen, ungeachtet einer etwaigen begrenzenden Regierungsverordnung. Nur wenige Staaten überwachen die tatsächlichen Gebühren von privaten Vermittlern. Eine Umfrage unter männlichen Migranten in Kuwait ergab, dass 75 % der Migranten aus Sri Lanka private Personalvermittler benutzt und dafür durchschnittlich fast vier Monatsgehälter ihres 200 US-Dollar-Gehaltes gezahlt haben. Menschen aus Bangladesh, von denen die Hälfte über private Vermittler ins Land gekommen war, zahlten die höchsten Gebühren in Höhe bei dem geringsten monatlichen Einkommen von durchschnittlich eines Jahresgehaltes von monatlich 150 US Dollar.
Die International Arbeitsorganisation (ILO) hat sich in der Konvention 181 und den Richtlinien aus dem Jahre 1997 mit privaten Arbeitsvermittlungsagenturen befasst und darin zum Ausdruck gebracht, dass wenn möglich, Migranten unter Führung von staatlichen Vermittlungsdiensten gebührenfrei die Grenze überqueren sollten. Staatlichen Arbeitsvermittlungsdiensten haben im Kontext von bilateralen Abkommen an Bedeutung gewonnen.
Deutschland war dabei der Prototyp des Ziellandes von Gastarbeitern und deutsche Arbeitgeber haben nach diesen Abkommen ihre Arbeitskräfte weitgehend in Übereinstimmung mit den Anforderungen eingestellt, die die ILO-Konvention 97 aus dem Jahre 1949 stellt.
1975 waren Länder, die Gastarbeiter anwarben, über die steigende illegale Einwanderung besorgt und auch über die ungenügende Integration der Zuwanderer, die sich niedergelassen hatten. Die ILO-Konvention 143 rief die Regierungen zur verstärkten Bekämpfung der illegalen Einwanderung und zur Förderung der Integration von Migranten auf. Dazu gehörte die Einführung von Sanktionen für Arbeitgeber, die nicht genehmigte Arbeitnehmer einstellten, und die internationale Zusammenarbeit mit dem Ziel, das Schmuggeln von Migranten zu verringern. Die Konvention 143 fordert außerdem die Gleichbehandlung von Migranten und Inländern hinsichtlich des Lohns und der Lohnzusatzleistungen ungeachtet ihres Aufenthaltsstatus.
Ein anderer Fall, in dem ein staatlicher Arbeitsvermittlungsdienst erfolgreich in die Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften eingebunden wurde, stellt das mexikanisch-kanadische Gastarbeiterprogramm dar. Diese Programm vollzieht sich innerhalb eines Regierungsabkommens und erklärt das Mexikanische Arbeitministerium zuständig für die Anwerbung von Arbeitskräften in Mexiko. Dieses verhandelt sodann die Löhne mit der kanadischen Arbeitsvermittlungsagentur, die die Arbeitskräfte daraufhin auf die kanadischen Arbeitgeber verteilt.
Die Trennlinie zwischen Anwerbung, Schmuggel und Menschenhandel ist in der Praxis oftmals schwer zu ziehen. Der jährliche Geschäftswert von Menschenhandel und ?schmuggel wird zum Teil auf 5 bis 10 Milliarden US-Dollar geschätzt. Diese Schätzung beruht auf der Annahme, dass wenigstens eine Millionen Migranten jährlich durchschnittlich 5000-10.000 USD für das gesetzeswidrige Überqueren von Grenzen zahlen. Dies wird oft als die ?dunkle Seite? der Globalisierung angesehen.
Allerdings folgt in der derzeitigen Situation der partiell geöffneten Grenzen aus einer weitergehenden Öffnung von legalen Migrationskanälen nicht automatisch eine Verringerung der illegalen Migration. Ganz im Gegenteil hat sich in einigen Fällen gezeigt, dass die Ausdehnung der legalen Einreisemöglichkeiten den entgegengesetzten Effekt haben kann. So hat die Ankündigung der moldawischen Regierung über das Gastarbeiterabkommen mit Italien eine Migrationbewegung ausgelöst, die viele zum illegalen Übertritt nach Italien bewegte, wo nach kurzer Zeit 10 Bewerber auf einen Job kamen ? darunter viele illegal Eingereiste.
Letztlich nennt die ILO-Studie drei Handlungsmöglichkeiten der Politik, um auf das Wachstum der privaten Arbeitsvermittlungsbranche zu reagieren.
1) Zunächst müssen die ?faulen Eier? unter den Arbeitsvermittlungen gefunden und von der Tätigkeit ausgeschlossen werden. Dies könne dadurch geschehen, dass private Vermittlungsdienste durch staatlichen Behörden zugelassen werden müssen und für die Zulassung beispielsweise finanzielle Rücklagen für die Migranten bereit stellen müssen, so dass die Migranten auf diese Sicherheiten zurück greifen können, wenn die Vermittler ihre Versprechen nicht halten.
2) Darüber hinaus könne eine größere Zahl von offiziellen Vermittlern ermutigt werden, sich auf dem Markt zu betätigen. Auf diese Weise könnten der Marktmechanismus und der Wettbewerb um Arbeitsmigranten zu einer Selbstregulierung der privaten Vermittlungsbranche führen.
3) Letztlich könne versucht werden, die Rolle von öffentlichen Arbeitsvermittlungen bei der Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften und bei der Zusammenarbeit mit privaten Vermittlern zu stärken. Denn öffentliche Behörden sind der beste Garant dafür, dass Mindeststandards bei der Anwerbung und beim Grenzübertritt eingehalten werden.
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