Gesetzgeber missachtet europäische Mindeststandards zur Abschiebungshaft

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„Der Gesetzgeber vergibt eine Chance, das unnötige Leiden von Menschen in Abschiebungshaft zu verringern“, kritisiert der Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes, Pater Martin Stark SJ, anlässlich der für heute vorgesehenen Verabschiedung einer Änderung des Aufenthaltsgesetzes durch den Deutschen Bundestag. Damit soll u. a. die sogenannte Rückführungsrichtlinie der EU umgesetzt werden, die Mindeststandards für die Abschiebung von Ausländern ohne Aufenthaltsrecht festsetzt.

„Die Richtlinie schreibt vor, dass Abschiebungshaft in speziellen Hafteinrichtungen stattfinden soll“, so Stark. Der Gesetzentwurf der Regierungskoalition erlaube aber nun weiterhin auch den Vollzug in Justizvollzugsanstalten. „Damit werden die europarechtlichen Vorgaben missachtet“, so Stark. „Nach unserer Erfahrung ist es aber gerade die Inhaftierung unter Bedingungen der Strafhaft, die die Betroffenen wegen der damit verbundenen Einschränkungen besonders belastet.“ Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst hat in einer europaweiten Studie dokumentiert, dass Ungewissheit über die eigene Situation, Isolation von Freunden und Verwandten sowie vielerorts auch die konkreten Haftbedingungen erhebliche Beeinträchtigungen des physischen und psychischen Gesundheitszustands der Gefangenen mit sich bringen. „Abschiebungshaft macht krank – das aber steht in keinem Verhältnis zum Zweck der Haft, der sich darin erschöpft, die Anwesenheit des Betroffenen zu seiner eigenen Abschiebung zu sichern“, so das zentrale Ergebnis.

Zu wenig Schutz bietet der Gesetzentwurf aus Sicht des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes auch für Minderjährige und Schutzbedürftige. „Solche Menschen – etwa Schwangere, Behinderte oder psychisch Traumatisierte – gehören nach unserer Einschätzung überhaupt nicht in Haft.“ Bei den Minderjährigen komme hinzu, dass die seit letztem Jahr auch in Deutschland uneingeschränkt geltende UN-Kinderrechtskonvention dem Staat eine besondere Schutzverpflichtung auferlege. „Mit einer Inhaftierung ist das nicht zu vereinbaren.“

Positiv bewertet Stark, dass der Gesetzentwurf Schulen und Kindergärten aus der Pflicht herausnimmt, Ausländer ohne Aufenthaltsstatus der Ausländerbehörde zu melden. Damit werde eine langjährige Forderung der Kirchen und Sozialverbände endlich umgesetzt. „Die Übermittlungspflicht hat oft dazu geführt, dass die Kinder irregulärer Migranten vom Schulbesuch abgeschreckt wurden. Sie werden nun nicht mehr für die Entscheidung ihrer Eltern verantwortlich gemacht“, so Stark.

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst engagiert sich in Deutschland seit über 15 Jahren in der Abschiebungshaftseelsorge und der Beratung von Ausländern in prekärer rechtlicher und sozialer Lage. Daneben ist er in der Härtefallkommission des Landes Berlin vertreten und setzt sich aktuell für ein Modellprojekt zur Abschiebungsbeobachtung am geplanten Großflughafen Berlin-Brandenburg ein.
 
 
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