Zuwanderungsgesetz, Ausländer, Härtefallkommission, Berlin, 100 Tage

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Am 7. April 2005 zog der Beauftragte des Senats für Integration und Migration des Landes Berlin eine erste Bilanz der Arbeit der Härtefallkommission nach ihren ersten einhundert Arbeitstagen unter dem neuen Zuwanderungsrecht. Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes zum 1. Januar 2005 hatte die seit 1990 bestehende Härtefallkommission des Landes Berlin eine auf Bundes- und Landesrecht aufbauende Existenzberechtigung erhalten und war mit weiterreichenden Kompetenzen als bisher ausgestattet worden.

Nach dem Aufenthaltsgesetz in der nun geltenden Fassung kann die Senatsverwaltung für Inneres als oberste Landesbehörde nunmehr auf Ersuchen der Härtefallkommission der Ausländerbehörde gegenüber anordnen, einem Ausländer die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen oder zu verlängern, auch wenn die im Aufenthaltsgesetz festgelegten Voraussetzungen für die Erteilung oder die Verlängerung nicht erfüllt sind, aber dringende oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit des Ausländers in Deutschland rechtfertigen. Die Senatsverwaltung für Inneres kann ihre Entscheidung, ob sie das Ersuchen der Härtefallkommission befolgt, davon abhängig machen, ob der Lebensunterhalt des Ausländers ohne Inanspruchnahme von öffentlichen Mitteln gesichert ist.

Die Härtefallkommission in Berlin setzt sich zusammen aus der/dem Beauftragten für Integration und Migration des Senats von Berlin oder einem/einer von ihm/ihr benannten Vertreter/Vertreterin, einem Vertreter/einer Vertreterin der für Frauenpolitik zuständigen Senatsverwaltung, einem Vertreter/einer Vertreterin der römisch-katholischen Kirche, einem Vertreter/einer Vertreterin der evangelischen Kirche, je einem Vertreter/einer Vertreterin der Liga der Wohlfahrtsverbände, des Flüchtlingsrats Berlin sowie des Migrationsrats Berlin-Brandenburg e.V.

In der Bilanz des Beauftragten des Berliner Senats für Integration und Migration, Günter Piening, kam eine verhalten positive Grundstimmung zum Ausdruck. Von den in den hundert Tagen von der Kommission an fünf Sitzungstagen beratenen einhunderteinundfünfzig Fällen konnten dreiunddreißig Fälle aufgrund anderer rechtlicher Regelungen gelöst werden, das heißt, die Ausländerbehörde hatte mindestens einen Aspekt übersehen oder nicht gekannt, der auf der Grundlage einer anderen als der angewandten Rechtsgrundlage zur Gewährung eines weiteren Aufenthaltstitels hätte führen können. Siebenundfünfzig Fälle wurden vom Innensenator als Härtefall positiv beschieden. Damit haben rund zweihundertachtzig Menschen, die sonst abgeschoben worden wären, durch die Arbeit der Härtefallkommission bis Ende März ein Aufenthaltsrecht bekommen, erläuterte Piening auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Vertreterin des Flüchtlingsrates in der Härtefallkommission, Traudl Vorbrodt (Pax Christi).

Gleichzeitig teilte er mit, Anfragen an die Mitglieder der Härtefallkommission seien seit dem Jahresende 2004 sprunghaft gestiegen. Wörtlich ließ er sich in einer Pressemitteilung des Landes Berlin wie folgt zitieren: "Vor allem für Menschen, die jahrelange Gerichtsverfahren hinter sich haben und kurz vor der Abschiebung stehen, obwohl sie seit vielen Jahren in Berlin leben, ist die Härtefallkommission der letzte Strohhalm. Häufig sind ganze Familien betroffen, deren Kinder hier groß geworden sind und zur Schule gehen."

In den ersten Monaten hätten sich vor allem Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien in ihrer Not an die Mitglieder der Härtefallkommission gewandt. Piening meinte: "Das Gesetz gibt dem Innensenator das Recht, ohne Begründung abzulehnen. Das Gesetz bürdet ihm damit aber auch eine große humanitäre Verantwortung auf." Häufig seien es Familien mit Kindern, die sich an die Kommission wenden. Das Fazit Pienings: "Mit der Berliner Härtefallkommission gibt es eine wichtige Institution für eine stärkere Berücksichtigung humanitärer Aspekte im Ausländerrecht. Vor diesem Hintergrund der Berliner Erfahrungen ist es umso bedauerlicher, dass nicht alle Bundesländer solche Kommissionen eingerichtet haben. [...] Der Anstieg der Fallzahlen bedeutet für die ehrenamtlich tätigen Mitglieder [allerdings] einen fast kaum noch zu rechtfertigenden Aufwand. Dazu kommt die starke psychische Belastung, einem in Not befindlichen Menschen unter Umständen die negative Entscheidung des Innensenators erläutern zu müssen. Mein besonderer Dank gilt darum den ehrenamtlichen Mitgliedern der Härtefallkommission, dass sie dieses auf sich nehmen, um die humanitären Defizite, die unser Ausländerrecht nach wie vor hat, ein wenig abzudämpfen."

Nicht zufrieden zeigte sich der Integrationsbeauftragte mit der Umsetzung der Härtefallentscheidungen durch die Ausländerbehörde. Die Mitglieder der Härtefallkommission seien sich einig, dass die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach einem positiven Bescheid des Innensenators häufig zu lange dauere. Auch nutze man derzeit in Berlin zu zögerlich andere Möglichkeiten im neuen Aufenthaltsrecht, die gerade den hier schon lang lebenden Flüchtlingen eine Perspektive bieten könnten (zu den Parallelproblemen bei der Umsetzung des neuen Staatsangehörigkeitsrechts aus dem Jahre 2000 vergleiche auch die Kolumne von Prof. Dr. Renner.