G7, Entschuldung, Armut, Migration ? IWF und Weltbank, Frühjahrstagung

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WASHINGTON ? Am vergangenen Sonntag, den 17. April 2005 trafen sich die führenden sieben Industriestaaten (G7) in Washington zur Frühjahrstagung des internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank. Außer der Beteuerung der gemeinsamen Ziele, gelang es nicht, Einigung über den einzuschlagenden Weg zur Armutsreduzierung und die Frage der Entschuldung der ärmsten Länder der Welt zu erzielen. Damit ist eine weitere Gelegenheit zur Bekämpfung von Armut als eine der Hauptursachen für Migrationsbewegungen ungenutzt verstrichen.
Im Entwicklungskomitee von Weltbank und IWF wurde am Wochenende unter anderem die Frage des Schuldenerlasses von hochverschuldeten Entwicklungsländern besprochen. Die Staatenvertreter konnten sich jedoch nur zur Einigung über das grundsätzliche Bedürfnis von weiteren Schuldenerlässen durchringen und beauftragten Weltbank und IWF mit der Untersuchung dieses Themas bis zum Jahrestreffen der G8 im Juli diesen Jahres in Schottland.
Aus deutschen Delegationskreisen wurde bekannt, dass zwischen den Staaten noch keine Einigkeit darüber erzielt worden sei, in welchem Umfang und unter welchen Modalitäten ein etwaiger Schuldenerlass angestrebt werden könne. Insbesondere haben sich die Vereinigten Staaten gegenüber erlassfreudigeren Staaten durchgesetzt, so dass es nicht zu einem Erlass der Schulden kommen soll, die gegenüber dem IWF bestehen.
Auch hinsichtlich der staatlichen Entwicklungshilfe (ODA, Official Development Assistance) ist abermals lediglich die seit 1970 bestehende Forderung bestätigt worden, diese auf 0,7 Prozent des jeweiligen Bruttonationaleinkommens (BNE) zu steigern. Doch obwohl mittlerweile fünfunddreißig Jahre Einigkeit darüber besteht, dass dieser Anteil am BNE der Geberländer zwingend erforderlich ist, um die Armut in den Entwicklungsgebieten der Welt merklich zu senken, liegt der Durchschnitt der Geberländer der OECD (DAC, Development Assistance Commitee der OECD) bei gerade einmal 0,25 Prozent.
Der noch amtierende Präsident der Weltbank James Wolfensohn, für den die Sitzung vor Beendigung seiner Amtszeit gleichzeitig eine Art Abschied darstellte, sagte, es gebe eine breitere Anerkennung denn je, dass mehr Hilfe und weitere Schuldenerlasse notwendig sind. Wie ein Mitarbeiter des IWF aber angab, gebe es zwar gemeinsame Ziele, aber nicht alle Parteien seien sich über den Weg zu deren Erreichung einig. Es sei keine Zeit zum Theoretisieren. Man habe die Milleniumsziele umzusetzen, forderte dagegen Senegals Finanzminister Abdoulaye Diop.
Wenngleich wichtige Entscheidungen mit Bedacht und nicht überstürzt getroffen werden sollen, ist angesichts der seit Jahren und Jahrzehnten bestehenden Wiederholung der politischen Formeln und Ziele nunmehr die Zeit für konkrete Handlung gekommen.
Martin Kirch, Sprecher von Save the Children bringt die Problematik wie folgt auf den Punkt: Fast zweieinhalb Millionen Kinder werden zwischen dem Treffen am Wochenende und dem G8-Gipfel einen vermeidbaren Tod sterben, und dies allein zu dem Zweck, dem politischen Tanz der reichen Länder mehr Zeit und Kontext zu geben.
Das Problem besteht darin, dass die ärmsten Länder der Welt seit Jahrzehnten durch eine enorme Schuldenlast an der Entwicklung gehindert werden. Zins- und Tilgungszahlungen an Geberländer und internationale Finanzinstitutionen wie den IWF sind oftmals so hoch, dass die Länder über keine Mittel für die erforderlichen Investitionen in ihre Infrastruktur wie Schulen, Krankenhäuser, Wasser- und Stromgewinnung besitzen. Dies hält ein Großteil der Entwicklungsländer im Teufelskreis der Armut gefangen.
Die afrikanischen Gouverneure forderten deshalb vom IWF und der internationalen Gebergemeinschaft den vollständigen Erlass der Auslandsschulden für die ärmsten Länder. Nach ihrer Erklärung leidet das Ansehen des IWF in Afrika besonders, weil die Menschen keinen Rückgang der Armut sehen, obwohl sie die Armutsbekämpfungsprogramme umsetzen.
Der Weg der politischen Programmgestaltung, die Armut zu reduzieren, ist lang. Während bereits 1970 in der Generalversammlung der Vereinten Nationen das Ziel formuliert wurde, 0,7 Prozent des BNE in die Entwicklungszusammenarbeit zu investieren, kamen die Staats - und Regierungschefs von 189 Ländern im September 2000 auf einem Gipfeltreffen in New York über die so genannte Millenniumserklärung überein. Aus dieser Erklärung wurden acht internationale Entwicklungsziele abgeleitet, die so genannten "Millennium Development Goals", deren erstes programmatisches Ziel die Halbierung der Armut bis zum Jahre 2015 ist. Daneben soll ebenfalls bis 2015 allen Kindern eine Grundschulausbildung ermöglicht, die Gleichstellung der Geschlechter gefördert die Kindersterblichkeit verringert, die Gesundheit der Mütter verbessert, HIV/AIDS, Malaria und andere übertragbare Krankheiten bekämpft, der Schutz der Umwelt verbessert und eine weltweite Entwicklungspartnerschaft aufgebaut werden.
Um diese Ziele zu ermöglichen, wurde im Jahre 2002 im mexikanischen Monterrey die Finanzierung der Milleniumvorgaben besprochen. Im so genannten Monterrey-Konsensus wurde insbesondere beschlossen, dass die internationale Gemeinschaft die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit erhöhen soll und dass hochverschuldeten Entwicklungsländern ein Teil ihrer Schulden erlassen werden soll. Deutschland hat sich in diesem Rahmen verpflichtet, bis zum Jahre 2006, einen Anteil von 0,33 Prozent des BNE für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen.
Nach Angaben des Magazins ?Der Spiegel? hat Außenminister Joschka Fischer (die Grünen) hohen Beamten der Vereinten Nationen intern bereits eine stufenweise Steigerung der Entwicklungshilfe von derzeit 0,28 Prozent des Bruttosozialprodukts auf 0,7 Prozent bis zum Jahr 2014 zugesagt. Auch die Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) fordert seit langem die stufenweise Erhöhung der offiziellen Mittel für die Entwicklungsfinanzierung auf 0,5 Prozent im Jahr 2010, ehe im Jahr 2014 die internationale Vereinbarung von 0,7 Prozent erreicht werde.
Dies würde zu Mehrausgaben von rund 45 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren führen, weshalb Finanzminister Hans Eichel anmahnte, eine solche Zusage könne nur unter der Bedingung der Finanzierbarkeit gemacht werden.
Zur Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit trug der französische Finanzminister Thierry Breton einen Vorschlag des französischen Präsidenten Jacques Chirac vor, nach dem eine Steuer auf Flugreisen erhoben werden können. Bundesfinanzminister Hans Eichel begrüßte diesen Vorschlag. Danach könnten Flugtickets mit bis zu zehn Euro besteuert werden. Auch eine Kerosinsteuer, die es bislang nicht gibt, könnte zur Finanzierung herangezogen werden. Als alternative Finanzierungsmöglichkeiten wurde der Verkauf von Goldreserven des IWF und der britisch-französische Vorschlag der Etablierung einer Internationalen Finanzfazilität (IFF) erörtert. Die Finanzfazilität soll unter Gewährung von Garantien der Industriestaaten Geld leihen, indem sie Obligationen auf den internationalen Kapitalmärkten herausgibt und den Erlös für die Entwicklungszusammenarbeit verwendet.
Aber auch diese Konzepte sind nicht unumstritten, weshalb frühestens im Juli konkrete Schritte angegangen werden können.
Nach jahrzehntelangen Verheißungen und Lippenbekenntnissen geht es darum, den großen Worten ebensogroße Taten folgen zu lassen. Dabei geht es nicht nur um die unbestreitbare globale Verantwortung der Industriestaaten gegenüber den ärmsten Ländern der Welt. Letztlich ist es auch kein Geheimnis, dass die Armut in weiten Teilen der Welt auch das Leben in wohlhabenden Industriestaaten tangiert. Die möglichen Berührungspunkte reichen dabei von armutsbedingten Umweltbelastungen über die Gefahr des internationalen Terrorismus bis zur Einwanderung von Menschen. Allein für Europa schätzt die EU-Kommission, dass bis zum Jahre 2030 weitere 20 Millionen Arbeitsmigranten kommen werden. Dabei ist das Lohn- und Wohlstandsgefälle Triebfeder Nummer eins der internationalen Migration. Die Zahl der Menschen, die aufgrund von Hungersnöten und armutsbedingten bewaffneten Konflikten von Nord nach Süd und von Ost nach West migrieren werden, dürfte ebenfalls großen Ausmaßes sein.
Insofern sind auch Länder wie die Bundesrepublik zumindest mittelbar von den Folgen der fehlgeschlagenen Armutsbekämpfung betroffen. Es bleibt letztlich die Hoffnung, dass auf dem G8-Treffen im Juli diesen Jahres oder zu einem späteren Zeitpunkt die internationalen Meinungsverschiedenheiten über den ?richtigen Weg? beigelegt werde können und die unmittelbaren nationalen Interessen überwunden werden können, um die lang angekündigten und anvisierten Milleniumsziele zu verwirklichen.
von Daniel Naujoks
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