Wahlkampf: Kanzler, Kanzlerkandidatin, Duell, Merkel, Schröder

Anzeige Werbung Kanzleien Anzeige
Schlagabtausch in Berlin ohne inhaltlichen Erkenntnisgewinn

BERLIN ? Das Duell zwischen Kanzler und Kanzlerkandidatin, Gerhard Schröder (SPD) und Angela Merkel (CDU), ging ohne wesentliche inhaltliche Klarstellung oder Verbreiterung der Argumentationsbasis zu Ende. Gegenstand der Analysen waren hauptsächlich Fragen der so genannten soft skills der Kontrahenten sowie solche ihrer Mediogenität. Zu Fragen der Ausländerpolitik und der Integration von Migranten bezogen die Teilnehmer des "Duells" keine Stellung.

Von 20.30 Uhr an standen sich gestern abend die Spitzenkandidatin und der Spitzenkandidat der zwei großen Volksparteien bei den bevorstehenden Bundestagswahlen in einem von den vier großen Fernsehanstalten live übertragenen moderierten Streitgespräch neunzig Minuten lang gegenüber. Insbesondere unter dem Blickwinkel künftiger Weichenstellungen in Zuwanderungs- und Integrationspolitik hinterließen die Erläuterungen der Spitzenkandidaten auf die Fragen der vierköpfigen Journalistenrunde aus je einer Vertreterin bzw. einem Vertreter von ARD, ZDF, RTL und SAT.1 dasselbe Vakuum, das überwiegend auch die Programme der Parteien prägt (Migrationsrecht.net berichtete, s. nur interner Link).

Allein das Thema EU-Beitritt der Türkei wurde in der Sendung gestreift. Merkel wurde darauf angesprochen, ob sie der Meinung sei, der EU-Beitritt der Türkei stelle ein geeignetes Wahlkampfthema dar. Merkel sagte darauf, alle Themen, die die Menschen interessierten, seien geeignete Wahlkampfthemen, denn darauf dürften die Menschen im Wahlkampf Antworten erwarten. Sie stellte sodann ihr Konzept der privilegierten Partnerschaft dar und wies darauf hin, dass sie dieses ehrlich sowohl im Inland als auch gegenüber dem türkischen Regierungschef vertrete. Bei der privilegierten Partnerschaft handele es sich um eine ehrliche Perspektive für die Türkei. Die Integrationsfähigkeit der Europäischen Union reiche auf absehbare Zeit nicht aus, um nach der Erweiterungsrunde 2004 und dem derzeit verhandelten Beitritt Bulgariens und Rumäniens weitere Mitglieder als Vollmitglied aufzunehmen.

In seiner Replik hob Schröder die Sicherheitsinteressen hervor, die für die Europäische Union von der Mitgliedschaft der Türkei im Hinblick auf die Konflikte und Krisenherde in Nahost abhingen. Die Dauer des Prozesses der Beitrittsverhandlungen, die nach dem Beschluss des Europäischen Rates vom 16./17. Dezember 2004 am 3. Oktober dieses Jahres endgültig eingeleitet werden sollen, schätzte er auf zehn bis fünfzehn Jahre. Merkel warnte davor, dass eine Ablehnung des Beitritts der Türkei nach Abschluss dieser Verhandlungen z. B. aufgrund negativer Referendumsergebnisse in einzelnen Mitgliedstaaten nicht vermittelbar sei.

Im Vordergrund der Auswertung des "TV-Duells" standen weniger die thematische, sondern vor allem die Selbstdarstellung und das Auftreten der Kandidatin und des Kanzlers. Der Tenor in Journalistenkreisen war nahezu einmütig und wurde von der ARD wie folgt zusammengefasst: Merkel war gut, sogar besser als erwartet, konnte aber den Trend hinsichtlich der Frage des bevorzugten Kandidaten nicht zu ihren Gunsten umkehren; Schröder war gut, aber nicht gut genug, um Angela Merkel "alt aussehen" zu lassen, und konnte die schlechten Umfragewerte seiner Partei nicht stark und nachhaltig genug positiv beeinflussen.