Florenz - Das informelle Treffen der Innenminister der so genannten G-5-Staaten ist ohne Einigung über ein Konzept zum künftigen Umgang mit Flüchtlingen, die über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen versuchen, zu Ende gegangen.
Unter den Ministern Schily (D), Alonso (E), de Villepin (F), Blunkett (GB) und Pisanu (I) befürworteten der Vertreter der deutschen und derjenige der italienischen Regierung das Konzept, für das Schily schon vor einigen Wochen eingetreten war: die Schaffung von Flüchtlingseinrichtungen der EU in Nordafrika. Seinerzeit wie auch jetzt löste dabei schon die Wortwahl Kontroversen aus - es war von Lagern die Rede gewesen; erst später waren die Begriffe "Zentren" und "Einrichtungen" lanciert worden.
Wolfgang Schäuble (CDU) hatte sich gegen Schilys Vorschlag aufgrund von Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit eines solchen Vorhabens mit der Genfer Flüchtlingskonvention gewandt. Die Einrichtungen sollten nach den Vorstellungen der Verfechter der Idee dem Zweck dienen, Einwanderungswillige mit Ziel Europa davon abzuhalten, den gefährlichen Weg über das Mittelmeer zu wählen und/oder sich in die Hände von Schlepperbanden zu begeben. Das Anti-Rassismus-Netzwerk United geht für den Zeitraum von 1993 bis 2003 von mindestens 4000 Opfern unter Flüchtlingen aus, die bei der Überquerung des Mittelmeers ums Leben kamen. Die Öffentlichkeit wurde in diesem Jahr wiederholt mit der Problematik konfrontiert, nicht zuletzt im Hinblick auf die obskuren Ereignisse rund um die Hilfsorganisation Cap Anamur, die sich in der Folge von ihrem damaligen Vorsitzenden Elias Bierdel erst vor wenigen Tagen trennte.
Ablehnung gegen den Vorstoß kam bei dem Treffen in Florenz vor allem von Frankreich und Spanien. Alonso äußerte vor allem humanitäre Bedenken. Überraschend erschien dies vor dem Hintergrund, dass Spanien neben Italien das am schwersten von Flüchtlingsströmen betroffene Land unter den Konferenzteilnehmern ist. Allein rund 400 Flüchtlinge sind nach Informationen der "Tagesthemen" der ARD (Sendung vom 17.10.2004) vor Spaniens Küste in den letzten drei Tagen aufgegriffen worden. Allerdings dürften nach einem Bericht in derselben Sendung wohl eher wirtschaftliche Erwägungen ausschlaggebend für die spanische Haltung sein: das Land erlebt einen ökonomischen Aufschwung, für den es billige Arbeitskräfte braucht. Diese reisen bevorzugt über die nordafrikanischen spanischen Exklaven Ceuta und Melilla ein.
Frankreich hingegen scheint lauterere Motive für seine Opposition gegen die Einrichtungen zu haben. Die französische Regierung befürchtet, dass durch die Zentren zumindest indirekt Zuspruch zu fundamentalistischen anti-europäischen Strömungen hervorgerufen werden könnte. "Wir werden Lager oder Auffangzentren auf keinen Fall akzeptieren, welcher Art sie auch sein mögen", ließ sich der französische Ressortchef Dominique de Villepin unmmissverständlich vernehmen. Frankreich stelle sich gegen die Initiative, weil zu befürchten sei, dass solche Lager, in denen die frustrierten Flüchtlinge vor allem lernen würden, "Europa zu hassen", "zu einer Zeitbombe" für die Länder nördlich des Mittelmeers würden.
In de Villepins Stellungnahme spiegeln sich dabei auch die noch ungeklärten Fragen hinsichtlich des Vorhabens wider: Was geschieht mit abgewiesenen Antragstellern? Paul Kreiner vom Tagesspiegel (Ausgabe vom 17.10.2004) fragt: "Werden sie vor den 'Einrichtungen' campieren? Wie lange? Unter welchen Umständen? Lässt sich der erträumte 'Rücktransport in die Heimatländer' tatsächlich so effizient gestalten, dass es zu keinen slum-artigen Siedlungen kommt, in denen die Menschenhändler weiterhin leichtes Spiel haben? Kurz: Lässt sich mit solchen Einrichtungen auch nur eine Fahrt übers Mittelmeer unterbinden?"
Die Fortsetzung der Debatte unter den Ministern ist spätestens für das Frühjahr 2005 zu erwarten. Im März steht das nächste Treffen der G-5-Innenminister auf dem Programm.