"Chrobog-Erlass" zur Erteilung von Visa soll verschärfte Regeln aufstellen

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Berlin - Das Auswärtige Amt (AA) wird vermutlich noch bis Ende 2004 einen Runderlass an die deutschen Botschaften herausgeben, der eine Verschärfung der Einreisebedingungen nach Deutschland mit sich bringen soll.

Die nach dem Staatssekretär im AA, Jürgen Chrobog, benannte Binnenrechtsvorschrift soll an die Stelle ihres liberalen Vorgängers vom März 2000 aus der Feder von Ludger Volmer (B90/Grüne) treten. Anlass der Maßnahme ist nach einem Bericht des Tagesspiegels vom heutigen Tage eine Beschwerde des Bundesinnenministers Otto Schily (SPD) bei Bundesaußenminister Joschka Fischer (B90/Grüne) über Unzulänglichkeiten in der Vergabepraxis der Botschaften hinsichtlich Visa.

Die Fischer-Behörde war dieses Jahr bereits mehrfach in die Schlagzeilen
geraten: Ende September 2004 berichtete bereits Die WELT von Unregelmäßigkeiten bei der deutschen Botschaft in Tirana (Albanien), die ein Ermittlungsverfahren wegen Bestechlichkeit nach sich gezogen hatten. Dem war schon Mitte des Jahres eine hausinterne Überprüfung durch eine dreiköpfige Sonderinspektion in Tirana vorausgegangen, die sich aus einem Beamten des Bundeskriminalamtes sowie aus je einem Ministerialbeamten des AA und des Bundesinnenministeriums zusammensetzte. Ergebnis waren unter Umstrukturierungsmaßnahmen.

Außerdem waren seitens der Justiz in einem Schleuser-Verfahren in Köln schwere Vorwürfe gegen das AA erhoben worden, die ebenfalls im Zusammenhang mit dem vorbezeichneten Volmer-Erlass gestanden hatten. Zum Zeitpunkt dieses Verfahrens standen außer Tirana die deustchen Vertretungen in Kiew, Moskau, Colombo, Peking und Ulan Bator in der Kritik.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass durch den Chrobog-Erlass, der durch ein verbindliches Visa-Handbuch ergänzt werden soll, behördliche Fehlleistungen auf Kosten der Visa-Antragssteller nachträglich entschärft werden sollen. Fraglich erscheint auch die in dem Erlass vorgesehene so genannte Einlader-Datei: mit ihrer Hilfe will die Bundesregierung in datenschutzrechtlich bedenklicher Art und Weise herausfinden, welche Firmen und Einzelpersonen in Deutschland viele Einladungen aussprechen. Allein dies begründet nach Lesart des AA den Verdacht der Begünstigung von Visums-Mißbrauch.

Die neue harte Linie, die die Grundhaltung des Volmer-Erlasses: "Im Zweifel für die Einreisefreiheit", ersetzen soll, ist klar: "Wenn Zweifel bestehen, daß der Antragsteller nach seinem Besuch in Deutschland wieder zurückkehren möchte, wird ein Visum nicht erteilt", betonte Chrobog gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel"."