Sechs-Punkte-Programm - Einbürgerungstest in Hessen als Vorbild für den Bund
WIESBADEN Mit einem Sechs-Punkte-Programm strebt Hessen eine bundeseinheitliche Lösung bei Einbürgerungen an. Innenminister Bouffier (CDU) stellte eine Fibel für Einbürgerungswillige vor. Eine Initiative über den Bundesrat werde Hessen im Sommer starten.
Hessens CDU-Landesregierung will im Sommer eine Gesetzesinitiative im Bundesrat einbringen, durch die künftig jeder einbürgerungswillige Ausländer einen Wissens- und Werte-Test von 100 Fragen absolvieren muss. Zusätzlich soll ein Loyalitäts-Eid auf die Verfassung geleistet werden. Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) rechnet mit einer Gesetzesänderung noch in diesem Jahr, da auch schon Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und weitere christdemokratisch regierte Bundesländer einen bundesweit einheitliches Vorgehen bei der Einbürgerung Zustimmung signalisiert haben.
Fragenkatalog in Hessen für Einbürgerungsbewerber
Bouffier legte am Dienstag in Wiesbaden den Katalog mit 100 Fragen vor und sprach von einem Entwurf für eine stärker auf Integration abzielende Einbürgerung. Der Absolvent soll unter anderem dann erklären, was es mit dem Holocaust auf sich hat und was unter Gewaltenteilung zu verstehen ist, aber auch ein Motiv eines Gemäldes von Caspar David Friedrich erklären sowie einen deutschen Literatur-Nobelpreisträger und den Entdecker des Cholera-Erregers nennen können. Ferner informiert der Leitfaden zur Einbürgerung den Antragsteller über seine Rechte und Pflichten als deutscher Staatsbürger.
Einbürgerungstest - Innenminister Bouffier
Hessens Innenminister hält es dabei für grundlegend, dass künftige Deutsche sich mit dem Wissens- und Wertekanon Deutschlands auseinandersetzen. "Wer bei uns leben und arbeiten will, der sollte sich zuvor mit der Geschichte, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur seines künftigen Heimatlandes beschäftigt haben", sagte Bouffier. Nur wer wisse, wie das Staatswesen und die Gesellschaft organisiert seien, der könne auch die Werteordnung der Bundesrepublik Deutschland verstehen. "Es geht aber nicht nur darum, diese Werteordnung zu verstehen, sondern sie auch zu akzeptieren und zu beachten, beispielsweise die Meinungsfreiheit oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau", so Bouffier. Als "zentral" bezeichnete Innenminister Bouffier die Notwendigkeit, das in einem Einbürgerungskurs vermittelte Wissen über Deutschland und das Werteverständnis zu überprüfen. Es sei im Interesse des Staates, aber auch seiner künftigen Staatsbürger, dass diese die Chance haben, sich vor der Einbürgerung mit unserem Staat zu befassen. "Nur so findet der vom Gesetz geforderte Prozess der inneren Hinwendung zu unserer Verfassung auch statt", machte Bouffier deutlich.
Beispielhaft für die inhaltliche Ausgestaltung eines "Wissens- und Wertetests" habe er einen "Leitfaden Wissen und Werte in Deutschland und Europa" als Arbeits- und Diskussionsgrundlage im Rahmen seines Einbürgerungskonzepts vorgelegt. Der Leitfaden sei aber mehr als ein Fragebogen, sondern vielmehr eine Fibel für Einbürgerungswillige: Diese gibt u. a. einen Überblick über Rechte und Pflichten deutscher Staatsbürger und zeigt zudem anschaulich das bisherige Einbürgerungsverfahren auf. In einem gesonderten Kapitel beinhaltet der Leitfaden 100 Fragen, die sich mit geografischen, geschichtlichen, politischen oder auch kulturellen Aspekten der Bundesrepublik Deutschland befassen. Über diese exemplarischen Fragen soll festgestellt werden, ob der Einbürgerungswillige sich gründlich mit Staat und Gesellschaft der Bundesrepublik auseinandergesetzt habe. Getrennt sei nicht nach Wissens- und Wertefragen; vielmehr seien beide Komplexe miteinander verbunden, damit der logische Zusammenhang deutlicher werde. "Man muss sich zuerst Wissen aneignen, damit man die einzelnen Sachverhalte auch bewerten kann", erläuterte der Minister.
Innenminister Volker Bouffier machte in diesem Zusammenhang klar, dass die Fragen im vorgelegten Leitfaden einen unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad hätten und von den wenigsten ohne Vorbereitung beantwortet werden könnten: "Es ist ausdrücklich Sinn und Zweck des Leitfadens, dass sich die Bewerber intensiv auf den Test vorbereiten und sich damit mit allen Aspekten der Bundesrepublik auseinandersetzen." Deshalb werde der Leitfaden auch im Internet veröffentlicht (www.hmdi.hessen.de, http://www.hessen.de).
Sechs-Punkte Programm - Fragenkatalog als Einbürgerungstest
Der "Wissens- und Wertetest" ist dabei Bestandteil eines Sechs-Punkte-Programms, das die bisherige Einbürgerungspraxis bundesweit verbessern soll. "Der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft ist sowohl für den Bewerber als auch für die Bundesrepublik Deutschland ein herausragendes Ereignis, das auf vielfältige Weise wirkt. Das bisherige Verfahren, das bislang nur einen Mindeststandard zugrunde legt, trägt diesem Umstand nicht genügend Rechnung; es ist auch nicht geeignet, die weitere Entwicklung von Parallelgesellschaften zu verhindern", sagte Innenminister Volker Bouffier. Das neue Konzept wolle diese Mängel beseitigen und orientiere sich dabei an den Erfahrungen klassischer Einwanderungsländer, wie beispielsweise der USA, so der Minister weiter. Es sieht für alle Einbürgerungswillige folgende Voraussetzungen vor:
- Mindestens acht Jahre Aufenthaltsdauer
- ausreichende Deutschkenntnisse
- Verpflichtung zu Einbürgerungskursen mit einem Wissens- und Wertetest
- Ausschluss verfassungsfeindlicher Bestrebungen
- Loyalitätserklärung
- Eidesleistung
Bundeseinheitliche Lösung angestrebt
"Wer in unserem Land Staatsbürger werden will, sollte diese Voraussetzungen erfüllen", betonte Innenminister Volker Bouffier. Der Minister hob hervor, dass Hessen eine bundeseinheitliche Lösung anstrebe, damit alle Einbürgerungsbewerber im Bundesgebiet die gleichen Bedingungen haben. "Wir werden eine Bundesratsinitiative vorlegen, die auf der nächsten Konferenz der Innenminister beraten werden soll", kündigte Bouffier an. Ziel der Initiative sei es, Einbürgerungskurse mit Wissens- und Wertetest sowie die Eidesleistung künftig festzuschreiben; beides ist bislang nicht verpflichtend. Einen Eid hält Innenminister Bouffier schon deshalb für notwendig, weil er die große Bedeutung der Einbürgerung deutlich mache, sowohl für den neuen Staatsbürger als auch für Deutschland: "Mit einem Eid geht man eine besondere Bindung ein; wer einen Eid leistet, zeigt seine innere Überzeugung und Hinwendung." Der Minister weiter: "Um alle sechs Voraussetzungen verbindlich festzulegen, brauchen wir eine Änderung des Gesetzes", erklärte Innenminister Volker Bouffier und weiter: "Die Formel "Kurs-Test-Eid" muss gewährleistet sein!"
Grundsätzlich bezeichnete Innenminister Volker Bouffier sein vorgelegtes Sechs-Punkte-Programm als einen notwendigen Schritt hin zu einer gemeinsamen Gesellschaft und weg von Parallelgesellschaften. "Wir brauchen in Deutschland ein Miteinander, kein Nebeneinander und unter keinen Umständen ein Gegeneinander", hob der Minister hervor. Das derzeitige Einbürgerungsverfahren, betonte der Innenminister, entspreche nicht dem erhobenen Anspruch und habe im internationalen Vergleich lediglich einen Mindeststandard vorzuweisen. "Bei uns kann jemand Staatsbürger werden, der eine bestimmte Zeit in unserem Land lebt, einen Sprachtest absolviert hat und das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung lediglich unterschreibt. Ob er diese Grundlage auch verstanden hat, wissen wir nicht; dies ist eine Schwachstelle, die es zu beheben gilt", sagte der Minister.
Zur weiteren Verfahrensweise erklärte Hessens Innenminister, dass der Leitfaden eine Arbeitsgrundlage darstelle, die mit allen interessierten Verbänden und Gruppen diskutiert werde. "Wir sind für alle weiterführenden Vorschläge offen", so Bouffier. Erst nach Abschluss dieser Diskussion werde der Leitfaden den hessischen Einbürgerungsbehörden zur Verfügung gestellt und über das weitere Vorgehen entschieden. "Grundsätzlich setzen wir auf eine bundeseinheitliche Regelung", fasste Innenminister Volker Bouffier zusammen.
Quelle Pressemitteilung des HmdI vom 14.03.2006