Eine Reihe von Experten hat bei einer Anhörung vor dem Bundestags-Innenausschuss am Montag, den 21. Mai 2007 deutliche Kritik an den Plänen der Bundesregierung zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher EU-Richtlinien geäußert. Die Sitzung des Innenausschusses konnte entgegen der ursprünglichen Planung an einem Arbeitstag nicht alle auf der Tagungsordnung enthaltenen Punkte behandeln. Aus diesem Grund verständigten sich die Mitglieder des Innenausschusses auf eine Fortführung der Anhörung zu den Themenkomplexen: Bleiberechtsregelung, humanitäre Bleiberechte, Abschiebungshaft, Flüchtlingsrecht auf Dienstag, den 5. Juni 2007.
Bei der Anhörung am Montag zeigte sich, dass die mit der Änderung des Zuwanderungsgesetzes geplante Verschärfung der Voraussetzungen für den Nachzug von Ehegatten bei Experten umstritten ist. Bei der geplanten Regelung zum Ehegattennachzug gebe es verfassungsrechtliche Bedenken, sagte Klaus Dienelt, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesverwaltungsgericht. Der Wunsch nach deutschen Sprachkenntnissen als Voraussetzung für den Nachzug sei zwar «verständlich» und «integrationspolitisch wünschenswert». Ohne die Einführung einer bislang nicht vorgesehenen Härtefallklausel entstehe jedoch im Extremfall ein dauerhaftes Nachzugsverbot, das insbesondere mit Blick auf den Familiennachzug zu Deutschen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliege. Dagegen verteidigte Kay Heilbronner von der Universität Konstanz die Pläne der Regierung. Weder aus Artikel 6 des Grundgesetzes noch aus Artikel 8 EMRK, die den Schutz der Familie gewähren, ließen sich Ansprüche auf den Nachzug ausländischer Ehepartner ableiten, betonte Heilbronner. Der Wunsch nach sprachlicher Integrationsfähigkeit nachziehender Ehepartner sei ein «gewichtiges Rechtsgut». Eine entsprechende Regelung sei nur dann verfassungsrechtlich bedenklich, wenn sie den Nachzug dauerhaft und irreversibel verhindere. Hiergegen wurde insbesondere eingewandt, dass gerade durch die Familienzusammenführungsrichtlinie eine Änderung der Rechtslage eingetreten sei, da diese ausdrücklich einen Nachzugsanspruch für die Kernfamilie vorsehe, der nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs trotz der Beschränkungsmöglickeit, die den Mitgliedstaaten eingeräumt worden seien, in Härtefällen gewährleistet sein müsse.
Dagmar Freudenberg vom Deutschen Juristinnenbund forderte eine ersatzlose Streichung der Vorgabe, noch im Herkunftsland deutsche Sprachkenntnisse zu erwerben. Dies diskriminiere Frauen aus Ländern in denen es nur wenige oder gar keine Sprachkurse gebe. Auch der Frankfurter Rechtsanwalt Reinhard Marx sowie Stefan Kessler vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst wandten sich gegen die Regelung. Der Caritasverband und das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche monierten, der geforderte Nachweis deutscher Sprachkenntnisse vor einer Einreise mache den Nachzug in vielen Fällen unmöglich.
Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) kritisierte die geplanten Änderungen, mit denen auch elf EU-Richtlinien umgesetzt werden. «Die positiven Gestaltungsmöglichkeiten von EU-Richtlinien wurden leider nicht genutzt, stattdessen wurden an vielen Stellen restriktive Akzente gesetzt», sagte der UNHCR-Regionalvertreter Gottfried Köfner. So würden beim individuellen Schutz von Bürgerkriegsflüchtlingen EU- Vorgaben nicht eingehalten. Zudem werde die Richtlinie über die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber weitgehend nicht umgesetzt.