Boykott des Integrationsgipfels - Abrechnung mit dem Zuwanderungsgesetz?

Anzeige Werbung Kanzleien Anzeige

Der endgültig beschlossene Boykott des heute in Berlin stattfindenden Integrationsgipfels durch die vier großen türkischstämmigen Dachverbände dominiert die Berichterstattung der in Deutschland erscheinenden türkischen Zeitungen. Alle Zeitungen beschäftigen sich dabei äußerst detailliert mit dem Boykott und haben verschiedene Stimmen aus türkischstämmigen Verbänden, türkischstämmigen Politikern und auch aus der Bevölkerung eingefangen. Hier die wichtigsten Meldungen aus den türkischen Tageszeitungen:

Drastisch in ihrem Aufmacher ist heute erneut das Massenblatt HÜRRIYET, das mit einem großen Bild Bundeskanzlerin Merkels und den Worten „Regelrechter Rassismus“ in Großen Lettern aufmacht. So erkennt die Zeitung eine „ernsthafte Krise“ zwischen Bundesregierung und türkischen Organisationen, wobei die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, mit folgenden Worten zitiert wird: „Integration funktioniert nur durch Dialog.“ Der bekannte türkischstämmige Unternehmer Kemal Sahin dagegen kann die Aufregung der Organisationen gut verstehen, wird sich aber aufgrund einer „persönlichen Einladung“ am Gipfel beteiligen, genauso wie die Türkisch-Deutsche Industrie- und Handelskammer (TD-IHK). Der türkisch-deutsche Autor Feridun Zaimoglu unterstützt den Boykott. Andernfalls „hätten sich die Organisationen lächerlich gemacht“, wie der Schriftsteller zitiert wird. Die Zeitung macht zudem auf Aussagen des Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Kenan Kolat, aufmerksam, wonach die TGD eine so nicht erwartete Anzahl von Briefen aus der türkischstämmigen Bevölkerung erhalten habe, die sie zum Boykott ermutigt hätten.  

Unter der Überschrift "Gipfel ohne Türken" berichtet die Massenblatt SABAH über den Boykott. Dabei wird der Dialogbeauftragte der DITIB, Bekir Alboga, zitiert, der auf einer Veranstaltung in Mannheim betonte, dass das Gesetz „den Rassismus verstärken und die Angst vor Muslimen anheizen“ werde. So ruft Alboga die Verantwortlichen auf, „genauso sensibel zu agieren, wie bei Antisemitismus“. Die türkischstämmige Abgeordnete des Berliner Senats, Bilkay Öney (Grüne), kritisiert die Aussagen Maria Böhmers, die auf die Ankündigung des Boykotts gesagt habe: „Notfalls werden wir den Integrationsprozess auch ohne Beteiligung der Migranten weiterführen.“ „Eine Integration ohne Migranten wird es nicht geben“, so Öney.

Die Liberal-islamische ZAMAN macht in ihrer Berichterstattung auf die Gründe des Boykotts aufmerksam. Das neue Gesetz mache viele Migranten zu „Bürgern zweiter Klasse“ und begehe damit einen „Tabubruch“. Damit werde das „Gleichberechtigungspostulat des Grundgesetzes außer Kraft gesetzt.“ Zudem wird auf einen Brief des Direktors des Essener Zentrums für Türkeistudien (ZfT), Faruk Sen, an Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Köhler aufmerksam gemacht, in dem er eine „ethnische Diskriminierung“ anmahne. Köhler werde darin aufgerufen, das Gesetz nicht zu unterschreiben. Dagegen kritisiert die türkischstämmige Bundestagsabgeordnete der Grünen, Ekin Deligöz, die türkischen Verbände, anderthalb Jahre nichts gegen das Gesetz unternommen zu haben. Nun könne man mit einem Boykott nichts mehr erreichen, der Widerstand sei „zu spät“.

Auf dem Titel ihrer Europa-Seiten appelliert die Zeitung heute direkt an Bundespräsident Köhler: „Sehr geehrter Herr Köhler, unterschreiben Sie nicht!“. Sie hat zudem Stimmen aus der Bevölkerung eingefangen, die insgesamt eine deutliche Sprache sprechen: „Dieses Gesetz stellt eine regelrechte Türken-Feindlichkeit dar. Auf der einen Seite wollen sie, dass wir deutsche Staatsbürger werden, auf der anderen werden wir auch dann noch diskriminiert“, so eine Interviewte. Dabei rufen alle Befragten Köhler auf, das Gesetz nicht zu unterschreiben. Doch auch hier gibt es Resignation: „Auch der Bundespräsident ist aus den Unionsparteien, also wird er auch das Gesetz unterschreiben“. Zudem stellt die Zeitung halb ernst gemeint fest, dass es für Bundeskanzlerin Merkel bei diesem Gipfel keine Süßigkeiten geben werde. Auf dem letzten Gipfel hatte ihr der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Kenan Kolat, Baklava überreicht.

In der National-islamische TÜRKIYE kann der Integrationsbeauftragte des Berliner Senats, Günter Piening, dem Widerstand der türkischen Verbände gegen das Gesetz viel abgewinnen. Er könne das harte Vorgehen der Bundesregierung nicht verstehen und sehe die türkischen Verbände „im Recht“, so die Zeitung.

Quelle:
Deutsch-Türkische Medienagentur
Ali Yumuşak
Kurfürstendamm 161
10709 Berlin
Tel: +49 (30) 892 4932
Fax:+49 (30) 890 40 788
http://www.europress.de/