Nach fast einem Jahr liegen nun die Antworten der Bundesregierung zu den beiden großen Anfragen im Bundestag vom 19. Oktober 2011 vor („Situationen in deutschen Abschiebungshaftanstalten“ - BT-Drucksache 17/7442 - und "Umsetzung
der Abschiebungsrichtlinie der Europäischen Union und die Praxis der Abschiebungshaft“ - BT-Drucksache 17/7446 -.
Abschiebungshaft in Deutschland: zu viel, zu lange, am falschen Ort
Zur Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage "Situation in deutschen Abschiebungshaftanstalten" (BT-Drs. 17/7442) durch die Bundesregierung erklärt Josef Winkler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Sprecher für Flüchtlingspolitik:
Leider gibt es in Abschiebehaftanstalten keinen Grund zur Entwarnung: In den Jahren 2008- 2010 wurde Abschiebungshaft zu schnell und zu häufig angeordnet sowie zu lange vollzogen.
Während die große Mehrheit der Betroffenen bis zu sechs Monate in Haft bleiben musste, dauerte die Haft in einigen Fällen (Hamburg, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen) bis zu 18 Monate. Zur Erinnerung: Bei den Betroffenen handelt es sich meist nicht um Menschen, die sich eine Straftat haben zuschulden kommen lassen, sondern um Personen, die in Deutschland Schutz gesucht haben.
Umso inakzeptabler ist daher die unveränderte Praxis insbesondere in den großen Flächenländern Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen, Abschiebungshäftlinge in regulären Haftanstalten gemeinsam mit Straftätern unterzubringen. Diese Praxis ist ein eklatanter Verstoß gegen die EU-Rückführungsrichtlinie und untergräbt die Rechte der betroffenen Häftlinge. Sie unterliegen den weiteren Grundrechtseinschränkungen und strengen Vollzugsregeln, die für Straf- und Untersuchungsgefangene gelten.
Besonders erschütternd sind die immer wieder vorkommenden Selbsttötungen oder Suizidversuche in der Abschiebungshaft. Die Antwort der Bundesländer verzeichnet Todesfälle in Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Sachsen und Suizidversuche oder Selbstverletzungen in diesen und weiteren Bundesländern, wobei teilweise (Beispiel Bayern) unverständlicherweise keine Angaben über Suizidversuche gemacht werden.
Dies ist für einen Rechtsstaat unerträglich und zeigt, dass es einer grundlegenden Reform der Abschiebehaft in Deutschland und des Umgangs mit abgelehnten Asylbewerbern in Deutschland bedarf. Hinter diesen Zahlen verbergen sich unfassbare menschliche Schicksale.
Bund und Länder müssen endlich über Reformen und humanitäre Verbesserungen im Bereich der Abschiebehaft beraten.
Weitere Fakten finden sich in der beigefügten Antwort auf die Große Anfrage ,,Situation in deutschen Abschiebungshaftanstalten" (BT-Drs. 17/7442).
Pressedienst: Pressemitteilung Nr. 0767/12 vom 10.09.2012
Zur Antwort:
Zur Antwort der Bundesregierung vom 4.9.2012 auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Ulla Jelpke u.a.) zu „Umsetzung der Abschiebungsrichtlinie der Europäischen Union und die Praxis der Abschiebungshaft“ (BT-Drs. 17/10597).
Die Zusammenfassung stammt von Dr. Thomas Hohlfeld, Referent für Migration und Integration, Fraktion DIE LINKE vom 7.9.2012 (ohne Gewähr).
ZAHLEN:
Die Zahl der Abschiebehaftfälle ist weiter zurückgegangen, deutlicher noch die Zahl der inhaftierten minderjährigen Flüchtlinge (Frage 46):
2008 |
2009 |
2010 |
2011 |
|
gesamt |
8.805 |
8.366 |
7.495 |
6.466 |
Minderjähre (unter 16 J.) |
214 (8) |
142 (5) |
114 (11) |
61 (7) |
zum Vergleich: Die Zahl der Abschiebungen (hinzuzurechnen ist jeweils eine noch größere Zahl von Zurückschiebungen und Zurückweisungen):
2008 |
2009 |
2010 |
2011 |
7.777 |
7.289 |
6.907 |
7.188 |
Auch die Zahl der über 60-Jährigen in Abschiebungshaft ist über die Jahre zurückgegangen, 2011 waren es 28 ältere Personen, die im Rahmen des Abschiebungsverfahrens inhaftiert wurden.
In den letzten beiden Jahren saß fast die Hälfte aller inhaftierten minderjährigen Flüchtlinge in bayerischen Haftanstalten ein (43% bzw. 46%)!
2011 gab es die meisten Abschiebehaftfälle in NRW (1.673), Bayern (1.125) und Hessen (752).
Betrachtet man die Zahlen zu einem bestimmten Stichtag (vgl. Frage 45), so befanden sich am 31.12.2011 genau 475 Personen bundesweit in Abschiebungshaft (129 in NRW, 96 in Bayern, 61 in Hessen).
Dauer der Inhaftierung (Frage 53, Angaben ohne Niedersachsen):
2011:
Unter 2 Wochen |
ca. 36 % |
2 bis 6 Wochen |
ca. 39 % |
6 Wochen bis 3 Monate |
ca. 21% |
3 bis 6 Monate |
ca. 4 % (239) |
6 bis 12 Monate |
ca. 0,4 % (22) |
Über 12 Monate |
- |
Ein Viertel aller Abschiebungshaftfälle dauert mithin länger als 6 Wochen. In über 99% der Fälle dauert die Haft weniger als 6 Monate.
Auffällig viele über 6-wöchige Inhaftierungen gab es in Hessen (231 von 661 Fällen = 35%, statt 25% wie im Bundesdurchschnitt).
Von den im Jahr 2011 inhaftierten ca. 60 Kindern war die Hälfte (29) länger als 2 Wochen inhaftiert!
8 Kinder waren sogar länger als 6 Wochen in Abschiebungshaft (3 in Bayern, 3 in Hessen)!
Im Zeitraum 2008 bis 2011 gab es bundesweit fünf Fälle, in denen die Abschiebungshaft länger als 15 Monate dauerte. Die Bundesregierung hält an der Höchstdauer von 18 Monaten fest, „um Fällen beharrlicher, insbesondere wiederholter Verhinderung einer Abschiebung Rechnung tragen zu können“ (Frage 26) – offenbar tritt in diesen Fällen der (eigentlich ungesetzliche) „Strafcharakter“ der Abschiebungshaft in den Vordergrund.
Frage 51: Nahezu kein Bundesland kann nähere Angaben zu den Gründen bzw. Formen (Rechtsgrundlage) der Abschiebungshaft machen.
Die „klassische“ Sicherungshaft (§ 62 Abs. 3 AufenthG) zur Sicherung der Abschiebung scheint aber den Hauptanteil auszumachen, sehr gering ist hingegen die erfasste Zahl der „Vorbereitungshaft“ (§ 62 Abs. 2 AufenthG – zur Durchsetzung einer Ausweisung). Zahlen zur Zurückweisungs- und Zurückschiebungshaft gibt es kaum.
Anhand des Beispiels Brandenburgs kann vermutet werden, dass Zurückweisungs- und Zurückschiebungshaft eine bedeutende Rolle spielen: Für 2011 wurden 92 Fälle der Sicherungs- bzw. Vorbereitungshaft erfasst, bei Zurückweisungs- und schiebungshaft heißt es: „k.A.“. Da aber die Gesamtabschiebungshaftzahl in Brandenburg 2011 238 betrug, müsste es rechnerisch demnach ca. 146 Fälle der Zurückweisungs- bzw. Zurückschiebungshaft gegeben haben (61% aller Fälle).
Im Fall Rheinland-Pfalz käme man bei einer solchen (spekulativen) Berechnung auf 26%.
Hamburg hat als einziges Land Angaben zu allen Formen der Haft gemacht (jedoch nur für die Zahl der Anträge, nicht die tatsächlich vollzogene Haft). Dabei ergäbe sich ein Anteil der Zurückweisungs- und Zurückschiebungshaft an allen Haftanträgen von 19 Prozent.
Frage 64:
Haft vor einer Dublin-Überstellung. Hierzu lagen bislang keine Angaben vor, weil die Bundesregierung hierzu keine Angaben machen konnte. Genantwortet haben die folgenden Länder:
2011 |
Haft vor Dublin-Überstellung |
tatsächlich rücküberstellt |
Berlin |
58 |
|
Brandenburg |
0 |
|
Bremen |
7 |
6 |
Niedersachsen |
45 |
|
Rheinland-Pfalz |
39 |
25 |
Saarland |
13 |
13 |
Sachsen |
15 |
12 |
Schleswig-Holstein |
267 (4 unter 18 J.) (86 x Norwegen, 49 x Schweden, 27 x Italien; in den anderen BL ist Italien an 1. Stelle) |
230 |
Summe dieser 8 Bundesländer: |
444 |
Vgl.: 2011gab es bundesweit 2.902 Dublin-Überstellungen |
Da wichtige Bundesländer wie NRW, BaWü, Hessen und Bayern keine Angaben gemacht haben, muss davon ausgegangen werden, dass vielen Dublin-Überstellungen eine Haft vorausgeht (geschätzt vielleicht in jedem 2. Fall).
Soweit Länder Angaben zur Dauer der Inhaftierung im Rahmen der Dublin-Überstellung gemacht haben (Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein), ergibt sich eine Inhaftierung im Durchschnitt über die Dauer eines Monats. In Schleswig-Holstein wurden gut 10% der Inhaftierten nicht überstellt, sondern mussten entlassen werden.
Spezielle Abschiebungshafteinrichtungen gibt es in (vgl. Fragen 48, 45, 61):
|
Name / Ort |
Maximale Belegung |
IST-Zahl 30.6.2011 |
Kosten pro Tag / Person |
Berlin |
Abschiebungsgewahrsam |
|
24 (31.12.) |
ca. 206€ |
Brandenburg |
AHE Eisenhüttenstadt |
108 |
13 |
194,07€ |
Bremen |
AG Polizei Bremen |
24 |
0 |
998,-€ |
Niedersachsen |
Hannover |
k.A. |
18 |
107,46€ |
Rheinland Pfalz |
GEfA Ingelheim |
40 (+50 Saarl.) |
16 |
91,16€ |
Saarland nutzt |
GEfA Ingelheim (RhPf) |
50 (+40 RhPf) |
8 |
[?7.924,15€?] |
In Justizvollzugsanstalten (JVA) wird die A-Haft vollzogen in:
|
Name / Ort |
Maximale Belegung insg. |
IST-Zahl 30.6.2011 |
Kosten pro Tag / Person |
Baden-Württemberg |
JVAs Mannheim, Schwäbisch Gmünd (Frauen), lt. Frage 45: + 5 weitere JVAs |
64 |
34 |
123,51€ |
Bayern |
10 JVAs in 10 Städten |
k.A. |
96 (31.12.) |
|
Hamburg |
JVA Billwerder |
k.A. |
7 (31.12.) |
k.A. |
Mecklenburg-Vorpommern |
JVA Bützow |
22 |
7 |
90,09€ |
Nordrhein-Westfalen |
JVA Büren |
384 |
126 |
79,65€ |
Sachsen |
7 JVAs in 6 Städten |
k.A. |
33 |
70,60€ |
Sachsen-Anhalt |
JVA Volkstedt JVA Halle |
15 14 |
7 1 |
106,98€ (2010) |
Thüringen |
JVA Suhl-Goldlauter |
k.A. |
5 |
96,30€ |
Sowohl reine Abschiebungshaftanstalten als auch JVAs / Polizeigewahrsamsstellen werden genutzt in:
|
Name / Ort |
Maximale Belegung |
IST-Zahl 30.6.2011 |
Kosten pro Tag / Person |
Hessen |
EfA Offenbach + 9 JVAs in 8 Städten |
40 Knapp 3.000 |
34 53 |
JVA FfM: 87€ sonst. JVA: 105€ |
Rheinland Pfalz |
GEfA Ingelheim (s.o.) + [unbek.] JVAs |
40 (+50 Saarland) --- |
16 --- |
|
Schleswig-Holstein |
AHE Rendsburg + 4 JVAs in 4 Städten |
56 über 1.200 |
19 1 |
k.A. |
Hessen benennt einen „Fixkostenanteil“ von über 90%, d.h. die Kosten entstehen überwiegend auch, wenn der Abschiebungshaftplatz nicht genutzt wird (Anm. 5 zu Frage 61). Die Spannbreite der Kosten ist enorm (von 71€ Tagessatz in Sachsen bis ca. 200€ in Berlin und Brandenburg; Bremen nimmt mit 1.000€ für den Polizeigewahrsam eine Sonderstellung ein; bei Saarland gehe ich von einem Fehler aus.
Die jährlichen Gesamtkosten für das Jahr 2011 der acht Länder, die hierzu Angaben gemacht haben (BaWü, Berlin, Brandenburg, Bremen, Meck-Pomm., Niedersachsen, NRW und Saarland) beliefen sich auf: 22 Mio. Euro (21.931.447€, Frage 61).
Nordrhein-Westfalen nennt zusätzlich zu den Abschiebehaftkosten (4,6 Mio. €) für das 2011 weitere 2,6 Mio. € „Abschiebungskosten“ (Frage 62), Rheinland-Pfalz nennt 475.000€ Abschiebungskosten, das Saarland 236.500€.
Hinsichtlich der Staatsangehörigkeiten (Frage 47, Angaben ohne Hessen) gibt es Unterschiede zwischen den Bundesländern, … auffällig ist z.B. die Inhaftierung von 266 Afghanen im Jahr 2011 (bei „nur“ insgesamt 26 Abschiebungen im Jahr 2011 – hinzu kommen jedoch Zurückschiebungen usw.).
Aus der Haft entlassen werden (ohne, dass eine Abschiebung möglich wurde; Gründe werden nicht erfasst) mussten in (2011, übrige Länder: keine Angaben):
|
Entlassen |
Anteil an Inhaftierungen |
Baden-Württenberg |
142 |
32 % |
Niedersachsen |
76 |
27 % |
Rheinland-Pfalz |
59 |
36 % |
Saarland |
17 |
11 % |
Sachsen |
35 |
8 % |
Anmerkung: Inhaftierungen sind nur zulässig, wenn eine Abschiebung in der nächsten Zeit als realisierbar erscheint. Wenn unter den wenigen Ländern, die Angaben zur Zahl der Entlassungen gemacht haben, gleich drei sind, in denen die Quote der Entlassenen mehr oder weniger als ein Drittel beträgt (27-36%), so ist dies ein erschreckender Hinweis darauf, dass zu leichtfertig inhaftiert wird, obwohl Abschiebungen häufig letztlich nicht realisierbar sind.
So viele Abschiebungen erfolgten aus der Abschiebungshaft heraus (2011, keine Angaben machen die wichtigen Bundesländer: BY, NRW, Hessen, Frage 55):
|
2008 |
2011 |
Baden-Württemberg |
38% |
39% (hoch) |
Berlin (inkl. kurzfristigem Polizeigewahrsam!) |
86% |
59% (hoch) |
Brandenburg |
72% |
77% (hoch) |
Bremen |
45% |
43% |
Hamburg |
38% |
34% |
Mecklenburg-Vorpommern |
32% |
14% (niedrig) |
Niedersachsen |
47% |
32% |
Rheinland-Pfalz |
34,5% |
30% |
Saarland |
57% |
40% (hoch) |
Sachsen |
46% |
18% (niedrig) |
Sachsen-Anhalt |
65% |
33% |
Schleswig-Holstein |
56% |
30% |
Thüringen |
40% |
22% (niedrig) |
Aufgrund dieser Daten (ohne BY, NRW, Hessen und Berlin) lässt sich sagen: Etwa einem Drittel aller Abschiebungen (Zurückschiebungen usw.) ging 2011 eine Abschiebungshaft voraus (32%). Der Vergleichswert für 2008 beträgt: 44%. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass in der Praxis ein seltener von Abschiebungshaft Gebrauch gemacht wird.
Frage 57: Abschiebungen nach Verbüßung einer Strafhaft sind offenbar relativ selten, nur drei Länder machten hierzu Angaben (2011): Berlin: 4,4%, Brandenburg: 0%, Bremen: 8,8%.
Frage 63: Für den Zeitraum 2008-2011 werden offiziell acht Fälle von Suizide in Abschiebungshaft genannt (allein vier in Hamburg), sowie dutzendfache Suizidversuche (die aber von diversen Bundesländern nicht erfasst werden).
SONSTIGE INFORMATIONEN:
Frage 1: Die Ausführungen dazu, wie die Vorgabe der Richtlinie sichergestellt wird, dass Abschiebungshaft nur „als letztes Mittel“ erfolgen soll, sind weitgehend vage und unverbindlich.
Dies sei auch „bereits in der bisherigen Verwaltungspraxis nur als ultima ratio eingesetzt“ worden, vermeldet etwa Baden-Württemberg. Die Zweifel, dass diese vagen Zusicherungen in der Praxis beachtet werden, sind erheblich angesichts unzähliger dokumentierter Fälle, in denen Betroffene geradezu „überfallsartig“ abgeschoben werden und von einer „ultima ratio“ keine Rede sein kann.
Konkret ist lediglich die Anweisung der Leitung der zuständigen Behörde in Hamburg vom 24.3.2010, wonach Minderjährige grundsätzlich nicht zu inhaftieren sind (ebenso bei „freiwilliger Meldung“)!
Konkret ist auch ein Beschluss des Abgeordnetenhauses in Berlin vom 27.9.2001, wonach einer Abschiebungshaft der gescheiterte Versuch einer „Selbstgestellung“ („Einladungsabschiebung“ – ohne Festnahme und Zwangsvorführung) vorangegangen sein muss (allerdings lässt die Formulierung „grundsätzlich“ Ausnahmen zu).
NRW nennt immerhin konkrete Kriterien, die vor Verhängung von Abschiebungshaft zu prüfen sind (familiäre Bindungen, regelmäßige Vorsprachen usw.).
Niedersachsen und Bremen machen ein vorheriges „Untertauchen“ zur Verhinderung einer geplanten Abschiebung zur (jedoch nicht zwangsläufigen!) Bedingung.
Würde man die Vorgabe der „ultima ratio“ ernst nehmen, bedürfte es m.E. eines klaren Kriterienkatalogs, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und was einem Haftantrag vorausgehen müsste (z.B.: vergebliche Förderung der „freiwilligen“ Rückkehr, vorheriges Untertauchen, erfolglose Selbstgestellung usw.).
Frage 3: Der Umstand, dass nach der Richtlinie eine Abschiebungshaft vorrangig in „speziellen Hafteinrichtungen“ erfolgen soll, war bei der Richtlinien-Umsetzung im Gesetzgebungsverfahren besonders umstritten (siehe Vorbemerkung der Großen Anfrage). Die EU-Kommission hatte sich auf Anfrage des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes eindeutig dahingehend geäußert, dass Abschiebe-Inhaftierungen in herkömmlichen Justizvollzugsanstalten (JVA) unzulässig sind, wenn es im Mitgliedstaat spezielle Hafteinrichtungen gibt. Auf die Betrachtung der Länderebene käme es dabei nicht an, d.h. auch Bundesländern ohne spezielle Hafteinrichtungen ist es demnach nicht erlaubt, Abschiebungshäftlinge in „normalen“ Haftanstalten unterzubringen! Eine getrennte Unterbringung von „gewöhnlichen Strafgefangenen“ ist in JVAs ohnehin zwingend (siehe hierzu Frage 4). Bemerkenswert: Nach Ansicht der Bundesregierung spricht „Einiges“ dafür, dass auch die Unterbringung zusammen mit Untersuchungshäftlingen nach der Richtlinie verboten ist (vgl. Frage 5) – hierzu hat es insbesondere in Bayern bereits mehrere Gerichtsurteile gegeben.
Sowohl die Bundesregierung als auch die Bundesländer weichen einer inhaltlich-rechtlichen Auseinandersetzung mit dieser wichtigen Frage in ihren Antworten aus! Entgegen der Auffassung der EU-Kommission deuten z.B. folgende Bundesländer die Richtlinie: Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen-Anhalt, Thüringen – ohne dies näher oder in Auseinandersetzung mit der Stellungnahme der EU-Kommission zu begründen. Andere Bundesländer, wie z.B. NRW, setzen sich mit der Problematik nicht explizit auseinander und verstoßen aber in der Praxis gegen die Vorgabe einer vorrangigen Unterbringung in speziellen Hafteinrichtungen.
Zu Frage 8 sieht die Bundesregierung immerhin einen aus der Richtlinie sich ergebenden „Appell“ an die Bundesländer, die Errichtung spezieller Haftanstalten zu prüfen – letztlich obliege die Entscheidung aber ihnen.
Zur Antwort: