Vorgezogene Bundestagswahl: Lafontaine fischt am rechten Rand - WASG distanziert sich nicht
CHEMNITZ/BERLIN ? Oskar Lafontaine will es noch einmal wissen ? und dabei ist er sich für keine Klientel und für kein Thema zu gut. Ende Juni hatte der frühere SPD-Chef auf einer Kundgebung in Chemnitz gesagt, der Staat sei verpflichtet, "zu verhindern, dass Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter zu niedrigen Löhnen ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen". Die Äußerung hatte quer durch alle Parteien im Bundestag Empörung hervorgerufen ? die Wahlalternative Arbeit & Soziale Gerechtigkeit (WASG), für die Lafontaine antreten will, windet sich, distanzierte sich aber nicht.
Vielmehr fand Jörg Lau von der Wochenzeitung DIE ZEIT <externer Link> auf der Homepage der WASG auch noch ein als "Deutschland-Boogie" bezeichnetes Musikstück, in dem die politische Führungsschicht in Deutschland auf primitivste, im Falle des FDP-Chefs Guido Westerwelle gar auf homophobe Weise herabgewürdigt wird. Das Dementi der WASGv om 28. Juni 2005 hinsichtlich der Vorwürfe des Populismus und der Annäherung an neonazistisches Gedankengut begnügte sich im Wesentlichen mit lapidaren Hinweisen auf Parteigrundsätze und -programm ? man wird fragen dürfen, ob das nicht ein wenig den Beigeschmack von "das eine tun und über das andere reden" hat. Auch sonst befremden die politischen Positionen der Partei, die sich wochenlang, statt inhaltlich an der politischen Debatte in Deutschland teilzunehmen, mit der PDS über einen gemeinsamen Namen für die Teilnahme an der Bundestagswahl stritt.
So tritt die WASG für ein Nein zum europäischen Verfassungsvertrag ein. Sie setzt sich damit nicht allein dem Vorwurf des Populismus aus, indem sie auf der Welle der ablehnenden Volksentscheide in Frankreich und den Niederlanden reitet, sondern demontiert ein Papier, das alle anderen demokratischen Parteien in Deutschland außer der PDS seinen Grundzügen nach gutheißen und das dazu beitragen soll, Errungenschaften der Europäischen Union wie das grenzenlose Europa zukunftsfähig und -sicher zu machen. Arbeitspolitisch interpretiert WASG-Chef Ernst die Lafontaine-Äußerung so: "Wir müssen verhindern, dass durch eine schrankenlose Öffnung hier Menschen für 1,50 Euro in der Stunde arbeiten, egal wo sie herkommen." Viel beruhigender als bei Lafontaine klingt das nicht, und schon gar nicht hört es sich finanzierbar an, vor allem nicht mit Blick darauf, dass die Wiedereinstiegsjobs, die so genannten Ein-Euro-Jobs auf der Grundlage breiten politischen Konsens' erst in der laufenden Legislaturperiode eingeführt wurden.
Das migrationspolitische Credo der WASG klingt denn nicht weniger volkstümelnd: "Eine rosarote, friedvolle »Multikulti-Gesellschaft«, einen bunten wilden Garten wird es nicht geben. Aber eine gerechte, solidarische und gleichberechtigte Gesellschaft könnte es werden" ? worüber sich die WASG damit die Definitionshoheit anmaßt.
Zustimmung findet die WASG wenig überraschend zunehmend am rechten Rand des politischen Spektrums. "Kameradinnen und Kameraden, ran an die Basis der WASG", ruft das Soziale und Nationale Bündnis Pommern seine Anhänger dazu auf, die WASG in Mecklenburg-Vorpommern zu unterwandern. "Mit der WASG sind einer nationalen Oppositionsarbeit weitere Tore geöffnet worden", heißt es auch in einem Internet-Aufruf des NPD-Funktionärs Thomas Wulff, über den die "Berliner Zeitung" berichtet. Hellhörig werden lässt auch die Erklärung, die Helmut Holter von der Weggefährtin der WASG, der PDS, für das Phänomen hat: er bekennt, die Partei habe sich "noch mit keinem Wahlprogramm positioniert []. Sie ist gegen Hartz IV, gegen die Agenda 2010, hat sich ansonsten aber noch nicht festgelegt." Für ein Bündnis mit der PDS scheint dieser Grad an politischer Richtungsfindung ja bereits auszureichen.
In Umfragen liegt das aus WASG und PDS unter welchem Namen auch immer bei der Bundestagswahl antretende Linksbündnis zurzeit bei acht Prozent (ZDF-Politbarometer vom 24.06.2005). Jörg Lau fasst es in seinem Beitrag "Oskar Haider" in der ZEIT für WASG und Lafontaine gleichermaßen passend zusammen: "Oskar Lafontaine hat verstanden, dass der Populismus in Deutschland aus historischen Gründen nur Chancen hat, wenn er sich einen linken Anstrich gibt und doch hemmungslos das ganze Spektrum extremistischer Ansichten bedient. In Chemnitz hat er gezeigt, dass er sehr weit zu gehen bereit ist, um diese Chancen zu nutzen."