Die vom Bundestag beschlossene und vom Bundesrat bestätigte Änderungsgesetz zum FreizügG/EU zur Abschaffung der Freizügigkeitsbescheinigung tritt in den nächsten Tagen in Kraft. Kernpunkte der Änderung sind: Die Freizügigkeitsbescheinigung für Unionsbürger und EWR-Angehörige wird ersatzlos abgeschafft. Eingetragene Lebenspartner werden mit Ehepartnern gleichgestellt. Maßgaben zur Überprüfung von Scheinehen von Drittstaatern mit EU/EWR-Bürgern werden eingeführt.
Die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, wird im deutschen Recht im Wesentlichen durch das Freizügigkeitsgesetz/EU umgesetzt.
Mit der Änderung soll die Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten in Bezug auf ihr Recht auf Einreise und Aufenthalt nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU sowie die Vorschrift der Richtlinie 2004/ 38/EG zur Bekämpfung von Rechtsmissbrauch und Betrug erreicht werden.
Mit der neuen Befugnisnorm zur Bekämpfung von Missbrauch in § 2 Abs. 7 FreizügG/EU n. F. hat der Gesetzgeber erneut nicht die Möglichkeit genutzt, die Eingriffsrechte systematisch zu ordnen. Das Gesetz enthält ein wildes Durcheinander von Befugnisnormen, die zudem nicht aufeinander abgestimmt sind. Es drängt sich der Eindruck auf, dass in diesem speziellen Regelungsbereich kein Bedarf an einer ordentlichen, durchdachten Gesetzessystematik besteht. So regelt der Gesetzgeber in § 5 Abs. 4 FreizügG/EU n.F. die Rechtsgrundlage für ein Einschreiten der Behörde, wenn nachträglich die Freizügigkeit entfällt. Für den Spezialfall der Täuschung und der Scheinehe wird in § 2 Abs. 7 FreizügG/EU n.F. der Fall geregelt, dass von Anfang an die Voraussetzungen der Freizügigkeit nicht vorlagen. Warum der Normalfall nicht geregelt wird, bei dem die Behörde später feststellt, dass dem Ausländer zu Unrecht eine Freizügigkeitsbescheinigung ausgestellt wurde, bleibt unerfindlich.
Auch die erfolgte Ersetzung des Verwaltungsaktes in Form der Aufenthaltskarte für drittstaatsangehörige Ehegatten von Unionsbürgern durch eine bloße Bescheinigung, die gleichfalls als Aufenthaltskarte ausgestellt wird, ist nicht durchdacht. Unklar bleibt, wie mit den Altfällen zu verfahren ist, da keine Übergangsregelung aufgenommen wurde. Die Aufhebung des Satzes 2 in § 7 FreizügG/EU mag für die Zukunft richtig sein, weil die Bescheinigung nicht mehr aufgehoben werden muss, aber was passiert mit den feststellenden Verwaltungsakten, die in der Vergangenheit erlassen wurden. Hier wird erst nach einem Widerruf oder der Rücknahme der Aufenthaltskarte die Ausreisepflicht des drittstaatsangehörigen Familienangehörigen eines Unionsbürgers entstehen können.
Zudem ist kaum nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber nicht die Möglichkeit genutzt hat, die Vermutung der Freizügigkeit und deren Auswirkungen näher zu konkretisieren. Es steht zu vermuten, dass der Ministerialbürokratie die in Praxis bestehenden Probleme nicht bekannt sind. Dabei ist diese Fragen zentral, wenn es um den rechtmäßigen Aufenthalt eines Unionsbürgers geht. Hält sich ein Familienangehöriger kraft Freizügigkeitsvermutung rechtmäßig im Bundesgebiet auf, obwohl er über die Freizügigkeit getäuscht hat? Wie ist der Aufenthaltsstatus eines EU-Bürgers, wenn die Freizügigkeit entfällt? Unterfällt ein Drittstaatsangehöriger dem Freizügigkeitsgesetz, wenn er vorgibt, EU-Bürger zu sein und einen gefälschten Pass vorlegt? Was passiert, wenn die Meldebehörde die Fälschung nicht erkennt und eine Bescheinigung für Unionsbürger ausstellt?
Es überrascht nicht, wenn der Gesetzgeber Mängel im Gesetz nur unvollständig beseitigt. Dies gilt für das Daueraufenthaltsrecht bei Tod des Unionsbürgers in § 4a Abs. 4 FreizügG/EU n.F. ebenso, wie für die fehlende Umsetzung der Erleichterung des Nachzugsrechts für sonstige drittstaatsangehörigen Familienangehörige von Unionsbürgern (z. B. Tanten, Onkel usw.).
Dr. Dienelt