Europäisches Parlament stimmt Stärkung des Mandats von FRONTEX zu

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Die EU-Grenzschutzagentur Frontex erhält größere Vollmachten: Ab Ende 2011 werden Europäische Grenzkontrollteams die äußeren Grenzen der EU kontrollieren. Bei der Zusammenarbeit mit Drittstaaten soll Frontex auch auf deren Hoheitsgebiet aktiv werden können. Grüne EU-Abgeordnete kritisierendas neue Mandat als "halbherzig und lückenhaft".

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex wird mit einem neuen überarbeiteten Mandat ausgestattet. Das EU-Parlament stimmte am Dienstag in der ersten Plenarwoche nach der Sommerpause für eine Stärkung des Mandats der Agentur. Demnach werden europäische "Teams" von EU-Grenzschützern aufgestellt, die erstmals eigenständig in den Nationalstaaten tätig werden können. Dafür werden sie mit mehr Zuständigkeiten, aber auch mit mehr Mitteln und vor allem mit technischem Material ausgestattet.
Die in Warschau ansässige EU-Agentur soll künftig eigene Ausrüstung wie Fahrzeuge, Schiffe und Hubschrauber kaufen oder mieten können.
Vertreter aus Parlament, Kommission und der ungarischen Ratspräsidentschaft hatten sich zuvor in Trilogverhandlungen bereits auf eine Stärkung der Agentur einigen können.

Der Vorsitzende der CSU-Europagruppe, Markus Ferber, begrüßte den Beschluss: "Mit der verabschiedeten Verordnung wird es zu keinen Kompetenzstreitereien mehr zwischen der EU-Grenzbehörde und den nationalen Polizeibehörden kommen. Der EU-Ministerrat muss noch formal zustimmen, dann kann Ende des Jahres die Verordnung in Kraft treten", erklärte Ferber.

"Stärker auf die Finger schauen"

"Frontex wird nunmehr stärker im Auftrag der Gemeinschaft handeln können und nicht nur auf Gutheißen einzelner Mitgliedstaaten", so Nadja Hirsch, integrationspolitische Sprecherin der FDP im EU-Parlament. "Das heißt aber auch, dass gerade wir Europaabgeordnete der Agentur in Zukunft stärker auf die Finger schauen werden, was die Einhaltung von Menschenrechten und EU-Standards angeht. Denn zukünftig soll Frontex bei der Zusammenarbeit mit Drittstaaten auch auf deren Hoheitsgebiet aktiv werden können."
"Auch wenn Frontex in Zukunft handlungsfähiger wird, darf die Agentur keinesfalls als Instrument missbraucht werden, um die 'Festung Europa' auszubauen", warnt Hirsch. "Deshalb müssen wir den für Freitag erwarteten Vorschlag der Kommission über die Reform der Schengen-Acquis genau prüfen. Eine Stärkung der Außengrenzen macht nur dann Sinn, wenn die Freizügigkeit innerhalb der EU bestehen bleibt."

Birgit Sippel, SPD-Europaabgeordnete und Mitglied des Innenausschusses: "Immer wieder wird bei Frontex-Einsätzen Kritik wegen Menschenrechtsverletzungen erhoben. Das zeigt, dass klare Leitlinien, eine höhere Transparenz und eine parlamentarische Kontrolle der Agentur unbedingt notwendig sind. Mit dem neuen Mandat wird die Agentur entsprechend gestärkt, damit sie in Notfällen direkt eingreifen und das Leben von Flüchtlingen retten kann. Nur so stellen wir sicher, dass der Schutz von Flüchtlingen und ihr Anrecht auf Asyl gewahrt werden."

Sonderinspekteur für Menschenrechte

In Verhandlungen mit Rat und Kommission gelang es dem Parlament, Forderungen im Bereich der Menschenrechte durchzusetzen. So soll ein Sonderinspekteur gewährleisten, dass die EU-Grundrechte bei Einsätzen der Grenzschutzagentur gewahrt bleiben. Darüber hinaus soll ein Konsultationsforum eingerichtet werden, das den Direktor und den Verwaltungsrat in Grundrechtsfragen unterstützt. Wenn es zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen kommt, schreibt das neue Mandat Frontex vor, Einsätze abzubrechen.
Kritisch beurteilt Sippel indessen, dass Frontex künftig eigenständig Verträge mit Drittstaaten abschließen darf, zum Beispiel zu Rückführungsregeln. "Im Rahmen des Grenzschutzes darf es keine Zusammenarbeit zwischen Frontex und Drittstaaten geben, in denen den Flüchtlingen weitere Verfolgung, Folter oder die Todesstrafe drohen. Auch Abschiebungen von Flüchtlingen durch Frontex-Boote auf Hoher See müssen gestoppt werden. Stattdessen muss die Agentur dafür sorgen, dass Schutzbedürftige ihr Anrecht auf eine faires Asylverfahren wahrnehmen können", so Sippel.

Grüne: "Neues Mandat halbherzig und lückenhaft"

Die Grünen/EFA im EU-Parlament kritisieren das neue Mandat und enthielten sich bei der Abstimmung. Ska Keller, Sprecherin der Fraktion für Frontex, erklärte: "Das neue Frontex-Mandat ist halbherzig und lückenhaft. Es bleibt weit hinter unseren Forderungen nach einem starken Flüchtlings- und Menschenrechtsschutz zurück. Allein in diesem Jahr gibt es mindestens 1.500 Grenztote an den Außengrenzen der EU. Das ist unerträglich. Frontex muss endlich strikt und verbindlich auf die Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet werden. Mit den Regierungen der EU-Mitgliedsländer war das aber nicht zu machen. Sie haben sich bei den Verhandlungen über das neue Mandat vehement quergestellt und lauter Schlupflöcher offengehalten, die den Menschenrechtsschutz bei gemeinsamen Einsätzen mit den europäischen Grenzschützern aufgeweicht."
Barbara Lochbihler, Menschenrechtskoordinatorin der Grünen/EFA erklärte: "Wir haben zwar erreicht, dass Frontex nun einen Menschenrechtsbeauftragten bekommt. Das ist allerdings kein Kunstwerk: Bisher war die Grenzschutzagentur überhaupt nicht für Menschenrechtsfragen zuständig. Leider wird dieser Beauftragte nicht unabhängig agieren können, weil er der Frontex-Führung unterstellt ist. Damit bleibt auch dieses Projekt auf halber Strecke stehen. Zudem bleibt weiterhin unklar, wer in welcher Situation für Menschenrechtsverletzungen im Rahmen von Frontex-Einsätzen verantwortlich sein wird. Folglich ist zu befürchten, dass sich auch künftig die Mitgliedsstaaten und Frontex gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben. Es liegt nun am Europäischen Parlament und unabhängigen Initiativen, genau darauf zu achten, dass tatsächlich bei Frontex-Einsätzen die Menschenrechte eingehalten werden."

Quelle: EurActiv.de

Zum Gesamtdokument:

icon Entwurf zur Änderung der VO Nr. 2007/2004 (FRONTEX) vom 24.02.2010 (1.84 MB 2011-09-16 23:09:26)