Jahresbericht 2010/2011 der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter sowie humanitäre und menschenrechtliche Bewertung der Haftbedingungen in Deutschland

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Die Aufgabe der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter besteht darin, Orte der Freiheitsentziehung im Sinne des Artikel 4 des Fakultativprotokolls zur VN-Antifolterkonvention (Gewahrsamseinrichtungen) aufzusuchen, auf Missstände aufmerksam zu machen und gegebenenfalls Verbesserungen vorzuschlagen.

Dies ist im Organisationserlass des Bundesministeriums der Justiz vom 20. November 2008 über die Einrichtung der Bundesstelle zur Verhütung von Folter und in Artikel 2 Absatz 1 des Staatsvertrags vom 25. Juni 2009 über die Einrichtung eines nationalen Mechanismus aller Länder nach Artikel 3 des Fakultativprotokolls festgelegt. Der Staatsvertrag legt zugleich die Zahl der Mitglieder der Länderkommission auf vier fest; eine Änderung dieser Zahl ist nur durch einstimmigen Beschluss der Justizministerkonferenz möglich. Dies bedeutet, dass die Bundesstelle und die Länderkommission ihre Empfehlungen unmittelbar gegenüber den jeweils besuchten Einrichtungen und den für diese Einrichtungen zuständigen übergeordneten Behörden abgeben. Diese Praxis wird im Jahresbericht dokumentiert. Die Behörden sind nach Nummer 3 des Organisationserlasses und nach Artikel 2 Absatz 3 des Staatsvertrages gehalten, die Empfehlungen sorgfältig zu prüfen und gegenüber der Nationalen Stelle in angemessener Zeit Stellung zu nehmen. Aus dem Jahresbericht geht hervor, dass dies auch tatsächlich geschieht. Darüber hinaus kann die Nationale Stelle selbstverständlich auch Empfehlungen allgemeiner Natur an die Bundesregierung oder die Landesregierungen richten. Dies hat sie bisher noch nicht getan (Quelle aus der Antwort der Bundesregierung, Drs. 17/9593).  

Zum Gesamtdokument:

 icon Haftbedingungen in Deutschland - Antwort des Bundesregierung vom 09.05.2012 - Drs. 17/9593 - (96.13 kB 2012-07-08 12:33:53)

Aus dem Jahresbericht der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter:

Polizeidienststellen
Belehrung von Personen in Gewahrsam Insbesondere in Polizeidienststellen, aber auch bei der Bundeswehr stellt die Nationale Stelle fest, dass Personen in Gewahrsam nicht immer umfassend und unverzüglich über ihre Rechte belehrt werden. Hervorzuheben sind hier vor allem das Recht auf die Benachrichtigung von Angehörigen oder einer sonstigen Vertrauensperson, das Recht auf Hinzuziehung eines Arztes oder Ärztin sowie das Recht auf anwaltlichen Beistand. Diese Rechte werden auch vom CPT stets betont.

Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Personen auf der Grundlage des Polizeirechts oder des Strafprozessrechts in Gewahrsam befinden.

Die Nationale Stelle ist der Auffassung, dass die betroffenen Personen frühestmöglich schriftlich über ihre Rechte aufgeklärt werden müssen und die Belehrung auch nachvollziehbar dokumentiert sein muss. Dies stellt sicher, dass die genannten Belehrungen in der Praxis tatsächlich erfolgen. Ein kurzes, übersichtliches Belehrungsformular wie beispielsweise das Merkblatt für im Polizeigewahrsam festgehaltene/vorläufig festgenommene Personen des Landes Niedersachsen kann hier als Vorbild dienen.

Überprüfung der Gewahrsamstauglichkeit

Die Feststellung der Gewahrsamsfähigkeit einer Person ist unabdingbare Voraussetzung für deren Ingewahrsamnahme und ergibt sich aus der Betreuungs- und Fürsorgepflicht der Polizei. Bestehen an der Gewahrsamsfähigkeit Zweifel, so ist in jedem Fall die unverzügliche Hinzuziehung eines Arztes oder einer Ärztin erforderlich, selbst wenn die Person nur kurzfristig in Gewahrsam genommen wird. Damit eine ärztliche Untersuchung und Behandlung nicht unnötig verzögert wird, muss auch die Kostenübernahme in dem Sinn geregelt sein, dass das Land jedenfalls zunächst die anfallenden Kosten für die Untersuchung trägt. Dies sollte auch in den Polizeigewahrsamsordnungen aller Bundesländer eindeutig geregelt sein.

Überwachung durch Weitwinkelspione und Videokameras

Die Nationale Stelle hat verschiedentlich festgestellt, dass sowohl bei der Überwachung von Personen in Gewahrsam durch Weitwinkelspione als auch bei der Überwachung durch Videokameras der Toilettenbereich von der Überwachung nicht ausgenommen ist. Dagegen bestehen in Hinblick auf die Wahrung der Intimsphäre erhebliche Bedenken. Allerdings verkennt die Nationale Stelle nicht, dass es Fälle geben mag, in denen Sicherheitsbedürfnisse besonders zu berücksichtigen sind. Die Nationale Stelle wird im Gespräch mit den betroffenen Stellen weiterhin nach Lösungen für dieses Spannungsverhältnis suchen.

Weitere Schwerpunkte bei Besuchen von Polizeidienststellen sind:

  • Verwendung von Bandagensystemen als Fixierungsmaterial (keine Handschellen) und klare Regeln für die Durchführung von Fixierungen (Sitzwache)
  • Größe, baulicher Zustand und Sauberkeit der Gewahrsamsräume, Zugang zu Tageslicht und Frischluft
  • Brandschutz
  • Führung des Gewahrsamsbuches, sorgfältige Dokumentation des Betretens der Zellen durch Bedienstete und aller besonderen Vorkommnisse
  • Videoüberwachung, Wahrung der Intimsphäre, vor allem beim Toilettengang
  • Verfügbarkeit von Decken und abwaschbaren, schwer entflammbaren Matratzen
  • Vorhandensein einer dimmbaren Nachtbeleuchtung
  • Namensschilder der Beamtinnen und Beamten

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Zum Gesamtdokument:

icon Jahresbericht 2010/2011 der Bundesstelle zur Verhütung von Folter (1.03 MB 2012-07-08 12:29:59)