Reiseausweise für eritreische Staatsangehörige mit subsidiärem Schutz

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In Hamburg werden seit November 2020 aufgrund "neuer Erkenntnisse" der Ausländerbehörde Reiseausweise für Ausländer für eritreische Staatsangehörige mit subsidiärem Schutz erteilt.

Nach § 5 Abs. 1 AufenthV kann einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden.

Die Unzumutbarkeit der Erlangung eines Reisepasses ergibt sich nicht pauschal aus der Stellung als subsidiär Schutzberechtigter (BayVGH, B. v. 17.10.2018 – 19 ZB 15.428 – juris Rn. 4). Der Erlangung eines Nationalpasses steht unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit - anders als bei anerkannten Flüchtlingen nach § 3 AsylG oder Asylberechtigten nach Art. 16a GG – nicht die Vorschrift des § 72 Abs. 1 AsylG entgegen. Nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG führt die freiwillige Annahme eines Nationalpasses zur erneuten Unterschutzstellung durch den Verfolgerstaat und damit zum Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft bzw. Asylberechtigung. Für diese Personengruppen ist die Erlangung eines Nationalpasses per se unzumutbar, weshalb ihnen immer ein Reiseausweis für Ausländer zu erteilen ist. Die Norm gilt explizit aber nicht für subsidiär Schutzberechtigte nach § 4 AsylG. Für diese ist daher keine generelle Unzumutbarkeit der Passbeschaffung anzunehmen (vgl. auch HessVGH, B. v. 20.09.2019 – 3 D 2520/18 – juris Rn. 8 m.w.N.).

Dasselbe ergibt sich auch aus dem europäischen Recht. In diesem Zusammenhang ist es einem subsidiär Schutzberechtigten auch unter Berücksichtigung von Art. 25 der Richtlinie 2011/95/EU und der intendierten Angleichung des subsidiären Schutzstatus an die Flüchtlingseigenschaft nicht von vornherein und per se unzumutbar, bei den nationalen Behörden zwecks Erlangung eines nationalen Passes vorzusprechen. Im Unterschied zu anerkannten Flüchtlingen stellt Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU für subsidiär Schutzberechtigte ausdrücklich darauf ab, dass die Ausstellung von Reisedokumenten nur dann zu erfolgen hat, wenn diese Personen keinen nationalen Pass erhalten können. Die Frage, ob die Vorsprache bei der Heimatvertretung einem Ausländer zugemutet werden darf, lässt sich dabei nicht allgemeingültig, sondern nur nach Maßgabe der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilen. Im Grundsatz können aber nachweislich erfolglose Bemühungen zur Erlangung eines Nationalpasses gefordert werden (BayVGH, B. v. 17.10.2018 – 19 ZB 15.428 – juris Rn. 9). Ebenfalls zu berücksichtigen ist hierbei aber, ob nach den konkreten Umständen des Einzelfalls etwa wegen einer Gefährdung von Verwandten in Eritrea und einer möglicherweise zu leistenden Aufbausteuer die Vorsprache bei einer Auslandsvertretung zum Zwecke der Passbeschaffung unzumutbar ist.

Welche konkreten Anforderungen an das Vorliegen der Unzumutbarkeit zu stellen sind, beurteilt sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist im Hinblick auf den mit der Ausstellung eines Passes regelmäßig verbundenen Eingriff in die Personalhoheit eines anderen Staates grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Ausländerbehörde den Ausländer zunächst auf die Möglichkeit der Ausstellung eines Passes durch seinen Heimatstaat verweist und die Erteilung eines Reiseausweises erst dann in Betracht zieht, wenn diese Bemühungen nachweislich ohne Erfolg geblieben sind (BayVGH, B. v. 17.10.2018 – 19 ZB 15.428 – juris Rn. 5; OVG NRW, B. v. 17.05.2016 – 18 A 951/15 – juris Rn. 3).

Allerdings mag sich die Unzumutbarkeit der Passbeschaffung aus der Tatsache, dass bei der Beantragung eines Passes für die Inanspruchnahme der konsularischen Leistungen die Abgabe einer sogenannten „Reueerklärung“ verlangt wird, ergeben. In dieser muss der eritreische Staatsangehörige sich schuldig bekennen, durch das unerlaubte Verlassen des Landes und die Nichtableistung des Nationaldienstes eine Straftat begangen zu haben und dafür die noch festzusetzende Strafe akzeptieren. Die Abgabe dieser Erklärung kommt einem Schuldanerkenntnis gleich, unabhängig davon, ob die betroffene Person tatsächlich unerlaubt das Land verlassen hat oder nicht. Eine solche Erklärung geht über die zumutbare Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 AufenthV hinaus. Insbesondere sind aber die mit dieser Erklärung verbundenen Konsequenzen für den Ausländer unzumutbar. Für den Unterzeichner der Reueerklärung ist nicht absehbar, welche konkreten Strafen ihm für die illegale Ausreise drohen. Bei Unterzeichnung der Erklärung kann er das ihm drohende Strafmaß nicht erkennen und nicht abschätzen, ob dieses hinnehmbar ist. Insbesondere werden diese Strafen willkürlich nach freiem Ermessen der jeweils handelnden Behörde festgelegt. Hinzu kommt, dass der Unterzeichner je nach Schwere seines Falls zusätzlich mit willkürlicher Verhaftung und militärischem Straflager rechnen muss.

Welche Gründe für die Änderung der Verwaltungspraxis in Hamburg entscheidend sind, ist aber nicht erkennbar.