Am 30.01.2013 hat die Fraktion Bündnis 90/DieGrünen einen umfassenden Gesetzentwurf zur Anwendung des Assoziationsrechts der Europäischen Union mit der Türkei im Aufenthalts-, Beschäftigungserlaubnis- und Beamtenrecht (BT-Drs. 17/12193) in den Bundestag eingebracht. Der Entwurf soll Ende Februar in erster Lesung debattiert werden. Mit dieser Gesetzesinitiative könnte es gelingen, Behörden und Gerichten Regelungen an die Hand zu geben, die erstmals eine einheitliche und umfassende Rechtsanwendung in Bezug auf das Recht für türkische Staatsangehörige und ihre Familienangehörigen überhaupt ermöglichen. Denn gegenwärtig sind nur eine Handvoll Experten in der Lage, die Rechtslage türkischer Staatsangehöriger und ihre Familienangehörigen zu überblicken. Der Entwurf ist insbesondere deshalb zu begrüßen, weil das Bundesinnenministerium seiner Aufgabe, die Verwaltungsvorschriften zum ARB 1/80 zu überarbeiten, bisher nicht nachgekommen.
In inzwischen über 50 Entscheidungen hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) festgestellt, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) den in der EU lebenden Staatsangehörigen der Türkei und ihren Familienangehörigen Rechte vorenthalten, wie sie sich aus dem Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei und den auf dieser Grundlage ergangenen Rechtsakten ergeben.
Der EuGH hat in einer Vielzahl von Urteilen insbesondere die Rechtslage in Deutschland beanstandet, weil sie nicht den europarechtlichen Vorgaben entsprach. Denn in der deutschen Rechtsordnung ist der Rechtsstatus der Assoziationsrechtsberechtigten allenfalls ganz rudimentär abgebildet. Zudem stehen die Bestimmungen des allgemeinen Aufenthaltsrechts nach der Rechtsprechung des EuGH bei Staatsangehörigen der Türkei häufig in einem Widerspruch zur wirklichen Rechtslage, wie sie sich aus dem Europarecht ergibt.
Die Urteile des EuGH werden jedoch bislang nicht oder allenfalls unzureichend im deutschen Recht umgesetzt.
Durch den grünen Gesetzentwurf werden die sich aus dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei unmittelbar ergebenden Rechte explizit im deutschen Recht (Aufenthaltsgesetz, Aufenthaltsverordnung, Beschäftigungsverordnung, Bundebeamtengesetz, und Beamtenstatusgesetz) verankert. Dies dient der Transparenz und Rechtssicherheit – nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch der Rechtspraxis insgesamt.
Der Gesetzentwurf trifft auch klarstellende Regelungen bei einigen Einzelfragen, die der EuGH zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, die sich jedoch auf der Linie seiner bisherigen Rechtsprechung zu Gunsten der Betroffenen beantworten lassen. Darüber hinaus werden Lücken zwischen dem europarechtlichen Assoziationsrecht und dem nationalen Aufenthaltsrecht insbesondere im Hinblick auf Personen geschlossen, die wegen des Bezugs einer Rente aus dem Erwerbsleben ausscheiden.
Der Gesetzentwurf löst dabei auch das bisherige Problem, dass die Betroffenen jeden Rechtsfortschritt mühsam beim EuGH gegen unwillige Behörden erstreiten mussten.
Dr. Dienelt