Aspekte und Handlungsfelder der Migrationspolitik für die Jugend
BERLIN - Wie sind Jugendliche und Heranwachsende von Migrationsentscheidungen betroffen? Wie kann ihre und die Entwicklung ihrer Herkunftsländer durch Maßnahmen der Migrationspolitik gefördert werden? Welche Handlungsfelder bestehen für Ursprungs- und Aufenthaltsstaaten?
Diese und viele weitere Fragen wurden am 12. und 13. September 2005 von hochrangigen Teilnehmern auf dem internationalen Politikworkshop zur Vorbereitung auf den Weltentwicklungsberichts 2007 (WDR 2007) erörtert.
In Vorbereitung des Weltentwicklungsberichts (World Development Report, WDR) 2007 tagt unter dem Titel ?Entwicklung und die nächste Generation? gestern und heute, am 12. und 13. September 2005, ein internationaler Politikworkshop, den die Internationale Weiterbildungs- und Entwicklungsgesellschaft (InWEnt) gemeinsam mit dem Bundesentwicklungsministerium (BMZ) und der Weltbank veranstaltet. Ein Kapitel des WDR 2007, der das Thema Jugend zum Schwerpunkt hat, wird sich mit der Frage nach ?Migration und Jugend? befassen, die von den hochrangigen Teilnehmern gestern Nachmittag diskutiert wurde.
Die Diskussion um die Gründe und Auswirkungen von Jungmigranten spielt schon deswegen eine besondere Rolle, da ein Großteil der Migranten zum Zeitpunkt ihrer Wanderung zwischen 15 und 25 Jahre alt ist. Die Sitzung wurde von Tanja El-Cherkeh vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) geleitet; zu den Diskutanten gehörten u.a. die renommierten Experten für Entwicklungsökonomie Prof. Dr. Christian Dustmann vom University College London und Prof. Dr. Robert E.B. Lucas von der Boston Universität.
Migrationspolitik kann junge Migranten dabei in allen Phasen der Migration betreffen, bzw. sind junge Menschen den sog. Herkunftsländern oftmals der Migration ihrer Familienangehörigen betroffen, auch wenn sie selber ihren Heimatstaat gar nicht verlassen.
Typischerweise unterscheidet man in der Migrationsforschung zwischen drei Aspekten der Migration, den sog. ?3 Rs?: Rekrutierung, Rücküberweisungen und Rückkehr.
Unter dem Aspekt Rekrutierung, als der Frage, warum Migranten auswandern und nach welchen Kriterien sie über das ?Ob? und das ?Wohin? entscheiden, kann hinsichtlich Jugendlicher und Heranwachsender festgehalten werden, dass viele von ihnen durch Menschenhandel und -schmuggel in die Industriestaaten gelangen. Gerade junge Mädchen werden oftmals unter falschen Versprechungen zum Ausreisen gebracht. Strategien zur Bekämpfung des Menschenhandels und ?schmuggels kommen damit insbesondere jungen Migrantinnen zu gute. Einreiserechtliche Bestimmungen sind für sog. Drittstaatler stets von besonderer Bedeutung, da sie es sind, die ihnen die Einreise, den Aufenthalt und den Verbleib im Zielland gestatten oder nicht gestatten. Zum einen ist in dieser Hinsicht (zunächst ungeachtet einer etwaigen politischen Durchsetzbarkeit) zu überlegen, wie sich weitgehende Zuwanderungsrechte von jungen Migranten mit und ohne Qualifikationen und zum Zwecke des Studiums auswirken. Allgemein in Europa wie auch in Deutschland im Speziellen spielt darüber hinaus der Familiennachzug eine herausgehobene Rolle, nachdem die Mehrheit der heute zuziehenden Ausländer aus diesem Grunde einen Aufenthaltstitel erlangt.
Hier stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, dass jugendliche Abkömmlinge mit oder nach ihren Eltern in die Zielstaaten reisen. Aus einer persönlichen, individuellen Perspektive und unter Berücksichtigung des Menschenrechtes auf familiäre Einheit, das sowohl in Art. 6 des Grundgesetzes als auch in Art. 8 Abs.1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) Eingang gefunden hat, ist der Zuzug von Kindern zu ihren Eltern als positiv zu bewerten. Auch wenn man nicht vornehmlich auf das persönliche Wohlergehen der Kinder, sondern vielmehr auf die Wohlfahrt des Herkunftslandes abstellt, spräche die Entlastung der Schulsysteme in Entwicklungsländern, die oftmals nur über begrenzte Kapazitäten verfügen und die bessere Ausbildung der Kinder in Industriestaaten, die sich rentieren könnte, wenn die Kinder später qualifiziert zurück kehren, für umfangreiche Nachzugsregelungen.
Andererseits haben empirische Untersuchungen gezeigt, dass Migrantinnen und Migranten weniger in ihre Heimatländer zurück überweisen, wenn ihre Familie bei ihnen im Gastland ist. Insofern könnte sich der Kindernachzug negativ auswirken, da diese sog. Rücküberweisungen oftmals als wichtige Finanzierungsquelle der Entwicklungsländer darstellen.
Auf einer weiteren Ebene könnten Rücküberweisungen eine Rolle spielen: Diese Geldtransfers sind wie bereits dargestellt oftmals quantitativ sehr hoch und übertreffen in einigen Ländern die öffentliche Entwicklungshilfe bei weitem. Allerdings wird ihre Qualität oftmals kritisch betrachtet. Experten nehmen an, dass ein Großteil dieser Mittel nur zu Konsumzwecken verwandt wird, von denen die einheimische Volkswirtschaft nur sehr gering profitiert; nur ein geringer Teil werde für die gerade in Afrika dringend benötigten Investitionen verwandt. Wenn es gelänge, einen Teil dieser Rücküberweisungen zu bündeln und im Rahmen von bestimmten Initiativen der Grund-, Sekundär- und Universitätsbildung zuzuführen, könnte die Auslandsbevölkerung der Jugend im jeweiligen Ursprungsland zu weiteren Perspektiven verhelfen. Hierzu könnten Herkunfts- und Aufnahmestaaten, wie auch beide Zivilgesellschaften gemeinsam beitragen.
Hinsichtlich des dritten Migrationsaspekts, der Rückkehr ins Heimatland, ist zunächst zu wiederholen, was bereits oben angesprochen wurde: Kommen Jungmigranten in Industriestaaten, erhalten sie hier eine schulisch, eine berufliche und vielleicht sogar eine universitäre Ausbildung und kehren danach in ihre Heimatländer zurück, so kann dies positive wirtschaftliche Auswirkungen auf das Land haben. Aufnahmestaaten wie Deutschland könnten diese Entwicklung durch verstärkte Förderung von Migrantenkindern und ihrer Unterstützung beim Erlernen von Qualifikationen, die in den Ursprungsländern gebraucht werden, unterstützen. Denn der Engpass an Humankapital wird oftmals als Entwicklungshemmnis betrachtet. Auch im Hinblick auf die Demokratisierung und Verbreitung von Menschenrechten ist die Prägung, die die Rückkehrer zuvor in westlichen Gesellschaften gemacht haben, vielfach relevant. Allerdings müssen in den Herkunftsländern auch adäquate Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen.
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Familiennachzug von Kindern sich grundsätzlich negativ auf die Rückkehrentscheidung der gesamten Familie auswirkt, wenn dies zur Folge hat, dass die gesamte Familie im Aufnahmestaat bleibt und das Ursprungsland nicht von der Rückkehr der qualifizierten Migranten profitieren kann.
Diese hier angesprochenen Aspekte der Migration betreffen wirtschaftlich orientierte Wanderungsbewegung. Darüber hinaus wird vielfach ein besserer Schutz von Kindern im Flüchtlingsbereich gefordert, der u.a. vorsieht, dass diese nicht in Ausreisezentren untergebracht werden dürften und falls sie sich dort aufhalten, müsste eine bessere Schulbildung sichergestellt werden (siehe hierzu: externer Link).
Letztlich bestehen in diesem Zusammenhang viele Fragen, deren Beantwortung eine bessere Kenntnis über Gründe und Folgen von Migrationsentscheidungen erforderte. Eine Begutachtung ?unter Sicherheit? wird jedoch auch nach weiterer Migrationsforschung nicht möglich sein. Außerdem dominieren bei der Erörterung von einreise- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen eindeutig die innen- und sicherheitspolitischen Erwägungen. Dabei sollte man letztlich nie außer Acht lassen, dass Migrationsrecht stets Auswirkungen auf die eigene Gesellschaft, diejenige der Ursprungsländer und nicht zu letzt auf die Migrantinnen und Migranten persönlich hat.
von Daniel Naujoks
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