Die Einbürgerung von Türken sorgt wieder einmal für Schlagzeilen. ?48 000 Türkischstämmige verlieren deutschen Paß? titelte die FAZ am 7, Februar 2005. Ist diese Meldung nicht nur in alter Schreibweise geschrieben, sondern auch einem alten Denken über Staatsangehörigkeitsfragen verhaftet? Bahnt sich hier ein emotionsgeladener Neuaufguss der Doppelpass-Kampagne an? Oder hat die Debatte einen ernstzunehmenden Hintergrund? Doppelte Staatsbürgerschaft für Türken oder Deutscher Pass ade? Eine Kolumne zum Wochenende von Professor Dr. Günter Renner.
Rechtslage
Die Rechtslage ist einfach und kompliziert zugleich. Seit 1914 verliert grundsätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit, wer auf Antrag eine andere erwirbt. Bis Ende 1999 trat diese Rechtsfolge, die nur durch eine Genehmigung zur ausnahmsweisen Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit abgewendet werden kann, nur dann ein, wenn der Deutsche im Ausland lebte. Seit der Reform des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts im Jahre 2000 ist der automatische Verlust nicht mehr von dem Auslandswohnsitz abhängig (§ 25 StAG).
Einbürgerungspraxis vor und nach 2000 und ihre Spätfolgen
Wie in den 1990er Jahren auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, haben damals vor allem türkische Staatsangehörige von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die türkische Staatsangehörigkeit im Anschluss an die Einbürgerung in Deutschland wiederzuerwerben. Nicht zuletzt deswegen wurde die jetzige Fassung des § 25 StAG geschaffen. Wer nach dem 1. Januar 2000 als (eingebürgerter) Deutscher die türkische Staatsangehörigkeit (erneut) erworben hat, hat die deutsche verloren, es sei denn, ihm wäre die Beibehaltung der deutschen genehmigt worden. Welche Personen davon betroffen sind, lässt sich in Deutschland nicht ohne weiteres feststellen, weil bisher keine verbindlichen Vereinbarungen mit der Türkei über eine gegenseitige Mitteilung solcher Fälle bestehen.
Angesichts der Änderung der Rechtslage seit 1. Januar 2000 sind je nach dem Zeitpunkt der Wiedereinbürgerung zwei Fallgruppen zu unterscheiden:
1. Wer vor diesem Zeitpunkt die türkische Staatsangehörigkeit erworben hat und damals in Deutschland lebte, hat die deutsche nicht verloren. Die Behörde kann aber unter Umständen die Einbürgerung in Deutschland zurücknehmen und die Rücknahme darauf stützen, dass der Deutsch/Türke die Einbürgerung erschlichen hat, weil er von Anfang an die Wiedereinbürgerung in der Türkei beabsichtigte.
2. Wer nach dem 1. Januar 2000 auf seinen Antrag die türkische Staatsangehörigkeit erhalten hat, hat damit seine deutsche verloren. Dafür kommt es nicht darauf an, ob der Antrag vor oder nach diesem Zeitpunkt gestellt war. Außerdem ist es unerheblich, ob türkische Behörden diese Praxis geduldet oder gefördert haben. Schließlich ist der Verlust auch nicht von einem Verschulden abhängig. Unabhängig davon kann bei den Betroffenen angenommen werden, dass sie gerade wegen der heftigen Auseinandersetzungen um den ?Doppelpass? die Rechtslage sehr wahrscheinlich genau kannten und daher wussten, dass die früher auf einem Umweg erreichbare Chance einer zweifachen Staatsangehörigkeit mit der Reform von 2000 beseitigt worden war.
Lösungen
Wer entweder nach Rücknahme der
1. Als ehemaliger Deutscher kann der Betroffene nach Ermessen eingebürgert werden, wenn er rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (§§ 8, 13 StAG). Hieran fehlt es ihm aber, weil er als Ausländer keinen Aufenthaltstitel (mehr) besitzt. Es erscheint auch nicht zulässig, ihm jetzt noch auf Antrag die Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit zu genehmigen und damit die Verlustfolgen rückgängig zu machen. Ebenso unzulässig wäre es, im Wege von Verwaltungsanordnungen diese Rechtslage zu modifizieren. Politische Gesichtspunkte, wie das deutsche Interesse an der Gewinnung integrierter Staatsbürger, erscheinen erwägenswert, taugen aber ohne ausreichende gesetzliche Grundlage nicht für die Verleihung von Statusrechten.
2. Eine Niederlassungserlaubnis kann der Betroffene beanspruchen, wenn er im Verlustzeitpunkt seit fünf Jahren als Deutscher seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte; bei einer Aufenthaltszeit von mindestens einem Jahr steht ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu (§ 38 AufenthG). Die Art und Weise der Erlangung und des zeitweiligen Besitzes zweier Staatsangehörigkeiten kann ihm dabei nicht entgegengehalten werden.
Eine Aufenthaltserlaubnis kann dem türkischen Staatsangehörigen auch dann zustehen, wenn während des Besitzes der deutschen Staatsangehörigkeit Kinder geboren wurden. Deren Staatsangehörigkeit bleibt unberührt, wenn sie selbst keine Wiedereinbürgerung in der Türkei betrieben haben. Dem Elternteil ist dann zum Zwecke der Personensorge ohne weiteres eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (§ 28 I 1 Nr. 3 AufenthG).
Fazit
- Vor dem Jahre 2000 erfolgte Widereinbürgerungen in der Türkei können die Rücknahme der deutschen Einbürgerung rechtfertigen.
- Die Wiederaufnahme in den türkischen Staatsverband nach diesem Zeitpunkt hat ausnahmslos zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit geführt.
- Eine Lösung kann für die Betroffenen (zunächst) nur durch Zuerkennung eines Aufenthaltsrechts gefunden werden, nicht durch erneute Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit.
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