Duldung, Aufenthaltserlaubnis, Ausländerrecht, Rechtsanwalt, Rechtsanwälte

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Dauerduldung ade?

Die Geschichte der Duldung ist wechselvoll und unberechenbar ? wie das Wetter aus der Hand von Kachelmann. Die Duldung ist so alt wie die Rechtsordnung ? älter jedenfalls als Schwarzbauten im Naturschutzgebiet und Ausländer ?ohne Papiere?, die man allesamt als ilegal zu bezeichnen pflegt und ? duldet. Die aufenthaltsrechtliche Duldung fristete zunächst unter dem Regime der Ausländerpolizeiverordnung von 1938 und des Ausländergesetzes von 1965 ein friedliches Dasein. Es herrschte Kalter Krieg, und jeder, der sich bei der Abstimmung mit den Füßen nach Westen wandte, war hier herzlich ? nein, nicht willkommen, sondern ? geduldet. Lange Zeit waren alle mit dieser illegalen Lösung zufrieden, bis sich die ersten Einheimischen unwohl fühlten unter so vielen Geduldeten aus dem Osten und ganz unduldsam zu werden begannen. Wähnten sie doch hinter den politischen Vorwänden die schlimmsten Motive, die man sich ausmalen konnte: wirtschaftliche.

Einerseits waren die Ostblockflüchtlinge sympathisch ob ihrer Abneigung gegenüber dem Kommunismus, andererseits machten sie sich unbeliebt, weil sie den Kapitalismus nicht nur liebten, sondern auch erleben wollten. Erschwert wurde die Lage durch eine gewisse Unübersichtlichkeit, die aus der bunten Zusammensetzung der ?Illegalen? herrührte. Da waren zum einen erfolglose Asylbewerber und erfolglose Vertriebenenausweisbewerber und zum anderen erfolgreiche Sperrbrecher aus anderen Gründen, nämlich Menschen, die sich außerhalb von politischer oder ethnischer Verfolgung zum Seitenwechsel entschieden und die Grenzen überwanden, darunter auch eine stattliche Anzahl wenig zimperlich agierender Regimekritiker mit kriminellem Hintergrund.Irgendwann Mitte der 1960er Jahre sah die Innenverwaltung die Zeit gekommen und beschloss, dem Dulden nicht ewig zuzuschauen, sondern es sozialverträglich auslaufen zu lassen. Doch da hatte man die Rechnung ohne Herbert Wehner gemacht. Er stellte klar, dass das Leben in real existierenden sozialistischen Staaten der damals erreichten Entwicklungsstufe nun mal kein Zuckerschlecken war. Deshalb könne man Flüchtlingen, die das erkannt hätten, nicht einfach unlautere Motive unterstellen und sie in das Elend hinter dem Eisernen Vorhang zurückschicken. Nur am Grünen Tisch könne man auf eine solche Idee verfallen. Damit war die Dauerduldung als ?Aufenthaltserlaubnis zweiter Klasse? geboren. Niemand rechnete mit einem baldigen Ende von Mauer, Stacheldraht und Sowjetimperium, und so mutierte nach und nach so manche Duldung in eine ordentliche Aufentahltserlaubnis.

Diese freundliche Grundstimmung schlug um, als der Eiserne Vorhang fiel. Im Ausländergesetz von 1990 wurden Ermessensspielräume verengt oder beseitigt und für humanitäre Zwecke unter anderem die Aufenthaltsbefugnis geschaffen. Damit sollte auch der Duldung das Wasser abgegraben werden. Doch wo Rechtgsründe oder die tatsächlichen Verhältnisse eine Abschiebung verhindern, gibt es nur zwei Alternativen: Erlauben oder Dulden. So wurde die Aufenthaltsbefugnis in vielen Bundesländern als hilfreiches Mittel erkannt und genutzt, um Kettenduldungen zu vermeiden, in anderen Ländern eher nicht. Dort verfiel man auf eine als pragmatisch gepriesene, also mit einiger Wahrscheinlichkeit rechtswidrige Verfahrensweise. Es wurden keine Duldungsbescheinigungen mehr ausgestellt. Diese Idee konnte gut zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung, taugen, wurde aber auch in der Revisionsinstanz als gesetzeswidrig entlarvt.

Derweil sprudelten die mannigfachen Quellen für immer neue illegale Aufenthalte und immer neue Duldungen munter weiter. Hiervon zeugte nicht zuletzt eine schier endlose Schlanhe von Altfall- und Bleiberechtsregelungen ? jede für sich und in ihrer Gesamtheit sichere Hinweise auf Unzulänglichkeiten des Rechs und der Rechtsanwendung. Dieser untragbare Zustand blieb auch dem Gesetzgeber nicht verborgen, und er sann auf Abhilfe. Zunächst entschloss er sich wie schon einmal gewiefte Praktiker (siehe oben) zur Lösung des Problems zur Abschaffung der Duldung. Doch in der sicheren Erkenntnis, dass sich damit allein die menschlichen Schicksale nicht ungeschehen machen ließen, erfand er als probaten Ersatz die ?Bescheinigung?. Aus Geduldeten sollten Bescheinigte werden. Erst im letzten Augenblick dämmerte es den Experten: Ettikettenwandel allein schafft noch keinen Fortschritt. Etwas verschämt nahm die aufenthaltsrechtliche Duldung wieder Einzug in die Rechtsordnung, wenn auch an versteckter Stelle in § 60a Aufenthaltsgesetz.

Der Gesetzgeber ging noch darüber hinaus. Nicht alles sollte beim Alten bleiben. Die Möglichkeiten der Legalisierung von Geduldeten wurden verbessert. Doch dies ist eineigenes Kapitel und soll in der nächsten Woche behandelt werden.