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Europäisches Haftbefehlsgesetz ? EuHbG, BGBl. I 1748 BVerfG, 2 BvR 2236/04, Art.23 I GG

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Deutsche dürfen immer in Deutschland leben

Dieser Grundsatz gilt nicht ohne Ausnahme. Mit der Staatsangehörigkeit sind staatliche Schutzverpflichtungen untrennbar verbunden. So darf der Staat seinen Staatsangehörigen den Zugang zum Staatsgebiet nicht verwehren, und er darf sie vor allem nicht zwangsweise des Landes verweisen. Bis vor kurzem gehörte auch das Auslieferungsverbot zu diesen absoluten Hindernissen, die auch nicht durch andere Formen der Aufenthaltsbeendigung umgangen werden dürfen.

Erst im Jahre 2001 wurde das Auslieferungsverbot im Grundgesetz eingeschränkt (Art. 16 II 2 GG). Durch Gesetz sind seither Ausnahmen zulässig für Auslieferungen an einen EU-Mitgliedstaat oder an einen internationalen Gerichtshof. Den Hintergrund bildeten die Internationalisierung der Verbrechensbekämpfung und die Ausführung des EU-Auslieferungsübereinkommens. Die so selbstverständlich klingende Einschränkung ?soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind? muss der Gesetzgeber einhalte, er muss aber außerdem sein grundsätzlich weites Ermessen danach ausrichten, ob eine Ausnahme grundsätzlich gerechtfertigt ist und in welchem Umfang sie zugelassen werden soll. Hieran sind die Verfassungsorgane im Falle des Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Europäisches Haftbefehlsgesetz ? EuHbG) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I 1748) gescheitert. Dies Gesetzt verstößt gegen Art. 2 I in Verbindung mit Art. 20 III, Art. 16 II und Art. 19 IV des Grundgesetzes und ist nichtig.

Mit der wünschenswerten Deutlichkeit hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 18. Juli 2005 in dem Verfahren 2 BvR 2236/04 vom 18.7.2005 festgestellt, dass die in der "Dritten Säule" der Europäischen Union praktizierte Zusammenarbeit einer begrenzten gegenseitigen Anerkennung einen auch unter Subsidiaritätsgesichtspunkten (Art. 23 I GG) schonenden Weg darstellt, um die nationale Identität und Staatlichkeit in einem einheitlichen europäischen Rechtsraum zu wahren. Der Gesetzgeber war danach beim Erlass des Umsetzungsgesetzes zum Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl verpflichtet, das Ziel des Rahmenbeschlusses so umzusetzen, dass die Einschränkung des Grundrechts auf Auslieferungsfreiheit verhältnismäßig ist. Insbesondere hat der Gesetzgeber über die Beachtung der Wesensgehaltsgarantie hinaus dafür Sorge zu tragen, dass der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 16 II GG schonend erfolgt. Dabei muss er beachten, dass mit dem Auslieferungsverbot gerade auch die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes für den von einer Auslieferung betroffenen Deutschen gewahrt werden sollen. Das Vertrauen des Verfolgten in die eigene Rechtsordnung ist von Art. 16 II GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip dann in besonderer Weise geschützt, wenn die dem Auslieferungsersuchen zu Grunde liegende Handlung einen maßgeblichen Inlandsbezug hat.

Der deutsche Gesetzgeber wird nun erneut tätig werden müssen, um die europaweite Verfolgung von Straftaten nicht weiter zu behindern. Erstaunlich muss es schon wirken, dass die jetzt vom BVerfG festgestellten augenscheinlichen rechtsstaatlichen Mängel von keinem der beteiligten Verfassungsorgane bemerkt wurden. Noch verwunderlicher mag es erscheinen, dass die Bundesjustizministerin einen neuen Entwurf in den nächsten Wochen angekündigt hat. Hätte es nicht einer ordnungsgemäßen Amtsführung entsprochen, sich auf den Fall der Nichtigerklärung vorzubereiten und einen neuen Gesetzentwurf sofort nach der Urteilsverkündung vorzulegen? Damit hätte doch ein besonderes Maß an Achtung des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck gebracht werden können? Außerdem hätte damit der Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt werden können, die Ministerin sei in jeder Lage problembewusst und handlungsfähig!

Eigentlich schade, dass nun der irrtümlichen Auffassung Vorschub geleistet wird, die deutsche Verfassung sei nicht europatauglich. Dabei scheint es nur an der handwerklichen Umsetzung von auf europäischer Ebene auch von Deutschland beschlossenen Vorgaben zu hapern. Leider kein gutes Zeichen für den Standort Deutschland.

Weiteres zum Thema Rechtssprechung Bundesverfassungsgericht hier.

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