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Nachruf Prof. Dr. Günter Renner, Ausländerund Zuwanderung in Deutschland, Klaus J. Bade

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Nachruf Prof. Dr. Günter Renner (24.4.1939 ? 19.08.2005)

Am 27. Oktober 2005 wollte Prof. Dr. Günter Renner an unserem Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück mit einem Vortrag zum Thema ?Das Zuwanderungsgesetz ? Ende des deutschen Ausländerrechts?? den Auftakt zu einer Vortragsreihe im Wintersemester geben, die sich mit Ausländerrecht und dem neuen Zuwanderungsgesetz beschäftigen sollte. Wir waren auf diesen kritischen Auftakt unserer Vortragsreihe sehr gespannt. Es hat nicht sollen sein: Abrupt wurde Günter Renner am 19. August 2005 aus einem engagierten und schaffensreichen Leben abberufen, in dessen Mittelpunkt zuletzt besonders der weite Themenbereich stand, der immer häufiger in seinem Sinne unter dem Oberbegriff ?Migrationsrecht? zusammengefaßt wird. Die Themen Migration und Recht ? hier im Sinne von Zwangswanderung und Entrechtung ? haben schon die erste schwere Jugenderfahrung von Günter Renner bestimmt: Seine Familie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aus Niederschlesien vertrieben, wo er 1939 in Schmottseifen geboren worden war. In Hessen aufgewachsen, studierte Günter Renner nach dem Abitur in Friedberg und dem Wehrdienst Rechtswissenschaften in Frankfurt a.M. und Berlin. Er absolvierte 1965 und 1968 in Frankfurt die beiden juristischen Staatsexamina und entschied sich für die richterliche Laufbahn, die 1969 beim Landgericht Frankfurt begann. 1977 ? 1981 als Wiss. Mitarbeiter an das Bundesverfassungsgericht abgeordnet, wurde er im April 1979 zum Richter und im August 1987 zum Vorsitzenden Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel ernannt, wo er seither einen Senat für Staatsangehörigkeits-, Ausländer- und Asylrecht leitete.

Das Gericht war und blieb zwar die zentrale Dimension des beruflichen Leben von Günter Renner. Sie wurde in den beiden letzten Jahrzehnten seines Lebens aber zunehmend durch benachbarte Dimensionen begleitet, die nach seinem Eintritt in den Ruhestand ganz in den Vordergrund treten sollten: Günter Renner promovierte 1996 an der Universität zu Regensburg bei Prof. Dr. Otto Kimminich, der unserem Institut ebenfalls freundschaftlich verbunden war, mit einer exzellenten Dissertation zum Thema ?Einreise und Aufenthalt von Ausländern nach dem in Deutschland geltenden Recht?. Er hatte aber schon 1984 ? 1988 an der Verwaltungsfachschule des Landes Hessen Vorlesungen über Staatsangehörigkeits-, Personenstands- und Ausländerrecht gehalten und erhielt sogleich nach seiner Promotion, im WS 1997/98, einen Lehrauftrag an der Philipps-Universität zu Marburg, wo er im Wintersemester 2003/04 zum Honorarprofessor ernannt wurde.

Neben seiner beruflichen Tätigkeit als hervorragender Rechtspraktiker trat Günter Renner immer stärker auch als renommierter Rechtswissenschaftler und Gesetzeskommentator hervor: Er war Verfasser eines Kommentars und eines Lehrbuches zum Ausländerrecht und, zusammen mit Prof. Dr. Kay Hailbronner, Mitherausgeber eines Kommentars zum Staatsangehörigkeitsrecht. Er war von Beginn an Mitherausgeber und Schriftleiter der 1981 gegründeten Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik (ZAR), zu der er auch selber vorzügliche Kommentare, Bestandsaufnahmen und Dokumentationen beisteuerte und in der er sich mitunter auch unter dem Pseudonym ?Anonymos Tachydromos? mit satirischen Glossen zu Wort meldete. Und er war zugleich, zusammen mit seinem Sohn Tomas, der Begründer des nicht minder bekannten Internet-Informationssystems ?migrationsrecht.net?. Über den wissenschaftlich-publizistischen Bereich hinaus schlug Günter Renner Brücken zwischen Rechtspraxis, Rechtswissenschaft und rechtlich fundierter Politikgestaltung durch seine von den verschiedensten Seiten in Anspruch genommene Tätigkeit als sachverständiger Berater ? eine Funktion, in der wir uns immer wieder begegnet sind: Günter Renner war Berater der Migrations-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz und der ökumenischen Arbeitsgruppe der christlichen Kirchen, die das 1997 publizierte Gemeinsame Wort zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht (?... und der Fremdling, der vor Deinen Toren ist?) vorbereitete. Er war Berater der beiden von Bundesinnenminister Otto Schily einberufenen wichtigsten Sachverständigenkommissionen der Bundesregierung zu Migrations- und Integrationsfragen, der Unabhängigen Kommission Zuwanderung (?Süßmuth-Kommission?, 2000/01) und des Sachverständigenrates für Zuwanderung und Integration (?Zuwanderungsrat?, 2003/04) sowie Mitglied des Expertenforums beim Informationszentrum des Nürnberger Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Auf der Sitzung des bundesweiten wissenschaftlichen Rates für Migration (RfM) am 12. September 2005 in Berlin sollte er als Mitglied aufgenommen werden. Unserem Osnabrücker Forschungsinstitut war Günter Renner als kritischer Berater verbunden, der so manchen Text aus unseren und besonders meinen Veröffentlichungen an heiklen Stellen kritisch prüfte. Wer ihn kannte, weiß, daß er Vortrags- und Publikationszusagen immer einhielt und frühzeitig mit der Arbeit zu beginnen pflegte. So konnten wir auch das Manuskript seines für unsere Vorlesungsreihe bestimmten Vortrages auf seiner hinterlassenen Festplatte finden. Es wird posthum in der Weinachtsausgabe unserer IMIS-Beiträge abgedruckt werden zusammen mit diesem Nachruf.

Günter Renner war ein dem Leben zugewandter, lebensfroher, gern zu einer amüsanten Anekdote aufgelegter Mensch. Und er war zugleich ein stiller, mitunter in sich gekehrter, tief gläubiger Christ. Er hat als solcher seinen Frieden gefunden. Der Abschied von dem von uns so geschätzten Autor, Berater und Freund bleibt schwer. Wir sind dankbar dafür, daß wir ihn kennen durften. Er wird in unserer Erinnerung stets unter uns bleiben. Im Namen des Vorstandes des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück

Prof. Dr. Klaus J. Bade
Direktor, IMIS


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